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Kommunalabgabe Kontroverse um Ausbaubeiträge

Die Straßenausbaubeiträge beschäftigen nicht nur das Land. Auch die Fraktionen im Genthiner Stadtrat haben kontroverse Meinungen dazu.

Von Mike Fleske 09.04.2019, 01:01

Genthin l Ein heiß diskutiertes Thema sind allerorts die Straßenausbaubeiträge. Vor wenigen Wochen hat die Koalition aus CDU, SPD und Grünen die Verhandlungen zu einer Neuregelung abgebrochen. Damit bleibt alles so, wie es ist. Das Gesetz sieht weiterhin vor, dass Kommunen Anwohner an den Kosten für Straßenbauarbeiten beteiligen müssen.

In anderen Bundesländern sind die Beiträge bereits abgeschafft worden, wie etwa in Bayern. In Hessen und Schleswig-Holstein wurde aus einer Soll- eine Kann-Regelung. Unter anderem in Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen wird über eine Abschaffung diskutiert.

Was für den Bürger eine Entlastung bedeutet, könnte in den Kommunen für Probleme sorgen. Denn bundesweit sollen laut Städte- und Gemeindebund (DStGB) 40 Milliarden Euro an Investitionen im Straßenbau fehlen. Hin und Her gerissen sind daher auch die Genthiner Fraktionsvorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Parteien.

„Diese Gebühren wurden vor 150 Jahren eingeführt, als es auf den Straßen nur ein paar Pferdefuhrwerke gab, heute fahren Tausende Autos und jede Menge Schwerlastverkehr und verursachen viel häufiger Reparaturen im Bereich der Infrastruktur, und die Anwohner sollen dafür zahlen, das kann man keinem Bürger erklären“, findet etwa SPD-Fraktionschef Horst Leiste. Er hält die Abgabe für nicht mehr zeitgemäß, schränkt aber auch ein: „Mir ist als langjähriger Kommunalpolitiker auch bewusst, dass eine Kommune jeden Cent benötigt, aber wir müssen die Finanzierung der Straßen auf anderem Wege gewährleisten.“

In der Bundesregierung werde immer von einer Entlastung der Bürger gesprochen. „Bei den Straßenausbaubeiträgen belasten wir die Menschen über die Maßen.“ Auch seine Partei sei immer für eine Abschaffung der Ausbaubeiträge gewesen, bestätigt Linken-Fraktionschef Harry Czeke. „Jeder zahlt Steuern und dann sollte man vom Staat erwarten können, dass er davon auch die Straßen macht.“ Das sei eine Daseinsvorsorge, ähnlich wie Strom, Wasser, und Breitbandversorgung. Die Straßenausbaubeiträge beinhalten zu viele Probleme, meint Czeke mit Blick auf die Kostenumlage etwa bei Eckgrundstücken.

„Wie sollen alte Menschen 12.000 Euro Anteil aufbringen, wenn vor ihren Haus die Straße gemacht wird?“, fragt er. Etwas süffisant fügt der Fraktionschef hinzu: „Wenn am Ende alle Bundesländer die Straßenausbaugebühren abgeschafft haben und nur Sachsen-Anhalt nicht, dann ist das ein Alleinstellungsmerkmal, auf das ich gut verzichten kann.“

Das ganze Thema dürfe zukünftig nicht einfach so abgetan werden, auch wenn in Sachsen-Anhalt eine Neuregelung vorerst geplatzt ist, meint FDP-Mann Wilmut Pflaumbaum. Wenn die Straßenausbaubeiträge erlassen oder abgesenkt werden, müsse allerdings klar sein, dass diese erlassenen Zahlungen aus Steuern gegenfinanziert werden müssen. Der Bürger zahle also so oder so. Die Diskussion, die Ausbaubeiträge abzuschaffen oder beizubehalten, sei sehr schwierig und müsse unbedingt sachlich weitergeführt werden, sagt Pflaumbaum.

„Wenn Genthin eine reiche Kommune wäre, wäre die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge kein Thema. Aber Genthin ist es eben leider nicht“, macht Gerd Mangelsdorf von der CDU-Stadtratsfraktion und Stadtratsvorsitzender klar. Zu den Abgaben geben es derzeit geteilte Meinungen.

Er persönlich sehe nach den gegenwärtigen Regelungen zum Beispiel gerade Eigentümer übergroßer Grundstücke, die es in den ländlichen Regionen häufig gebe, benachteiligt. Für den Fall, dass die Straßenausbaubeiträgen tatsächlich erlassen werden, gebe es wiederum Befürchtungen, dass in einer Kommune wie Genthin aufgrund des fehlenden Geldes immer weniger Straßen gebaut werden. „Straßenausbaubeiträge sind und bleiben ein schwieriges Feld“, blickt Mangelsdorf eher sorgenvoll in die Zukunft.

Lutz Nitz, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Genthiner Stadtrat, bedauert, dass das Thema nun in den Wahlkampf gerutscht ist. Seine Partei habe bereits im Oktober 2018 lange vor der Kommunalwahl deutlich gemacht, dass man diese Abgaben nicht mehr wolle und auch Vorschläge gemacht habe, wie man mit den fehlenden Einnahmen umgehen wolle.

Letztlich sieht Nitz im Wahlkampfthema „Straßenausbaubeiträge“ doch etwas Gutes: „Wenn dies dazu führt, dass am Ende die Ausbaugebühren abgeschafft werden, ist es doch in Ordnung.“