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Letzter Blick 2000 stürmen Badeanstalt

Generationen von Halberstädtern lernten in der Städtischen Badeanstalt das Schwimmen. Jetzt beginnen Sanierungsarbeiten.

Von Jörg Endries 26.05.2019, 04:00

Halberstadt l Einen Ansturm erlebte die Städtische Badeanstalt in Halberstadt – obwohl sie seit zwei Jahrzehnten geschlossen ist. Alt und Jung standen Schlange, um in das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu gelangen und eine ganz besondere Zeitreise anzutreten. Der Grund: die neuen Eigentümer öffneten letztmalig vor dem Start der aufwendigen Sanierungsarbeiten beziehungsweise des Abrisses das Haus, mit dem viele Halberstädter Erinnerungen verbinden. Unter anderem an die erste Schwimm-Unterrichtsstunde, Freizeitspaß mit Freunden und der Familie oder den wöchentlichen Badewannen-Gang.

„Etwa 2000 Leute führten wir in nur vier Stunden jeweils in 70er Gruppen durch das Haus. Ich bin überwältigt von der Resonanz“, sagte ein erfreuter Jörg Gardzella. Der Architekt ist für die Sanierung des Gebäudes verantwortlich. Man habe die Emotionen gespürt, die die Halberstädter mit der Badeanstalt verbinden. Sie nutzten die letzte Gelegenheit, all diese Momente noch einmal zu ent­decken. In weit über 100 Jahren, in denen das Haus geöffnet war, lernten Generationen von Halberstädtern dort das Schwimmen. Für viele war es die einzige Möglichkeit, in den Genuss eines Bades zu kommen. Das eigene Bad mit Wanne in der Wohnung war lange ein Traum – noch bis zum Ende der DDR 1989. Also ging man mit der gesamten Familie in die Bödcherstraße und mietete sich eins. Diese Badezimmer sind bis heute erhalten geblieben. Als Freizeiteinrichtung hat das altehrwürdige Bad ausgedient. Mit der Eröffnung des Sealands 1999 war das Kapitel Geschichte.

Die Zukunft sieht so aus, dass das Diakonische Werk im Kirchenkreis Halberstadt als Mieter in das Vorderhaus der Städtischen Badeanstalt einzieht. „Der Vertrag ist unterzeichnet“, so Jörg Gardzella. Die soziale Einrichtung nutzt das Gebäude künftig als Verwaltungssitz und mit einem vielfältiges Angebotsprogramm für Jung und Alt.

Der Schwerpunkt der Sanierung liegt auf dem Erhalt des stadtbildprägenden Gebäudes ­direkt an der Bödcherstraße und des dazugehörigen Putzbaus aus den 1950er Jahren. Die Fassade wird in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Während des Bombenangriffs am 8. April 1945 ist die Badeanstalt schwer beschädigt worden. Unter anderem fehlen seitdem über dem Eingang und links am Haus die Giebel-Risalite, neobarocke Teile der Fassade. Großen Wert legt Jörg Gardzella darauf, die opulente Eingangshalle mit ihren Säulen, Bogendecken und hochwertigen Fliesenböden herauszuputzen. Im ersten und zweiten Geschoss entstehen Büro- und Sozialräume für die Mitarbeiter des Diakonischen Werks, im Anbau unter anderem Räume für Veranstaltungen. Im Keller zieht die Kleiderkammer ein.

Seit 2016 schmiedet eine Halberstädter Investorengemeinschaft an den Zukunftsplänen. Sie gründete die Stadtbad Halberstadt GbR. Mittlerweile erwarb sie das Haus von der Stadt Halberstadt, das Konzept steht und wartet auf seine Umsetzung. Ab Herbst 2019 soll sich das Gebäude in eine Baustelle verwandeln, informierte Jörg Gardzella. Die Sanierung beginnt mit dem Abriss der ­Halle, in der sich unter anderem das Schwimmbecken befindet. Sie wird nicht mehr benötigt. ­Sicher könnte man dafür Ideen entwickeln, aber die Sanierung und Neunutzung muss bezahlbar bleiben, betonte der Architekt.

Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt das Sanierungs-Projekt Stadtbad mit 1,9 Millionen Euro. Mit der Fertigstellung rechnet Jörg Gardzella Ende 2020.