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Gebühren Zwei-Klassen-Zahler beim Abwasser?

Hartmut Nothe aus Kade Schleuse wirft dem Trinkwasser- und Abwasserverband Genthin vor, bei Gebühren mit zweierlei Maß zu messen.

Von Simone Pötschke 16.06.2020, 01:01

Genthin l In der jüngsten Verbandsversammlung des TAV konnte Hartmut Nothe aus Kade Schleuse unter dem Tagesordnungspunkt Bürgerfragestunde nicht viel besehen, als er die dezentrale Abwasserentsorgung im Versorgungsgebiet thematisierte. Gerade kleinere Orte in der Einheitsgemeinde Jerichow sind davon betroffen. Neu ist das Thema allerdings nicht. Nothes Meinung nach verstoße die TAV-Praxis gegen das Solidarprinzip und benachteilige die Haushalte finanziell, die nicht zentral an die Abwasserleitung angeschlossen sind. Er rechnete den Mitgliedern der Verbandsversammlung akribisch in Euro und Cent die finanziellen Nachteile der dezentral entsorgten gegenüber den zentral entsorgten Haushalten vor. Auf offene Ohren stieß er damit nicht gerade. Seine Forderung an den TAV: Gleiche Kosten für zentral und dezentral angeschlossene Haushalte. Als Nothe dazu ansetzte, die Abwasserentsorgung in Brandenburg vergleichend zu der in Sachsen-Anhalt darzustellen, fiel ihm Frank von Holly (CDU), Möckeraner Verbandsverteter, unwirsch ins Wort. Man könne nicht Äpfel und Birnen miteinander vergleichen. „Genau das tun Sie aber“, meinte von Holly im Hinblick auf die unterschiedlichen landespolitischen Gesetzlichkeiten. Auch Nicole Golz (parteilos), Bürgermeisterin aus Elbe/Parey und Vorsitzende der Verbandsversammlung, wehrte ab. Die Dauer einer Bürgerfragesstunde sei mit gut 30 Minuten erschöpft, der Verband werde sich intern mit dem Anliegen Nothes befassen.

Bis dahin will Nothe allerdings nicht warten. Nach der Versammlung verschaffte er sich mit einem offenen Brief an TAV-Geschäftsführerin Loretta Kablitz in dieser Angelegenheit nochmals Gehör. Sie machte ihm jedoch wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Klärung. Eine Änderung der Abrechungen bedürfe einer grundsätzlichen rechtlichen und organisatorischen Betrachtung, ließ sie Nothe in einem Antwortschreiben, das die Volksstimme einsah, wissen. Zudem müsse sich dann auch die Verbandsversammlung eine Meinung bilden. Das alles brauche seine Zeit. Im Verbandsgebiet sind 96 Prozent aller Haushalte an eine zentrale Abwasserversorgung angeschlossen. Bei den verbleibenden vier Prozent war dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.

Nothe sieht die Haushalte mit dezentraler Abwasserentsorgung finanziell gegenüber den Haushalten, die an das zentrale Abwassernetz angeschlossen sind, eindeutig im Nachteil. Es sei für ihn nicht einzusehen, dass alle dem gleichen Verband angehören und trotzdem ungleich behandelt werden. Beispielhaft führt Nothe in dem offenen Brief die Rechungslegung bei zentraler und dezentraler Abwasserversorgung für das Jahr 2019 auf. Demnach wurde ein Haushalt mit dezentraler Abwasserentsorgung bei einem Verbrauch von 48 Kubikmetern Trinkwasser im Jahr 2019 mit 674,35 Euro zur Kasse gebeten. In diesen Gesamtbeitrag fallen die Grundgebühr für das Trinkwasser, die Jahresgebühr für die Sammelgrube und die Mengengebühr für das Trinkwasser. Für einen Haushalt mit zentraler Abwasserentsorgung mit einem Verbrauch von 152 Kubikmetern Trinkwasser kam im vergangenen Jahr ein Abrechnungsbetrag in Höhe von 762,34 Euro zusammen. Diese Summe setzt sich zusammen aus den Grundgebühren für Trink- und Abwasser sowie aus den Mengengebühren für Trink- und Abwasser. Im Bereich des TAV arbeiten zugelassene Entsorger für die dezentrale Entsorgung der Kleinkläranlagen betriebswirtschaftlich auf eigene Rechnung. Die Kosten des Verwaltungsaufwands, die mit der dezentralen Versorgung verbunden sind, bleiben allerdings beim TAV. Nach Nothes Beispiel bezahlt der Haushalt mit zentraler Entsorgung, obwohl er das Dreifache an Wasser verbraucht, nur das 1,13-fache mehr an Gesamtkosten wie der dezentral entsorgte Haushalt.

In den 1990er Jahren war der TAV bestrebt, möglichst 100-prozentig die Haushalte zu erschließen. Seinerzeit, unter den damaligen gesetzlichen Bestimmungen, zeigten einige Grundstückseigentümer jedoch kein Interesse an einem zentralen Anschluss. Später stellte sich heraus, dass bei einem Anschlusszwang, auch für wenige Grundstücke im ländlichen Raum, die Kosten explodiert und damit die Gebühren für die TAV-Kunden in die Höhe geschnellt wären. Der TAV argumentierte seinerzeit, dass der Gebührenzahler nicht für unwirtschaftliche Investitionen zur Kasse gebeten werden sollte.