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Lautgeben nur nach Plan? In Parchen tobt ein klassischer Nachbarschaftsstreit um das Bellen eines Hundes

Familie Fürbaß aus Parchen hat einen Wachhund. Weil dieser nach dem Dafürhalten von Nachbarn zu oft, zu laut und zu lange bellt, läuft gegen sie ein mit Bußgeld zu belegendes Verfahren.

Von Susanne Christmann 14.05.2021, 14:00
Helmut und Beate Fürbaß, Tochter  Betty Westermann und Schäferhund Rex an ihrer Grundstücksgrenze in Parchen. Dahinter beginnt der Wald. Foto: Susanne Christmann
Helmut und Beate Fürbaß, Tochter Betty Westermann und Schäferhund Rex an ihrer Grundstücksgrenze in Parchen. Dahinter beginnt der Wald. Foto: Susanne Christmann Foto: Susanne Christmann

Parchen - Für Beate und Helmut Fürbaß war ihr Leben immer in Ordnung. Seit 52 Jahren wohnen sie in ihrem kleinen Häuschen am Waldrand hinter der Bockwindmühle in Parchen. Genauso lange gehört auch ein Hund zu ihrem Leben. Rex, ein dreijähriger Schäferhund-Rüde, ist der mittlerweile sechste. „Der Hund“, so Helmut Fürbaß im Gespräch mit der Volksstimme, „ist unsere Lebensversicherung“. Denn das Grundstück, auf dem im Haus nebenan auch Tochter Betty Westermann lebt, liegt etwas abseits an der Grenze zum Wald in ein paar hundert Meter Abstand zu den nächsten Wohnhäusern. Rex erfülle dabei wie alle seine Vorgänger zu allererst die Rolle eines Wachhundes. Denn weder die Tiere des Waldes noch Diebe hätten, so schildern es die beiden, in der Vergangenheit Halt vor dem Grundstückszaun gemacht.

Was die Fürbaß' jetzt um ihren guten Schlaf und die Seelenruhe bringt, ist zunächst eine Anzeige der Polizei. Wegen „immer wiederkehrender Anzeigen/Meldungen“ von Anwohnern des Mühlenberges und der Burger Straße „wegen ruhestörendem Lärm, verursacht durch Ihren Hund“ wird Helmut Fürbaß aufgefordert, den Hund so unterzubringen, „dass das Gebell keine Ruhestörung darstellt“, heißt es darin. An Sonn- und Feiertagen ganztätig, an Werktagen zwischen 13 und 15 Uhr und besonders zur Nachtruhe zwischen 20 und 6 Uhr müsste das Bellen des Hundes unterbunden werden. Ansonsten drohe ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Mit einem Bußgeld sei zu rechnen.

Auch andere Hunde im Dorf bellen

Bei der Androhung aber, so Tochter Betty, dass ihren Eltern die Kosten für jeden etwaigen polizeilichen Einsatz wegen des bellenden Hundes aufgebrummt würden, habe die Mutter richtig angefangen zu weinen. Seit 52 Jahren hätten sie einen Hund - übers Bellen beschwert habe sich bisher keiner. Warum auch, sagt Beate Fürbaß, denn Hunde haben im Dorf Parchen so ziemlich alle. Auch die bellen natürlich. Wie man sich denken könne, nicht immer nur dann, wann es ihnen laut der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Genthin erlaubt sei. Das sei halt auf dem Land so, so Beate Fürbaß, da arrangiere man sich.

Betty beruhigt ihre Eltern, in dem sie einen Anwalt einschaltet. Der legt Rechtsmittel ein, zerpflückt die Anzeige Punkt für Punkt nach formalen Kriterien. Die „immer wiederkehrenden Anzeigen/Meldungen bei der Polizei“ sind zum Beispiel weder mit Anzeigedatum im Einzelnen, noch mit dem jeweils Anzeigenden unterlegt. Worin der „ruhestörende Lärm, verursacht durch ihren Hund“ liege, werde nicht konkret bezeichnet. Er bemängelt auch, dass diese „besondere Situation der Grundstückslage meiner Mandantschaft (bewusst?) nicht berücksichtigt“ werde.

Anwalt beantragt Aufhebung der polizeilichen Anordnung

Entscheidend sei schließlich, dass in der Anzeige formuliert werde, dass die Fürbaß' die Übernahme der Kosten für jeden polizeilichen Einsatz „bezüglich der Ruhestörung“ durch den Hund auferlegt bekommen sollen. Die rechtliche Grundlage für diesen Verwaltungsakt sei nicht angegeben. Weil die, so der Anwalt lapidar, fehlen dürfte - jedenfalls im Augenblick. Das anwaltliche Schreiben listet noch weitere rechtsrelevante Punkte auf, die aber noch zu prüfen sind. Der Anwalt beantragt schließlich, die polizeiliche Anordnung wegen der aufgeführten Rechtsmängel aufzuheben.

Das geschieht nicht. Vielmehr flattert Helmut Fürbaß jüngst eine „Anhörung als Betroffener wegen einer Ordnungswidrigkeit“ ins Haus. Nun versteht die Familie gar nichts mehr. Beate Fürbaß ruft bei der auf dem Schreiben angegebenen Nummer an und bekommt zur Auskunft, dass in der Stadtverwaltung keine Schreiben - weder von der Polizei noch vom Anwalt - vorliegen würden. Die Stadt hat laut Anhörungsbogen ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weil „Beschwerden wegen des täglich, in den nächtlichen Stunden, Bellens“ des Hundes eingegangen seien. „Ihr Hund bellt zeitweise über mehrere Stunden und stört die Nachtruhe der Anlieger“, heißt es. Die Angst, dass ihnen der Hund weggenommen werden könnte oder sie ihn weggeben müssten, ist bei Helmut und Beate Fürbaß wieder da. Betty Westermann ruft die Volksstimme an. Wenn nicht mal der Anwalt helfen könne ...

Stadt gibt keine Auskunft zu direktem Verfahren

So aussichtslos sehe es nicht aus, ergibt ein Anruf der Volksstimme beim Anwalt. Selbstverständlich kümmere er sich auch um die rechtlich sichere Antwort auf das städtische Schreiben zur „Ordnungswidrigkeit“, erklärt er. Von der Stadt wollte die Volksstimme wissen, was beziehungsweise wer sie veranlasst hat, dieses Bußgeldverfahren einzuleiten, wenn sie weder das Schreiben der polizeilichen Anordnung noch die des Anwalts kennen würde. „Da dies Fragen zu einem direkten Verfahren sind, werden aus datenschutzrechtlichen Belangen, keine Auskünfte erteilt“, lautet die Antwort aus dem Rathaus.

Ruhezeiten dürfen nicht gestört werden

Nun muss zu diesem klassischen Nachbarschaftsstreit auch gesagt werden, dass Hunde nicht einfach bellen dürfen, so laut und so lange, wie sie wollen. Selbst Wachhunde auf dem Land nicht. Nach Urteilen bundesdeutscher Gerichte, so Hans-Albert Wegner vom Online-Angebot „Deutsches Anwalt Office Premium“, finde ein sogenannter „Kläffer“ vor Gericht keine Gnade, wenn er besonders laut, langanhaltend oder zur Nachtzeit belle und sich ein Nachbar mit einer Unterlassungsklage zur Wehr setze. Stets vorausgesetzt, dass das beweisbar ist. Auch Abend- und Mittagsruhe dürften bellende Hunde nicht über Gebühr stören.

Versuche, für das Bellen des Hundes einen regelrechten Bellfahrplan durchzusetzen, könnten nach Urteilen der Landgerichte Mainz und Schweinfurth sowie des Oberlandesgerichtes Düsseldorf aber nach hinten losgehen. Kein Nachbar habe so einen weitgehenden Anspruch, der im Endeffekt auf ein Verbot der Hundehaltung hinausliefe.

Diese Schreiben bringen Helmut und Beate Fürbaß und Tochter Betty Westermann aus Parchen derzeit um Schlaf und Seelenruhe.
Diese Schreiben bringen Helmut und Beate Fürbaß und Tochter Betty Westermann aus Parchen derzeit um Schlaf und Seelenruhe.
Foto: Susanne Christmann