1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Genthin - Paradies für Parksünder

Straßenverkehr Genthin - Paradies für Parksünder

Die Stadt Genthin kann die Kontrolle des ruhenden Verkehrs personell nicht mehr absichern.

Von Simone Pötschke 07.03.2019, 00:01

Genthin l „Wir hissen die weiße Fahne im Rathaus und rufen den Leuten zu: Macht was ihr wollt, hier passiert nichts“, setzte Harry Czeke (Die Linke) am Dienstag einen polemischen Schlusspunkt unter eine heftig geführte, aber dennoch ergebnislose Debatte im Wirtschafts- und Umweltausschuss. Die Krux: Die Stadt ist personell nicht mehr in der Lage, den ruhenden Verkehr in der Stadt und ihren Ortsteilen zu kontrollieren und damit einer Pflichtaufgabe nachzukommen.

Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) konnte vor den Ausschussmitgliedern keine Lösung anbieten. Es gebe einen gesundheitlich bedingten längeren Ausfall im Ordungsamt, so dass aktuell nur noch eine Politesse im Einsatz sei, die auch einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit notwendigen Schreibarbeiten im Innendienst verbringen müsse. Im Kontext der Ausführungen des Regionalbereichsbeamten Heiko Möhring, der zur allgemeinen Parksituation aus der Sicht der Polizei sprach, wirkte dies zumindest irritierend.

Denn Heiko Möhring bekräftigte - auch auf Nachfrage der Stadträte - mehrfach den von der Bevölkerung geäußerten Wunsch nach mehr Kontrollen auch des ruhenden Verkehrs, die durch das Ordnungsamt zu verantworten sind.

Das neue Parkplatzkonzept der Stadt Genthin, das seit Ende 2017 in Kraft getreten ist, werde von den Bürgern begrüßt, resümierte Möhring. Insgesamt würde Genthin aus der Sicht der Regionalbereichsbeamten derzeit über ausreichend Parkplätze verfügen. Dennoch stellten Fahrer ihre Pkw in Bereichen ab, in denen sowohl das Halten als auch das Parken untersagt sei. „Viele Kraftfahrer sind einfach zu bequem“, gab Möhring seine Erfahrungen wieder.

„Wirklich schlimm“ sei es am Ärztehaus, wo Unberechtigte auf den Behindertenparkplätzen ihre Kfz abstellten, oder in der Brandenburger Straße, wo die linke Fahrbahn beziehungsweise der Gehweg von Kunden einer Bank genutzt werde, um den Bank-Service in Anspruch zu nehmen.

Aktuell sehe er keine Kapazitäten, den geforderten Kontrollbedarf personell abzudecken, erwiderte Genthins Bürgermeister Matthias Günther die Ausführungen des Polizeibeamten. Er werde mit Mitarbeitern sprechen, ob sich verwaltungsinterne Vorgänge optimieren ließen, kündigte er an. Ob damit gemeint war, dass Mitarbeiter Kontrolltätigkeiten zeitweise zusätzlich übernehmen könnten, ließ er offen. „Ich erwarte dabei aber keine großen Sprünge, wir sind an unseren Grenzen angekommen“, erklärte der Bürgermeister.

Möhrings Hitliste der gröbsten Genthiner Parkverstöße wäre allerdings nicht vollständig gewesen, ohne das wilde Parken in der innerstädtischen verkehrsberuhigten Zone zu erwähnen.

Das war dann auch der sensible Punkt, mit dem die ohnehin aufgewühlte Debatte um die städtische Kontrollmisere richtig an Fahrt aufnahm. In Anbetracht der prekären Situation im Rathaus, räumte Heiko Möhring ein, dass sich die Anlieger und Geschäftsleute der verkehrsberuhigten Zone, die sich durch wilde Parker belästigt fühlen, bei Angabe des Kfz-Kennzeichens durchaus auch an die Polizei wenden könnten. Davon würde bisher jedoch kein Gebrauch gemacht.

Die Ankündigung des Bürgermeisters, die Anlieger oder Geschäftsleute zu einem solchen Schritt zu ermutigen, verwirrte sowohl den Grünen Lutz Nitz als auch Sebastian Hahn von Pro Genthin.

„Ich verwahre mich bei allem Frust dagegen, dass von diesem Ausschuss ein falsch verstandenes Signal ausgeht und Genthiner aufgefordert werden, Sheriff zu spielen. Die Gefahr ist groß, dass dies möglicherweise dazu missbraucht wird, offene Rechnungen zu begleichen“, sagte Nitz.

Sebastian Hahn schloss sich an: „Ich distanziere mich von einem solchen Vorschlag.“ Natürlich habe der Bürger das Recht, eine Ordnungswidrigkeit bei der Polizei anzuzeigen, ihn aber als Stadt dazu ausdrücklich zu ermutigen, weil sie selbst Kontrollen nicht gewährleisten kann, sei ein „Armutszeugnis“.