Aktion Was ist das, Würde?

Fragen der Zeit zu diskutieren, ist ganz im Sinne der Aufklärung Ziel eines Projektes im Gleimhaus in Halberstadt. Nicht nur dort.

Von Sabine Scholz 27.06.2019, 04:00

Halberstadt l Ein bisschen provozierend ist er schon, der Spruch, der auf den orange-gelben Karten prangt. „Wir alle wollen in Würde sterben – aber sollten wir nicht erst einmal in Würde leben?“ Die Frage des Göttinger Neurobiologen Gerald Hüther wird ab kommenden Montag in der Rathauspassage auffordern, eine Karte mitzunehmen und sich einen Moment Zeit zu nehmen für den Würde-Dialog. Denn die Tat-Ort-Gruppe Würde möchte in Erfahrung bringen, was für die Menschen in der Region ein würdevolles Leben bedeutet.

„Alle hantieren mit dem Begriff Würde, aber was genau ist das – Würde? Darüber haben wir viel geredet“, sagt Frank Hebestreit. Der Halberstädter ist Mitglied der Tat-Ort-Gruppe Würde. „Die ist ein Ergebnis unserer Gedankenwerkstatt“, ergänzt Berit Lacher.

Innerhalb des Projektes „aufklärung.mit.machen“ des Gleimhauses wird regelmäßig zu Gesprächsrunden eingeladen, in denen über unterschiedlichste Themen geredet wird. Das Gespräch, der Gedankenaustausch steht dabei im Vordergrund. Und in einer dieser Runden im November vergangenen Jahres wurde klar, Würde hat viele Facetten. Ein interessierter Kreis fand sich zusammen, der genau darüber weiter reden wollte.

Die Würde ist so wichtig, dass die im Artikel 1 des Grundgesetzes steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Aber ist Würde für alle Menschen gleich? Was heißt es, dass die Würde unantastbar sei und ist es wirklich so? Wie lebt eigentlich jeder seine Würde? „Es sind viele Facetten, die uns in den Gesprächen bewusst geworden sind“, berichtet Petra Ewers .

In den Debatten ist die Gruppe auf den Würdekompass gestoßen, sagt Berit Lacher, eine Internetseite und da her stammt die Anregung, die Gruppe Tat-Ort Würde zu gründen, „Aber vorher gab es viel Pro und Contra“, erinnert sich Petra Ewers.

Eine zehnköpfige Gruppe ist es, die sich auf den Weg macht, zu erkunden, wie andere zu dem Thema stehen. Fünf weitere Gruppenmitglieder beobachten den Prozess und kommentieren gelegentlich das Geschehen, was für einen Reflexionsprozess innerhalb der Gruppe sorgt. Irgendwann wurde klar, dass der Dialog „in den Stadtraum erweitert“ werden sollte, sagt Berit Lacher. Es entstand die Idee, eine eigene Würdeaktion zu starten, so wie es im Würdekompass angeregt wird. „Wir wollen eine öffentliche Diskussion zur Würde anregen“, sagt Frank Hebestreit. denn die Mitglieder treibt ein Satz von Gerald Hüther um, der gesagt hat: „Wer sich seiner eigener Würde bewusst ist, ist nicht verführbar.“ Und wenn alle die eigene Würde achteten, wäre auch der Umgang mit anderen freundlicher und entspannter.

Aber wie soll das gelingen? Fragekarten scheinen ein guter Weg zu sein, so Petra Ewers, „denn für eine Befragung auf offener Straße ist das Thema in unseren Augen nicht geeignet. Wir finden das aufdringlich und unpassend.“

Wer eine Karte mitnimmt, die ab 1. Juli in der Ratshauspassage und an anderen öffentlichen Stellen zu finden sein wird, kann darüber Zuhause nachdenken und seine Antwort formulieren. „Idealerweise kommt die Karte mit dem persönlichen Kommentar im Gleimhaus an“, sagt Lacher, „damit wir in der Gruppe die Anworten sichten können.“

Um den Kartenrücklauf einfach zu ermöglichen, werden ab Montag in der Passage zwei Figuren mit einem Verteiler- und Sammelkasten stehen, wo weitere Karten entnommen und mit Kommentar wieder eingeworfen werden können. „Die Karten können natürlich auch im Gleimhaus eingeworfen werden oder per Post gesendet werden. Außerdem gibt es eine Homepage mit Kommentarfunktion“, erklärt Museums­pädagogin Berit Lacher.

Geplant ist die Befragungsaktion aber nicht nur aus Neugierde darüber, was andere zum Thema Würde zu sagen haben. „Wir hoffen, das wir dadurch in Familien und Freundeskreises Gespräche dazu anregen“, sagt Petra Ewers.

Wenn Karten zurückkommen, sollen die Ergebnisse gesichtet werden und einfließen in die Ausstellung „aufklärung.mit.machen“, die am 26. Oktober im Gleimhaus eröffnet wird.

Wer Lust hat, sich intensiver mit diesem Thema zu befassen: Die Gruppe trifft sich jeden ersten Montag im Monat um 17 Uhr im Gleimhaus Halberstadt. „Diese Treffen sind für alle Menschen offen, wir freuen uns über weitere Sichtweisen“, sagt Berit Lacher.