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Spendenaktion bringt 5345 Euro für die Rettung eines einzigartigen Kunstwerkes 800 Jahre alter Schrank ist im Halberstädter "Fort Knox" zu sehen

Von Jörg Endries 07.06.2013, 03:21

Ein kostbarer Schrank aus dem 13. Jahrhundert - er ist der älteste seiner Art und im Domschatz Halberstadt zu bestaunen - kann gerettet werden. Eine Spendenaktion der Kulturstiftung der Länder ist so erfolgreich, dass dringend notwendige Konservierungsarbeiten jetzt beginnen können.

Halberstadt l "Wir brauchen dringend Hilfe zur Rettung des ältesten noch erhaltenen Kirchenschrankes, und unser Ruf ist Gott sei dank bundesweit erhört worden", sagt Domkustos Thomas Labusiak erleichtert. 5345 Euro sind zusammengekommen, nachdem in der Zeitschrift "ars prototo" der Kulturstiftung der Länder ein zweiseitiger Beitrag über das kostbare Halberstädter Möbel erschienen ist.

Mit den Goldreserven der USA, die sicher im Fort Knox in Kentucky weggeschlossen sind, ist der Halberstädter Kirchenschrank sicher nicht zu vergleichen. Der Aufwand, der für die Sicherheit und den Schutz des 800 Jahre alten, wertvollen Kunstwerkes im Halberstädter Domschatz betrieben wird, irgendwie schon.

Hinter dicken Mauern, in einem gesonderten Raum, dem Liebfrauenraum, überwachen empfindliche Sensoren den Schrank und schlagen bei der kleinsten Berührung ohrenbetäubend Alarm. Spezialgeräte sorgen für ein optimales Klima und überwachen es rund um die Uhr.

"Die Ausstrahlung des einzigartigen Kirchenschrankes ist einfach faszinierend."

Thomas Labusiak, Kustos der Domschätze Halberstadt und Quedlinburg

"Der Aufwand ist angebracht", betont Thomas Labusiak. Der kostbare Schrank aus Eichenholz ist der älteste noch erhaltene seiner Art, großflächig vergoldet, innen und außen mit aufwendigen Malereien versehen. Die Auftraggeber hätten im 13. Jahrhundert an nichts gespart und haben viel Geld ausgegeben, berichtet Kunsthistoriker Thomas Labusiak. Daher vermutet man, dass in dem Schrank kostbare Reliquien oder liturgische Geräte und Bücher aufbewahrt wurden. Genau weiß man das jedoch nicht. Es gebe keine Quellen und auch nichts Vergleichbares. "Die Ausstrahlung des einzigartigen Kirchenschrankes ist einfach faszinierend", schwärmt der Domkustos. Doch das Kunstwerk ist bedroht, wie Holzrestauratorin Christine Machate bestätigt.

Das schwere Eichenholz haben die Handwerker damals mit Pergament bespannt, um eine glatte Oberfläche herzustellen. Darauf wurde eine dicke Grundierung aufgebracht. Der Schrank ist fast vollständig vergoldet worden. Künstler haben die Goldschicht bemalt. Auf den Schranktüren ist die Jungfrau Maria mit einem Engel zu sehen.

"Klimaschwankungen in den vergangenen Jahrhunderten und Luftfeuchtigkeit haben die Pergamentschicht angegriffen. Es drohen Abplatzungen", erzählt Christine Machate. Ein Teil des Schrankes sei über längere Zeit mehrmals am Tag fotografiert worden. Die Auswertung der Bilder habe ergeben, dass sich die Pergamentschicht bewegt. Ein untrüglicher Beweis dafür, dass schnell gehandelt werden muss.

"Klimaschwankungen in den vergangenen Jahrhunderten und Luftfeuchtigkeit haben die Pergamentschicht angegriffen."

Christine Machate, Restauratorin

Thomas Labusiak spricht auch von Folgeschäden, die mit der Auslagerung des Domschatzes im Zweiten Weltkrieg zu tun hätten. Der Schrank blieb damals zwar im Dom, wurde aber im neuen Kapitelsaal vermauert. "Klimatisch war das verheerend."

Um die einzigartige prächtige und großflächige Bemalung nicht zu gefährden, ist es derzeit untersagt, die Schranktüren zu öffnen, verdeutlicht die Restauratorin die dramatische Lage.

Dank der großzügigen Spenden kann Christine Machate in den kommenden Tagen mit den Konservierungsarbeiten beginnen. "Ich trage mit Pinsel und Spritze einen besonderen Leim auf, der zwischen das Pergament läuft und es verklebt. Lose Farbschollen werden mit einem Schwamm angedrückt und später mit einem Heizspachtel angebügelt", erklärt die Fachfrau. Mit diesem Verfahren will die Restauratorin den Verfall stoppen und die Pracht des Schrankes für kommende Generationen sichern.

Eigentlich gehört das Möbel der benachbarten Liebfrauengemeinde. Die hat den besonderen Schrank bereits vor vielen Jahrzehnten als Dauerleihgabe dem Domschatz übertragen. Übrigens auch die anderen drei Kunstschätze, die gemeinsam mit dem Schrank im Liebfrauenraum zu bestaunen sind. Ein Ablasstablett aus dem Jahr 1290, die sitzende Madonna mit Kind von 1210/1220 und das Bild "Maria und die 11 Nothelfer" von 1530. "Wir freuen uns, dass die Kunstwerke dort sicher sind und alles für ihren Erhalt getan wird", sagt Reinhard Beck vom Presbyterium der Liebfrauengemeinde.