Filmdreh Hollywood im Kreuzgang

Erst Gastschüler, nun Regisseur: Der Amerikaner William van Tagen ist dem Harz treu geblieben. Aktuel dreht er einen Walpurgis-Film.

Von Sandra Reulecke 30.04.2016, 01:01

Halberstadt l Aus, vorbei... Touristen, eine Gruppe von etwa zehn Personen, betreten den Kreuzgang in der Liebfrauenkirche. Sie plaudern und lachen – und verderben damit die Einstellung. Für die Filmleute bedeutet das, erneut Aufstellung nehmen. Alles von vorn.

Doch Regisseur William van Tagen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Geduldig wartet er, bis die überraschten Urlauber den Gang verlassen. Er hebt die Kamera hoch. „Action!“ So ist das halt, wenn man reale Schauplätze nutzt und nicht in einem Studio filmt – es kann Unvorhergesehenes passieren.

Dass der Amerikaner für die Produktion nach Halberstadt gekommen ist, ist kein Zufall. „Ich war vor zehn Jahren Austauschschüler hier in Halberstadt, am Käthe-Kollwitz-Gymnasium“, berichtet der 28-Jährige in einer – dieses Mal geplanten – Drehpause. Sein Deutsch ist sehr gut, auch wenn der amerikanische Akzent deutlich zu hören ist.

Das Jahr in Deutschland habe ihn geprägt. „Ich fühle mich dem Harz verbunden“, betont er, während er barfüßig an der Wand lehnt. Wo sind die Schuhe? Der Blondschopf mit Drei-Tage-Bart lacht. „Für die Szene muss ich beim Filmen rückwärts gehen. Hätte ich Schuhe an, würde man das Klackern hören.“ Der Regisseur ist nicht nur gleichzeitig Produzent und Drehbuchautor, sondern ebenfalls Kameramann. Bereits nach dem Universitätsabschluss hat er in einem Filmprojekt Harzer Sagen und die DDR thematisiert.

Beides kommt auch im neuen Film vor. „After Walpurgisnacht“ heißt der Thriller, der an einem fiktiven Ort spielt. Im Harzkreis wird unter anderem in Halberstadt, Thale, Schierke und in der Benzingeröder Kirche gedreht.

Zur Handlung: Ein Student verschwindet in Berlin. Sein amerikanischer Freund Miles (Jake Koeppl) und die Deutsche Heike (Luisa Wietzorek) vermuten, dass er sich im Harz aufhält. Also begeben sie sich auf die Suche nach ihm – und geraten mitten in den Walpurgis-Trubel ...

Auf das Fest der Hexen und Teufel sind die Schauspieler Luisa Wietzorek und Jake Koeppl schon gespannt. Es ist für beide eine Premiere.

Für den 28-jährigen Jake Koeppl ist es ohnehin die erste Reise in die Region – aber nicht die letzte, wie er versichert. „Es ist wunderschön hier“, schwärmt er. „Wir waren in Thale und konnten bis zum Brocken schauen.“ Die Orte, die er während des Drehs gesehen hat, seien so alt und voller Geschichte, wie er es aus seiner Heimat nicht kenne.

Seine Kollegin Luisa Wietzorek kennt den Harz dagegen seit ihrer Kindheit. „Ich war das erste Mal mit acht Jahren in Quedlinburg. Bei einer Ausgrabung. Die Mutter eines Freundes ist Archäologin“, erinnert sich die 26-Jährige.

Sie ist einige Tage vor dem „After Walpurgisnacht“-Dreh angereist, „um noch etwas Harzluft zu schnuppern.“ Obwohl sie bislang in Großstädten – Berlin und Los Angeles – gelebt hat, hat gefällt ihr die ländliche Gegend. „Möchte auf jeden Fall noch einmal herkommen“, betont die quirlige Schauspielerin, die auch als Synchronsprecherin tätig ist. „Ich quatsche schon ständig meine Eltern voll, einen Ausflug hierher zu unternehmen – Berlin ist ja nur zwei Stunden entfernt.“

Vielleicht ergibt sich während der Drehzeit Gelegenheit für ein Familientreffen. Insgesamt ist die zehnköpfige deutsch-amerikanische Crew 16 Tage im Harz unterwegs.

Die Zeit nutzt auch William van Tagen für ein Wiedersehen: Mitglieder seiner Gastfamilie, bei der er vor zehn Jahren in Halberstadt wohnte, spielen Komparsenrollen. Ebenfalls eine Gastronomin aus Halberstadt und Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) dürfen ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellen.

Ob die Laien- und Profi-Mimen ihre Sache gut gemacht haben, soll im November zu sehen sein. Dann wird der Thriller – im deutsch-englischen Sprachmix – in kleineren US-Kinos anlaufen. „Und wir werden den Film hier in Halberstadt zeigen“, kündigt William van Tagen an.