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Spuren eines seltenen Handwerks Straßennamen und Regenfässer in Jerichow erinnern an den fast vergessenen Beruf des Fassbauers

Aktualisiert: 19.4.2021, 09:29

Jerichow (tsk). Wie oft sieht man schon einen Böttcher bei der Arbeit? Die meisten Menschen wissen ja nicht mal mehr, was das ist, außer einem verbreiteten Nachnamen. Der Familienname „Böttcher“ in verschiedenen Schreibweisen spricht dafür, dass einer der ältesten Handwerksberufe auch im nördlichen Jerichower Land zu Hause war. In seiner langen Tradition wird der Fassbauer je nach Landschaft auch Fassküfer, Büttner, Schäffler und Kübler genannt. An der Mosel ist er der Küfer - entstanden aus dem Lateinischen „Cuparius“ („cupa“ ist das Holzfass).

Ausgangsmaterial für die Herstellung von Fässern sind dicke Stämme, die mit dem speziellen Spiegelschnitt zurecht gesägt werden. Dabei ist wichtig, dass die Jahresringe als annähernd parallele Streifen auftauchen – der besondere Zuschnitt sorgt für Stabilität und die braucht ein Fass. Die Hölzer werden – je nach Fassgröße – auf eine Länge von rund einem bis 2,80 Meter und 3,5 bis 8 Zentimeter Dicke zurechtgeschnitten. Dann müssen die Längshölzer, auch Dauben genannt, mindestens drei Jahre gelagert und getrocknet werden. Für die Außenwand des Fasses wird das Holz unter großem Druck mit Stahlbändern, den Fassreifen, zusammengepresst, damit sind sie dicht, ganz ohne weiteren Kleber. Bevor Eisen in ausreichenden Mengen zur Verfügung stand, kamen für Fassreifen auch hölzerne Bänder aus Haselnuss zur Anwendung. Selbst hier gab es einen speziellen Handwerksberuf, der ausgestorben ist: der Reifschneider. Die einzelnen Dauben haben in der Mitte eine andere Dicke als am Rand. Das sorgt für den typischen Fassbauch. Diese Form hat zwei Vorteile, zum einen wird das Fass durch die zylindrische Bauweise dicht, zum anderen kann selbst ein sehr schweres Fass so gut wie mühelos bewegt werden, wenn man weiß, wie es geht. Ein Fass kann man trudeln, rollen und mit wenigen Schwüngen hochkant stellen.

Alles Material wurde verwertet, nichts weggeschmissen

Neben Fässern stellte der Böttcher kleinere Alltagsgegenstände wie Eimer, Kübel, Schalen, Krüge, Becher, Butterfässer her sowie Großgefäße wie Gär- und Maischebottiche für Bier, Badezuber, Waschbütte und Wassertröge. Heute kaum noch vorstellbar – für den Warenaustausch waren Tonnen und Fässer unterschiedlicher Größe als Transport- und Lagerbehälter für die verschiedensten Güter unersetzlich, sie waren die „Container“ ihrer Zeit. In ihnen wurde alles Erdenkliche transportiert: Wein, Bier, Fleisch, Fisch, Butter, Tran, Öl, Salz, Getreide, Erz, Büchern, Metallwaren, selbst Glas, bruchsicher mit Holzwolle verpackt, konnte so um die halbe Welt gelangen. Schon damals wurde alles Material, das bei der Herstellung eines Fasses nicht benötigt wurde, einer weiteren Verwertung zugeführt, Abfall gab nicht. Holzwolle vom Zurichten der Dauben wurde zum Verpacken genutzt, stärkere Späne zu den heute noch bekannten Spankörben verarbeitet.

Die Berufe Böttcher und Brauer standen bis zur Industrialisierung eng zusammen und waren sogar in einer Zunft organisiert. Strenge Vorschriften gab es zu beachten. Es galt, die Qualität der Fässer und der späteren Füllung zu gewährleisten. Bei Anfertigung der Fässer gab es ganz genaue Anweisungen über Größe und Ausführung, andernfalls wurden die Fässer verbrannt, aus gleichen Ursachen war vorgeschrieben, dass jedes Fass den Namen des Meisters, der es hergestellt hatte, tragen musste. Bierfässer zum Beispiel waren stärker gebaut und wurden mit Pech abgedichtet, damit die Kohlensäure nicht entweichen konnte. Seit Ende des 19. Jahrhunderts kamen immer mehr Fässer aus Stahl und Behälter aus Blech zum Einsatz, dem Böttcher ging, zu mindestens in unserer Region, die Arbeit aus. Nur in den Weinregionen Deutschlands hält sich dieses Handwerk in einem niedrigen dreistelligen Bereich.