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Auktion Ein Klassensatz Schwimmbrillen

Jedes Jahr im Mai sind die Halberstädter im Auktionsfieber. Wenn Fundsachen versteigert werden, sind nicht nur Handys zu haben.

Von Sabine Scholz 06.05.2019, 07:00

Halberstadt l Kalter Wind fegt durch den Petershof, der guten Laune der rund 200 Frauen, Männer und Kinder tut das keinen Abbruch. Nach einer kurzen Aufwärmphase nimmt das Geschehen Fahrt auf, die Zahlen schwirren hin und her, bis Ralf Fleischhauer den Zuschlag erteilt. Gemeinsam mit Wolfgang Hartmann steht der Chef der Ordnungsabteilung auf der Ladefläche eines Transporters und zeigt, was es zu ersteigern gibt.

Klassiker wie Fahrräder sind darunter, was nicht nur Susanne Geissler freut. Die Lehrerin im Ruhestand hat Wu dabei, einen Halberstädter Jungen mit vietnamesischen Wurzeln. Seit einem Jahr nutzt er jeden Tag die Chance, bei Susanne Geiss­ler seine Deutschkenntnisse zu verbessern, um nicht nur in Mathe Einsen einzuheimsen. Weil Wu kein eigenes Fahrrad besitzt, hat sich seine Patin den Jungen geschnappt und zur Fundsachen-Auktion mitgenonmmen. Und sie werden fündig, ein Fahrrad hat die passende Größe und sie bekommen auch den Zuschlag. „Nun kann er mit den Rad zu seinem Praktikumsplatz im Gewerbegebiet fahren“, sagt die Halberstädterin erfreut.

Während Susanne Geissler bei Kathrin Lorek und Friederike Förster ihren Obolus entrichtet, hat Ralf Fleischhauer die nächsten Fundsachen aufgerufen. Smartphones sind darunter, eine Tüte voll Taucherbrillen, sauber verschnürte Handtuch-Pakete, Schwimmbretter, ein Meerjungfrauenkostüm mit Flosse, Laubbläser, Schwingschleifer, Handkreissägen, Heckenscheren, eine Flex, ein geländegängiges Moped und Taschen, deren Inhalt nicht verraten wird.

„Wir haben aber vorher reingeschaut, also schmutzige Unterwäsche werden Sie darin nicht finden, aber auch keinen Laptop“, sagt Fleischhauer, bevor er als Mindestgebot zwei Euro aufruft und am Ende 15 Euro einnehmen wird.

Das Geld fließt in die Stadtkasse, aber nicht sofort, wie von Thomas Dittmer zu erfahren ist. Bevor der Teamleiter Ralf Fleischhauer als Auktionator ablöst, reicht er gemeinsam mit Henning Walther, Tara Buschhüter, Nadine Kappe und Ramona Schmidt die einzelnen Fundgegenstände auf den Transporter. Nur das Moped nicht. „Hoch bekommen wir es, nur runter ist kompliziert“, sagt Dittmer. Und berichtet dann, warum das Geld nicht gleich ins Stadtsäckel, sondern erstmal auf ein Verwahrkonto fließt. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch hat der Eigentümer der Fundsache drei Jahre lang Anspruch auf den Erlös. „Die Frist beginnt zwar eigentlich mit dem Tag des Verlustes, doch das nachzuweisen ist ein enormer Aufwand. Also nehmen wir die Auktion als Stichtag.“ Und ja, es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass sich ein Besitzer innerhalb dieser Frist meldet. „Er konnte nachweisen, dass ihm das Fahrrad gehört hatte, das wir versteigert haben, so, wie wir es mit fast allem machen, das nach sechs Monaten Aufbewahrung im Fundbüro nicht abgeholt wurde.“ Er bekam den Erlös der Versteigerung.

Der wird protokolliert, denn bevor versteigert wird, sichtet dass Team Ordnung und Sicherheit die Fundsachen, es wird entschieden, was versteigert, was karitativen Zwecken – also den Kleiderkammern oder der Obdachlosenunterkunft – zugeführt und was verschrottet oder vernichtet wird. Was unter den Hammer kommt, erhält eine Nummer, die Beschreibung dazu und in dieser Liste wird der Erlös notiert.

In diesem Jahr war viel Werkzeug dabei. „Das stammt aber nicht aus dem Fundbüro, sondern aus der Asservatenkammer der Polizei“, berichtet Thomas Dittmer. Dann muss er hoch ans Mikro und „einen Klassensatz Schwimmbrillen“ an den Mann oder die Frau bringen. Mit launiger Moderation gerät die Auktion auch weiterhin zu einem unterhaltsamen Spektakel. Und am Ende der gut anderthalbstündigen Versteigerung sind es 2138 Euro, die auf das Verwahrkonto fließen.