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Vorgestellt Gestatten: Henning Rühe, parteilos

Halberstadts parteiloser Ex-Landrat Henning Rühe feiert seinen 70. Geburtstag. Vom Ruhestand mag er allerdings nichts wissen.

Von Dieter Kunze 28.10.2015, 23:01

Halberstadt l Der Lehrerberuf und ein Wohnungsangebot führten den Halberstädter Henning Rühe einst nach Dedeleben. Zuvor musste er in Löbau (Sachsen) seinen Grundwehrdienst absolvieren und schaffte es ohne eine Längerverpflichtung zum Studium nach Leipzig. Hier lernte er seine spätere Ehefrau Gerda kennen. Zwei Töchter und drei Enkelkinder sind der ganze Stolz der Familie.

Im damaligen Grenzgebiet engagierte sich der junge Lehrer nicht nur für seine Schüler, sondern auch für Sport. Als Übungsleiter übernahm er bald die Abteilung Fußball des örtlichen Sportvereins. 1977 wurde Henning Rühe in den Gemeinderat von Dedeleben gewählt. Als Kandidat des Kulturbundes schaffte er es 1990 in den ersten demokratisch gewählten Kreistag. 1991 wurde der Päda-goge per Bürgerentscheid im Ort Bürgermeister.

In dieser damals hauptamtlichen Funktion pflegte Henning Rühe über Parteigrenzen hinweg enge Kontakte mit seinen Amtskollegen im Altkreis Halberstadt, nutzte aber auch den Erfahrungsaustausch mit den westlich gelegenenen Nachbarn. Sachsen-Anhalts damaliger aus Rohrsheim stammender Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) versuchte ihn 1994 als Kandidaten seiner Partei für die Landratswahl zu gewinnen.

Der Dedelebener wollte aber nie wieder in einer Partei mitarbeiten und stellte sich „in Lederjacke“, wie er sich erinnert, den Wählern. „Mit großer Unterstützung meiner Bürgermeister-Kollegen“, betonte Rühe. Sein Ziel war es zunächst, bei insgesamt acht Kandidaten auf einem guten Platz zu landen. „Als daraus dann das zweitbeste Ergebnis wurde, wollte ich in der Stichwahl natürlich als Bester durchkommen“, sagt er.

Mit 75 Prozent stimmten die Wähler damals für den Dedelebener und dann begann die Zeit der großen Herausforderungen. Henning Rühe: „Die Themenvielfalt in der Funktion als Landrat kann sich heute kaum jemand vorstellen. Wir mussten auf fast allen Gebieten Neues erarbeiten.“ Die Palette der nötigen Entscheidungen reichte vom Fortbestand des Theaters, über den Rettungsdienst, die Struktur des Krankenhauses bis hin zur Jugendhilfe und der Abfallwirtschaft.

Schließlich wurde Rühe für zwei Wahlperioden Vorgesetzter von rund 700 Mitarbeitern. Der Busbetrieb musste ebenso modernisiert werden wie die Sparkasse und die Lebensmittelüberwachung. Dankbar sagt er: „Dabei hatte ich Glück, so viele engagierte Mitarbeiter zu haben. Vor allem Hans-Dieter Sturm aus Niedersachsen half beim Aufbau der Verwaltung.“

Später gab es auch, wie er es nennt, „schlimme Phasen“. Das Land forderte die Fusion von Landkreisen und dabei bestand die Gefahr, dass sich Wernigerode und Quedlinburg zunächst allein zusammenschließen. Dann wäre der Bereich Halberstadt angeschlossen oder aufgeteilt worden. Vor allem dem Verhandlungsgeschick von Henning Rühe dürfte es zu verdanken sein, dass es doch eine Harzer Dreier-Lösung mit Halberstadt als Sitz der Verwaltung wurde.

Diese Zeit hat viel Kraft gekostet. Nachdem die Entscheidung gefallen war und seine Frau bereits im Ruhestand weilte, wollte Henning Rühe für eine dritte Wahlperiode nicht mehr zur Verfügung stehen. „Unsere Bilanz konnte sich sehen lassen“, sagt er und verweist auf modernisierte Schulen und Kreisstraßen. Die Kontakte, unter anderem zu Partnern in der Region Belfort in Frankreich, wurden ausgebaut. Mit dem Bistum gab es Übereinstimmung bei der touristischen Erschließung der Huysburg.

Obwohl nun seit ein paar Jahren Rentner, ist bei Henning Rühe noch längst nicht Schluss mit dem politischen und gesellschaftlichen Engagement. Bereits seit 1995 fungiert er als ehrenamtlicher Vorsitzender des Roten Kreuzes, Kreisverband Quedlinburg/Halberstadt. 1999 gründete der Pensionär mit einigen Engagierten die Wählervereinigung „Bürger unseres Landkreises ohne Parteibuch“ (Buko) – eine Anlehnung an den historischen Bischof Buko von Halberstadt.

Sein Lebensmotto „aktiv verantwortlich mitgestalten“ gilt auch jetzt noch. Viel Zeit nimmt seit Jahren seine Funktion als Präsident des Kreissportbundes Harz und der damit verbundenen Gremien ein. Der Sport und die Arbeit als Stadtratsmitglied, Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender werden für ihn auch in den nächsten Jahren einen Teil seiner Freizeit bestimmen.

Heute wird allerdings erst einmal der 70. Geburtstag gefeiert. An Gratulanten dürfte es da nicht mangeln.