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Stadtgeschichte Streitbarer Berliner Theologe hat seine Wurzeln in Genthin

Von Simone Pötschke und Mike Fleske 05.05.2021, 11:27

Genthin

Der Theologe und einstige Hochschuldirektor Heinrich Fink (1935 - 2020) war ein deutschlandweit bekannter Mann. Den Grundstein für seine Bildung legte er in Genthin. Interessant dabei: Genau dieser Umstand ist gar nicht so bekannt, obwohl die Lebensstationen Finks umfangreich medial begleitet und dargelegt wurden. Doch Nachschlagewerke sparen gern Heinrich Finks Zeit in Genthin aus.

Sie geben Auskunft darüber, dass Fink 1935 in Korntal, Bessarabien, geboren wurde und dann setzen sie schon an zum großen Sprung seiner Zeit in Berlin.

In Genthin unmittelbar an der Bahnlinie gewohnt

Doch vor allem stand zunächst Genthin. Heinrich Fink kam 1951 als Arbeiter- und Bauernkind in die Stadt, um nach drei Jahren sein Abitur abzulegen. Seine Familie, Eltern und Geschwister, mussten 1940 nach der Umsiedlung aus Bessarabien in Glienecke/Ziesar ein neues zu Hause finden. Der junge Heinrich Fink wohnte in seiner Genthiner Zeit am Stalin-Platz, „unmittelbar hinter der Bahnlinie“, wie er sich im Gespräch mit der Volksstimme einmal erinnert hat.

Er habe in Genthin das große Glück erleben dürfen, auf viele Lehrer gestoßen zu sein, die seine Interessen entdeckten und förderten. Als Kind bescheidener Bauern sei es für ihn ein überwältigendes Erlebnis gewesen, klassische Musik von Mozart, Bach und Beethoven kennenlernen zu dürfen.

Damit verband er vor allem den Namen von Musiklehrer Dietrich Krüger. „Ihm verdanke ich sehr viel. Die Begegnung mit der Musik hat mich sehr geprägt.“ In Erinnerung hatte Fink auch im hohen Alter die Englisch-Lehrer Schirmer und Hofmeister und den Latein- und Geschichtslehrer Dr. Rostock. Und einer der Lehrer ist ihm eine besondere Erwähnung wert: Zeichenlehrer Alisch. Sein Wirken werde bis auf den heutigen Tag immer noch unter den Scheffel gestellt, ist Fink überzeugt.

Das Jahr 1953 wird zum Wendepunkt im Leben

Das Jahr 1953, das Fink in Genthin am Gymnasium erlebte, sollte die Weichen für seine berufliche Entscheidung stellen. Eigentlich wollte er Medizin studieren, doch die Turbulenzen dieser Zeit, die durch die Arbeiteraufstände gegen die DDR-Führung geprägt war, ließen ihn sich für die Theologie entscheiden. Heinrich Finks Vorfahren kamen einst aus Württemberg und praktizierten den schwäbischen Pietismus, sein Elternhaus lebte im christlichen Glauben. Und wieder waren es Genthiner wie Pfarrer Martin, die Fink bestärkten, einen Weg als Theologe zu gehen.

„Was haben wir uns seinerzeit in der Jungen Gemeinde in Genthin mit den Fragen der Zeit auseinandergesetzt. Es ging hart zur Sache. Wir haben gelernt, schwere Situationen durchzustehen“, erinnerte sich Heinrich Fink. Es sei sicherlich nicht zufällig gewesen, dass sich 1953 drei weitere Gymnasiasten für ein Theologie-Studium entschieden haben.

Der prominente Theologe beschreibt sich selbst als einen christlichen Sozialisten. Ohne Frage, das stand für Professor Fink zeitlebens fest, habe er in der Genthiner Zeit jene Kraft und den Widerspruchsgeist entwickeln können, die er für sein - zum Teil von der Öffentlichkeit sehr angefochtenes - Wirken gebraucht habe.

1990 zum Rektor gewählt und ein Jahr später entlassen

So studierte er ab 1954 Theologie an der Berliner Humboldt-Universität und wurde dort 1979 zum Professor für Praktische Theologie berufen. Ab 1980 wurde er zum Dekan der Theologischen Fakultät. Im April 1990 wählte ihn das Universitätskonzil mit deutlicher Mehrheit zum Rektor.

Doch schon ein Jahr später folgte die Entlassung nach Vorwürfen der Stasi-Unterlagenbehörde, wonach er seit 1969 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet haben sollte. Fink gab an, jahrelang ohne sein Wissen abgeschöpft worden zu sein. Er habe aufgrund seiner Tätigkeit als Leiter der Sektion „Theologie“ zwangläufig Kontakte zur Stasi gehabt, hatte er nach seiner Entlassung erklärt.

Die Berliner Tageszeitung TAZ hatte es so formuliert: „Fink sieht sich als ein Mann, der die engen Spielräume der DDR-Gesellschaft nutzte. So habe er durchgesetzt, daß etwa Bausoldaten studieren durften, Theologiestudenten nicht zum Militär mußten und verwahrloste jüdische Friedhöfe wieder gepflegt wurden.“

Eine von Fink selbst veranlasste Prüfung durch die Gauck-Behörde im Februar 1991 ergab, dass es keine Hinweise auf eine solche Tätigkeit gebe. Zahlreiche prominente Schriftsteller, Künstler und Politiker solidarisierten sich mit dem entlassenen Rektor. Doch die juristische Aufarbeitung dauerte an. Auch weil sich Fink nicht mit den Vorwürfen abfinden wollte.

Beschwerde wird vom Verfassungsgericht abgewiesen

Die langjährige juristische Auseinandersetzung endete 1997, als das Bundesverfassungsgericht Finks Verfassungsbeschwerde abwies. Für die PDS, eine der Vorläuferparteien der heutigen Linken, saß Fink von 1998 bis 2001 als Parteiloser im Bundestag. Und danach elf Jahre Vorsitzender und bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

Später wurde der Theologe noch einmal von seiner vergangeneheit eingeholt, als 2005 Teile seiner einst zerrissenen Akte rekonstruiert worden. Fink habe von 1968 bis Oktober 1989 Spitzelberichte und Beurteilungen verfasst, berichtet die damalige Vorsitzende der Unterlagenbehörde Marianne Birthler in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Aufklärung.

Umstritten und geschätzt

Heinrich Fink stritt die Zusammenarbeit auch da ab und verglich die Vorwürfe gegen ihn mit mittelalterlicher Inquisition. Er war bis ins hohe Alter streitbar, umstritten aber auch geschätzt.

Unter anderem, weil er im „Komitee für Gerechtigkeit“, Interessen der Menschen in den neuen Bundesländern vertrat. Am 1. Juli 2020 starb Heinrich Fink nach kurzer Krankheit im engeren Kreis seiner Familie in Berlin.

Die Serie „Köpfe der Stadt“ wird am Dienstag fortgesetzt. Porträtiert wird dann der Genthiner Sattlermeister Hugo Uhlemann.