1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Genthin als Waldbrandzentrale für Sachsen-Anhalt bewusst ausgebremst?

Standort ungewiss Genthin als Waldbrandzentrale für Sachsen-Anhalt bewusst ausgebremst?

Im Genthiner Forstamt sollte nach dem Willen des Landes die Waldbrandzentrale für ganz Sachen-Anhalt installiert werden. Klammheimlich erhielt jetzt – zunächst als Übergangslösung – Annaburg den Zuschlag.

Von Simone Pötschke 25.07.2021, 10:23
Feuerwehren löschen ein Bodenlauffeuer in der Nähe von Mützel.
Feuerwehren löschen ein Bodenlauffeuer in der Nähe von Mützel. Archivfoto: Katharina Richter

Genthin /Burg - Wenn die Zeit der Waldbrände naht, ist das Betreuungsforstamt Elb-Havel-Winkel eine gefragte Adresse bei den Medien. Denn neben Annaburg (Wittenberg) und Klötze (Altmark) zählt das Altenplathower Forstamt zu den drei Waldbrandzentralen in Sachsen-Anhalt, in denen Datenmaterial des hochmodernen automatisierten Waldbrandfrüherkennungssystems „Fire Watch“ weitergeleitet und ausgewertet werden. Genthin galt unter diesen drei Forstämtern besondere mediale Aufmerksamkeit, nachdem das Land 2015 öffentlichkeitswirksam ankündigte, hier eine große Waldbrandzentrale für ganz Sachsen-Anhalt einrichten zu wollen, um die Waldbrandfrüherkennung noch weiter zu optimieren. Noch auf der Waldbrandkonferenz im November 2019 in Heyrothsberge ließ das Landeszentrum Wald keinen Zweifel am Standort Genthin aufkommen. Es kündigte die Einstellung von fünf Forstwirten zur Besetzung der Waldbrandzentrale an und machte seinerzeit in Anbetracht weniger Bewerber Druck. Die Einstellung sei „zwingend notwendig!“, hieß es.

Arbeitsverträge für fünf Forstwirte

Die fünf Forstwirte haben inzwischen ihre Arbeitsverträge unterschrieben, im Gebäude des Genthiner Forstamtes wurden baulichen Veränderungen für geschätzte 50 000 Euro vorgenommen. Im Forstamt wähnte man sich deshalb optimistisch, dass die Zentrale trotz einer zeitlichen Verzögerung von mittlerweile zwei Jahren in Kürze mit der großen Zentrale ans Netz gehen werde. Ein Trugschluss. Durch Mitarbeiter einer Berliner Firma, die die „Fire Watch“ betreut, sickerte im Juli eher beiläufig durch, dass die Hard- und Software nicht in Genthin installiert werde.  Ein Schock -  denn eine offizielle Mitteilung darüber hat es bis zu diesem Zeitpunkt durch das Landeszentrum Wald für die Genthiner nicht gegeben, versichert Revierförster Michael Pieper. „Wir waren alle sprachlos“, sagt er. „Wir sind bereit, über alle Dinge mit dem Landesbetrieb Wald zu reden, auch wenn sie nicht für den Standort Genthin sprechen. Jetzt liegt die Vermutung nahe, dass wir bewusst ausgebremst wurden.“  Das Schweigen der vorgesetzten Dienststelle in Halberstadt sorgt unter den Mitarbeitern für Frust und Unverständnis. Auch die Annaburger Kollegen hätten dichtgehalten, so dass die Standortverlegung nicht zur Sprache kam. „Wir werden abgewickelt und keiner spricht mit uns. Das ist ein Unding“, sagt Pieper.

Investition in eine Bürobaustelle

Im Hause, so Pieper, gebe es eine unwirkliche bauliche Situation: Die  Grundarbeiten für die Zentrale seien längst erledigt, nur noch Aufbauarbeiten stünden auf dem Plan.  Der Aufenthaltsraum, der Serverraum und die Klimaanlage seien fertiggestellt. Aus zwei Büros sei ein großes entstanden, aber eben nur halbfertig. Jetzt hingen Elektrokabel in der Luft. Man habe, befürchtet Pieper, einen fünfstelligen Betrag in eine Bürobaustelle investiert.

Land erwägt wegen Kosten Übergangslösung

Andreas Goldschmidt vom Landeszentrum Wald reagierte auf Volksstimme-Nachfrage zu den Vorgängen in Genthin zurückhaltend. Gleichwohl räumt er ein, dass das Forstamt Annaburg den Zuschlag des Landeszentrums Wald für die Inbetriebnahme der Zentrale erhalten habe. Er spricht jedoch ausdrücklich von einer Interimslösung.  Seine Begründung basiert auf zwei Argumenten: Die Ertüchtigung des Standortes Genthin sei  zu teuer und  Verträge  zur Abnahme und Rechnungslegung der  Hard- und Software müssten zeitlich eingehalten werden. Goldschmidt führt einen „erheblichen Kostenaufwuchs“ an, der für die Waldbrandzentrale in Genthin notwendig sei. Zahlen nannte er nicht. In Annaburg sei eine „wirtschaftlich günstige, temporäre Zwischenlösung“ gefunden worden. Darüber, warum die Betriebsleitung in Genthin bei dieser Umorientierung gänzlich außen vor gelassen wurde, wollte sich Goldschmidt nicht äußern. Zu personellen Details könnten keine Auskünfte gegeben werden, ließ er wissen. Auf eine erneute Rückfrage der Volksstimme beim Landwirtschaftsministerium gab es keine Reaktion.

Standort Genthin wird untersucht

Ob die Messen für einen Waldbrandzentrale in Genthin endgültig gesungen sind, soll eine Untersuchung ergeben, die das Ministerium angewiesen habe. Andreas Goldschmidt zufolge soll diese Untersuchung personelle, wirtschaftliche, organisatorische sowie liegenschaftsspezifische Belange erfassen. Als Abgabe-Termin hat das Ministerium Freitag, 31. Juli, festgelegt.

Neben der Einrichtung einer Waldbrandzentrale in Genthin hat das Land Sachsen-Anhalt seit Mitte 2019 1,2 Millionen Euro in das Waldbrandfrüherkennungssystem „Fire Watch“ investiert.