Gesellschaft Wie eine Genthinerin Menschen aus anderen Ländern beim Start in Deutschland geholfen hat
Claudia Borschinsky war in der Hochzeit des Flüchtlingszuzuges 2015/16 ehrenamtliche Betreuerin von Menschen aus Kriegsgebieten. Jetzt traf sie sich mit früheren Schützlingen. Alle stehen mittlerweile mitten im Leben.

Genthin - Ein großes Hallo gab es kürzlich in der Touristenstation in Ferchland. Fast 40 Personen, unter ihnen Ehrenamtliche aus der Flüchtlingshilfe und Menschen, die aus verschiedenen Ländern vor rund acht Jahren nach Deutschland gekommen waren. Ihren Weg in ein neues Leben, haben sie einst von Genthin aus gemacht.
„Wir wollten uns schon lange wiedersehen und haben hier den passenden Rahmen gefunden“, erzählt Claudia Borschinsky, die eine der Hauptpersonen des Treffens war. Sie hatte die Flüchtlinge, die zu Gast waren, einst mit weiteren Helfern als ehrenamtliche Unterstützerin betreut. Angefangen hatte alles in privat organisierten Deutschkursen im Jahr 2015.
Damals hatten die Ehrenamtlichen mit einigen Teilnehmern gerechnet, aber schnell war das Angebot völlig überlaufen und mehr noch als das Deutsch lernen, war für die Menschen aus den anderen Ländern die Orientierung in der neuen Umgebung wichtig. Vom Einkaufen über Behördenbesuche bis hin zum Nutzen von Bus und Bahn, standen die Helfer zur Seite und waren wichtige Begleiter im Alltag. So wichtig, dass die Verbindung auch nicht abriss als die Flüchtlinge sich ein eigenes Leben aufgebaut hatten.

Syrischer Flüchtling wird zum Ziehsohn
„Alle haben ihren Weg gemacht", sagt Claudia Borschinsky nicht ohne Stolz. So wie etwa Ghazwan, der im Laufe der Jahre so etwas wie ein Ziehsohn von Claudia Borschinsky geworden ist. Ihn lernte sie während ihrer ehrenamtlichen Arbeit als Deutschlehrerin in der Genthiner Bibliothek kennen. Ghazwan war aus dem syrischen Aleppo vor dem Krieg geflohen und kam über die Türkei, Griechenland und den Balkan nach Deutschland und nach Genthin. Ghazwan wurde schnell im Jerichower Land durch seine Bilder bekannt, in denen er seine Kriegserlebnisse künstlerisch verarbeitete.
Ghazwan lebte damals allein in einer kleinen Wohnung und erinnert sich noch heute an die Einsamkeit der ersten Zeit und an die Schikane eines anderen Mieters. Die ersten Schritte im neuen Leben in Deutschland fielen ihm schwer.
Hier nahm ihn Claudia Borschinsky mit ihrer resoluten Art unter ihre Fittiche, sorgte dafür, dass er zunächst Deutsch lernen und sich in Deutschland zurechtfinden konnte. Claudia Borschinsky erinnert sich an viele Rückschläge. Etwa, dass der Deutschkurs für Ghazwan quälend lange dauerte, da die Stunden ständig ausfielen, auch bis eine Ausbildung möglich war, dauerte es. Doch vor wenigen Jahren wurde er Elektroniker und lebt heute in Bochum.
Zu Fuß nach Deutschland gekommen
Interessant ist auch die Geschichte von Jielan und Tamar, die Claudia Borschinsky intensiv begleitet hat. Jielan kam 2015 mit ihrem sechs Monate alten Baby zu Fuß aus Syrien und über Umwege nach Genthin. Ihr Mann Tamar war als Informatiker in Dubai in den Arabischen Emiraten tätig, aber sein Arbeitsvertrag lief aus, er hätte in Syrien zum Militärdienst gemusst.
„Es gelang, ihn über die Familienzusammenführung nach Deutschland zu holen“, erinnert sich Claudia Borschinsky. Jielan ist studierte Elektrotechnikerin. Sie und ihr Mann können in ihren Berufen in Deutschland arbeiten. Es sei aber ein langer Weg gewesen, erinnert sich Jielan, die einst über Integrationskurse und die Anerkennung ihres Berufsabschlusses in Deutschland Fuß fassen konnte.
Wie alle Flüchtlinge kann das Ehepaar darüber berichten, wie schwierig der Umgang mit Behörden oft gewesen sei, wie zäh sich manche Entscheidung hinzog und wie Vorbehalte überwunden werden mussten. Heute lebt die Familie mit zwei Kindern in Potsdam. „Wir sind wie jede andere Familie auch“, sagt Jilan, die Deutschland genau wie ihr Mann als neue Heimat ansieht.
Gute Beispiele für Integration
Für Claudia Borschinsky sind, wie sie sie nennt, „ihre Schützlinge“, allesamt Beispiele für eine gelungene Integration. Etwa auch Hakem, der aus Syrien nach Genthin kam und heute immer noch mit Frau und Tochter in der Stadt lebt. Beide Eheleute haben im Jerichower Land Arbeit gefunden und möchten auch weiterhin im Landkreis bleiben. „Natürlich macht es mich stolz, wenn mir die Menschen sagen, dass sie in Deutschland Fuß fassen konnten, weil wir ihnen in Genthin über erste Hürden geholfen haben, aber alle haben es auch ihrem Fleiß zu verdanken, sagt die ehrenamtliche Helferin.
Wenn sie auf den berühmten Merkel-Ausspruch „Wir schaffen das“ angesprochen wird, sagt Claudia Borschinsky: „Wir haben es geschafft, gegen Widerstände, Desinteresse und skeptischen Blicken von Freunden.“ Vielleicht ging das nur in der kleinen Stadt Genthin so, aber es sei gelungen. Nicht zuletzt lauten auch die in Buchform veröffentlichten Erinnerungen von Claudia Borschinsky „Wir schaffen das“. Das Buch ist im AWO-Treff in der Brandenburger Straße gegen eine Spende erhältlich.