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Europäische Architektur-Attraktion zehn Jahre nach Fertigstellung touristisch unzureichend erschlossen - Zu wenig Gütertransport 10 Jahre Trogbrücke in Hohenwarthe: Das Aschenputtel der technischen Meisterwerke

Von Thomas Rauwald 10.10.2013, 03:12

Am 10. Oktober 2003 ist an der Trogbrücke in Hohenwarthe das Magdeburger Wasserstraßenkreuz seiner offiziellen Bestimmung übergeben worden. Es ist der Schwerpunkt des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 17, das im Zuge der deutschen Vereinigung den Ausbau der Wasserverbindung Hannover-Magdeburg-Berlin für eine moderne Binnenschifffahrt vorsah.

Hohenwarthe l Riesengroß waren im Herbst vor zehn Jahren die Euphorie und die Erwartungen. Zunächst auf Bundeskanzler Gerhard Schröder, der zur feierlichen Eröffnung kommen sollte - mit dem Hubschrauber. In unmittelbarer Nähe der Hohenwarther Trog- brücke ist ein stattliches Baumgeviert gefällt und mit Schotter als Landeplatz aufgefüllt worden. Schröder kam dann doch nicht, schickte seinen Verkehrsminister Manfred Stolpe, ohne Helikopter. Der Schotterplatz heißt im Volksmund "Kanzlerparkplatz". Heute halten dort die Touristenbusse. Die Passagiere schlagen sich nach der Fahrt und vor der Trogbesichtigung zunächst in die Büsche. Eine öffentliche Toilette gibt es rund um die Trogbrücke seit zehn Jahren nicht.

Weitgehend unerfüllt blieben auch die Prognosen zum Güterschiffsverkehr. Obwohl mit der Trogbrücke nun eine durchgehende Wasserstraße vom Rhein bis nach Polen geschaffen worden war, stiegen die Transporte nicht wie angenommen. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost rechnete mit einem sprunghaften Zuwachs der Schiffstransporte auf der gesamten Ost-West-Strecke des Mittelland-Kanals. 2002 waren es knapp vier Millionen Tonnen. 2015 sollen es bis zu sieben Millionen Tonnen sein. Ein Blick in den Hohenwarther Bereich belegt die Illusion. Über die Trogbrücke wurden im Jahr 2004 rund 3,5 Millionen Tonnen Güter geschippert. Von da an sank das Volumen bis 2008 um rund eine Million Tonnen, um bis 2012 wieder auf 3,5 Millionen Tonnen anzusteigen. Vom 2015er Ziel ist das weit entfernt. In Summe hat das Wasserstraßenkreuz (drei Sparschleusen in Magdeburg und Hohenwarthe, Verlängerung des Mittelland-Kanals bis zum Elbe-Havel-Kanal und Trogbrücke) 500 Millionen Euro verschlungen. Friedrich Koop, der Leiter der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost erklärt, dass das Verkehrsprojekt 17 noch nicht ganz abgeschlossen ist. Ganz große Schiffe können noch nicht durchgängig passieren. Die Schleuse Zerben ist noch im Bau. Ein weiteres Nadelöhr ist die Zufahrt zu den Brandenburger Seen.

Wenn schon der wirtschaftliche und damit auch der ökologische Erfolg beim umweltfreundlichen Transport auf der Wasserstraße ausbleibt, warum nutzen wir die Trogbrücke nicht als touristische Attraktion, als Glanzpunkt des passierenden Elberadweges, als Wirtschaftspotenzial für die Ortschaften mit ihren Gewerben und Geschäften, fragt drängend immer wieder Wolfgang Rust, ein Bürger aus Hohenwarthe. Er ist Ruheständler und sagt: "Ich habe jetzt Zeit dafür, ich lasse nicht nach, auch wenn sich nur träge kleine Erfolge einstellen."

Zu Jahresbeginn, als die Tourismusentwicklung im Jerichower Land kritisch im Fokus der Öffentlichkeit stand, prägte Wolfgang Rust den Satz: Die Trogbrücke ist der Eiffelturm des Jerichower Landes, aber das merkt keiner und dem Landkreis ist das offenbar nicht so wichtig. Und Rust setzte hinzu: Die Trogbrücke hat mindestens ebensoviel Eisen wie der weltbekannte Pariser Gitterturm.

Korrekt. Die Trogbrücke hat sogar weit mehr Eisen. Es gibt weitere Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Prägung.

In der Trogbrücke sind 10 000 Tonnen Stahl verbaut

Zum Eisen: Der Eiffelturm besteht aus rund 7300 Tonnen gehärteten Roheisens, das nach einem speziellen Verfahren veredelt wurde und weniger umweltanfällig ist als normales Schmiedeeisen. Die Trogbrücke an sich besteht aus 10 000 Tonnen Stahl, die Vorlandbrücke zusätzlich aus 14 000 Tonnen.

Die Trogbrücke und der Eiffelturm wurden aus vorgefertigten Bauteilen zusammengefügt. Der zwischen 1887 und 1889 vom Architekten Gustave Eiffel gebaute Turm war bis zum Jahre 1930 das höchste Gebäude der Welt. Die Hohenwarther Kanalbrücke kann für sich in Anspruch nehmen, die längste Trogbrücke Europas zu sein.

Kanalbrücke erhält 2004 den Ingenieurbau-Preis

Während der Eiffelturm schon aus weiter Ferne grüßt, ist dies dem flachen Kanaltrog nicht vergönnt. Aber es weist auch kein Schild an der viel befahrenen Autobahn 2 auf das Europa-Wunder hin. Wer es jedoch in Augenschein nimmt, ist überwältigt von der architektonischen und ingenieurtechnischen Meisterleistung. Die Kanalbrücke erhielt den Ingenieurbau-Preis 2004. Der zur Weltausstellung 1889 errichtete Eiffelturm ist als wegweisende Architekturikone in die Geschichte eingegangen. Das Eintrittsgeld betrug 1889 für die erste Etage zwei, für die zweite drei und für die dritte fünf Francs. Der Eintritt zur Weltausstellung kostete einen Franc. Insgesamt bestiegen während der Weltausstellung fast zwei Millionen Menschen den Eiffelturm. Damit amortisierten sich seine Baukosten bereits zu drei Vierteln.

Diesen Rekord kann die Trogbrücke nicht mehr einholen. Doch es gibt andere erstaunliche Fakten:

In der Trogbrücke befindet sich so viel Wasser, dass man damit eine halbe Million Badewannen füllen könnte. Wird der Schutzanstrich des Eiffelturms erneuert, braucht man dazu etwa 60 Tonnen Lack.

Ein Vorzug genießt die Trogbrücke gegenüber dem Eiffelturm dann doch: Sie ist erdbebensicher.