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45 Jahre Handarbeitsclub in Genthin / Gemeinsames Hobby hat nichts von seiner Attraktivität verloren Handarbeitsfrauen: Neuestem Chic treu geblieben

Von Ingrid Kroll 06.09.2012, 03:22

Der Genthiner Handarbeits-Club der Volkssolidarität feiert in diesem Jahr sein 45-jähriges Bestehen. Heute noch trifft er sich regelmäßig. Ingrid Kroll hat seine Geschichte in dem Beitrag aufgearbeitet. Heute Teil I.

Genthin l 20. Oktober 1967 - in der Gaststätte "Lindenhof" findet die erste Strickmodenschau in Genthin statt.

Sie wird durchgeführt von jungen und engagierten Frauen des Handarbeitszirkels des DFD (Demokratischer Frauenbund Deutschlands) unter der Leitung von Luise Kroll.

Wie kam es dazu? Handarbeiten, besonders Stricken und Häkeln, gehörten immer schon zu ihrer Lieblingsbeschäftigung - und nicht nur das. "Das gehört einfach zu meinem Leben", sagte Luise oft. Immer wieder hatte sie tolle Ideen und nebenbei auch einen guten Geschmack, das heißt, einen Sinn für alles Schöne. Bei den vielen Kontakten, die sie privat und auch im Rahmen der Frauenarbeit beim DFD hatte, musste sie nach und nach feststellen, dass es viele Gleichgesinnte gab. In allen Ortsgruppen gab es monatlich Handarbeitsabende, die stets sehr gut besucht waren. Wie heute auch, bewunderte man die Arbeiten anderer, bekam Anregungen und gab auch selbst gemachte Erfahrungen weiter.

So teilte sie mit vielen Frauen jeden Alters ihr Hobby, und es kam immer wieder zu Kontakten, sei es, um sich bei ihr Rat zu holen oder auch eigene Erfahrungen weiterzugeben.

Ihre Bewunderung galt oft den jungen Frauen, die berufstätig waren, kleine Kinder hatten, in der Familie und damit im Haushalt stark beansprucht wurden und dennoch Zeit fanden, die schönsten Handarbeiten zu "zaubern". So scharrte sie bald eine Gruppe der fleißigsten und kreativsten Frauen um sich, wie Ilse Greger, Edelgard Schlaffke, Ingrid Langisch, Jutta Klein und noch einige andere.

Die Idee einer Modenschau wird geboren

Eines Tages meinte sie: "Die Sachen sind viel zu schön, um sie einfach nur anzuziehen und einem kleinen Kreis zu zeigen; man muss sie einer breiten Masse zugänglich machen - vielleicht auf einer Modenschau." Sie war von ihrer eigenen Idee begeistert und konnte auch mit ihrer Begeisterung alle mitreißen. Anfangs hatten wir alle Zweifel und keiner wusste so recht, wie das ablaufen sollte, aber sie hatte schon alles im Kopf. Sie bat nicht nur die Frauen viele schöne Damen- und Kindersachen herzustellen, auch sie selbst gönnte sich keine Ruhe und hatte immer neue Ideen. Da wurde von allen gehandarbeitet, was das Zeug hält, ein Stück nach dem anderen entstand und eines schöner als das andere.

Fast alles wurde für die Modenschau ausgewählt und durfte nicht vorher schon angezogen werden.

Ihr Ehemann, gerade Rentner geworden und auf einen ruhigen Lebensabend hoffend, hatte gar keine andere Wahl, sondern wurde verdonnert, ihr den Rücken freizuhalten und sämtliche Hausarbeiten zu erledigen. Er musste einkaufen gehen und kochen. Das alles machte er stets ruhig und gelassen, wie er nun einmal war - ganz im Gegensatz zu seiner Frau. Ich habe meinen Schwiegervater so manches Mal insgeheim richtig bedauert, und dabei fiel mir oft das irgendwann mal von Luise Selbstgedichtete über die Gleichberechtigung der Frauen ein, in dem es unter anderem hieß: ."die Frauen treiben es manchmal viel zu weit, da tun einem fast schon die Männer leid"..! Der "Herr im Hause" in der Familie Kroll war nun mal Luise.

Selbst bei unseren Zusammenkünften im Hause Kroll saßen manchmal 10 Frauen im Wohnzimmer um den Tisch, und wir alle wurden bedient von Vater Kroll.

Verpackt in eine Fernsehsendung

Als Termin für die Modenschau war der 20. Oktober 1967 vorgesehen. So haben wir dieses Datum später auch als Gründungstag unseres Handarbeits-Clubs festgesetzt.

Im Laufe der Vorbereitungen war Luise auf einmal eine einfache Modenschau nicht mehr genug. Deshalb hatte sie die Idee, die Präsentation der Strick- und Häkelarbeiten in eine "Fernsehsendung" einzubetten und damit war der "Genthiner Fernsehfunk" geboren.

Luise Kroll selbstverständlich, aber auch die, die nicht ganz so fleißig strickten, wie Ella Jörgen, Hedi Pleiner und ich, hatten damit noch eine zusätzliche Arbeit zu bewältigen, wir mussten uns um das Programm kümmern, Texte ausarbeiten und so weiter.

Straffe Organisation war notwendig

Um das "Fernsehgerät", ein überdimensional großer Rahmen, kümmerte sich Luise selbst, wie sie überhaupt bei allen Vorbereitungen immer die Fäden in der Hand behielt. Dank ihrer guten Kontakte war dieser Rahmen (aus Holz oder Pappe - kann ich heute nicht mehr genau sagen) bald gefertigt und geliefert, den wir dann zwangsläufig überall mit hinnehmen mussten.

Dafür benötigten wir jedes Mal einen B 1000, denn in unseren kleinen "Trabi" passte dieses Requisit partout nicht hinein.

Uns standen damals nur wenige private Pkw zur Verfügung und damit mussten wir uns und unsere Kollektion befördern und das mit jeweils mehreren Fahrten zu einer Veranstaltung. Das bedurfte einer straffen Organisation.

Nun erzählt sich das heute alles so leicht, aber die Bedingungen, unter denen damals alles bewältigt werden musste, waren mitunter recht schwierig, fast abenteuerlich.

Uns allen hat es jedoch sehr viel Spaß gemacht, und wir waren wirklich mit Freude, Lust und viel Fleiß dabei, so dass uns die Schwierigkeiten auf jeden Fall nichts von unserem Elan nehmen konnten.

Hinzu kommt natürlich noch, dass uns auch deshalb alles leicht fiel, weil wir alle 45 Jahre jünger waren!

(wird fortgesetzt)