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Ausbildung Traumberuf Bestattungsfachkraft

"Lass uns doch Bestatter werden." Dieser Satz einer Mitschülerin hat das Leben einer 20-Jährigen aus Halberstadt verändert.

Von Sandra Reulecke 25.01.2019, 00:01

Halberstadt l Jeden Tag ist Sarah Bedshanjan von Tod umgeben, von Trauer, Menschen in den dunkelsten Stunden ihres Lebens. Die 20-Jährige ist angehende Bestattungsfachkraft. Ihr Traumberuf, wie sie sagt. Aber einer, den definitiv nicht jeder machen kann. Sieben ihrer Mitschüler aus der Berufsschule haben bereits aufgehört. „Sie konnten das nicht mehr, hatten Angst, psychisch kaputt zu gehen“, berichtet die Halberstädterin. Dass es ihr so ergehen könnte, befürchtet sie nicht. „Es klingt seltsam, aber mir macht der Beruf Spaß.“

Wie kommt eine junge Frau darauf, ausgerechnet beim Bestatter arbeiten zu wollen? „Ich habe mein Fach-Abi in Quedlinburg gemacht. Während einer Spanisch-Stunde habe ich mit meiner Banknachbarin darüber gesprochen, wie es nach der Schule weitergehen soll. Sie sagte „‚Lass uns doch Bestatter werden‘.“ Eigentlich ein Scherz. Doch dieser weckte Interesse bei der jungen Frau mit der dunklen Stimme. Sie las nach, was es mit dem Beruf auf sich hat. „Das sprach mich an. Die Arbeit ist sehr vielseitig. Ich könnte mir nicht vorstellen, immer nur im Büro zu sitzen.“

Und obwohl sie bis dato noch nicht einmal bei einer Beerdigung war, bewarb sie sich für ein Praktikum – zunächst ohne Erfolg. Erst im zweiten Anlauf klappte es bei Lindemann Bestattungen in Halberstadt, anschließend begann sie dort ihre Ausbildung.

Die hat es in sich. Sarah Bedshanjan lernt rechtliche Hintergründe, das Auskleiden von Särgen, wie diese geschmückt werden. Sie muss Absprachen mit Floristen und Fotografen treffen, sich um die Gestaltung der Trauerfeier kümmern. Fragen, was es mit dem digitalen Erbe – Facebook-Konto und Co. – passiert, müssen Bestatter beantworten können. Die Angehörigen brauchen einen Begleiter in ihrer Trauer.

Und da ist nicht zuletzt die Arbeit am Verstorbenen selbst – eine emotionale wie körperliche Belastung, die es trotz ihrer zierlichen Figur zu bewältigen gilt. Das fängt bei der Abholung des Verstorbenen an – ob aus der Wohnung, dem Altenheim oder von Unfallplätzen. Im Bestattungshaus wird der Tote in einem eigens dafür ausgestatteten Raum – der an die Pathologie aus Krimis erinnert – gewaschen, angezogen, falls gewünscht auch frisiert und geschminkt.

Die Haut von Leichen ist kalt, weist manchmal Totenflecke auf. Je nachdem, wie lange der Mensch schon tot ist, verströmt der Körper unangenehme Gerüche. Nach Unfällen oder Krankheiten sind die Leichen von Entstellungen und Wunden gezeichnet. Angst bereite ihr das nicht, versichert die Auszubildende. „Eigentlich habe ich keine Berührungsängste.“ Bisher habe sie was den Zustand der Leichen angeht auch Glück gehabt, ergänzt sie. „Mein erster Verstorbener sah aus, als würde er schlafen.“

Grundsätzlich könne sie das Erlebte nach Feierabend abschütteln, Arbeit und Privates gut trennen. Doch es gibt Situationen, in denen das nicht gelingt. „Das Schlimmste, dass ich bis jetzt erlebt habe, war ein Fötus, um den wir uns gekümmert haben.“

Seit sie mit der Ausbildung begonnen hat, denke sie mehr über den Tod nach. „Er kann in jedem Alter kommen“, sagt sie nachdenklich.

Angehörige von sehr jung und überraschend Verstorbenen zu betreuen sei oft herausfordernd. „Wer sich auf den Tod eines Familienmitglieds vorbereiten konnte, zum Beispiel wegen einer langen Krankheit, ist natürlich auch traurig, aber gefasster“, berichtet Sarah Bedshanjan. Bisher ist sie bei den Trauergesprächen nur dabei, eigene führt sie erst ab dem dritten Lehrjahr.

Dort den richtigen Ton zu treffen, ist wichtig. Es sei immer ein Spagat zwischen „sich einlassen, aber nicht zu nah an sich heranlassen.“ Immerhin befinden sich die Gesprächsteilnehmer in einem emotionalen Ausnahmezustand. Manche wollen reden, andere bekommen kaum ein Wort heraus, es wird geweint. „Alle trauern anders, manche sind mürrisch und schimpfen. Man muss wissen, dass das nichts mit mir zu tun hat, sondern ein Ausdruck ihrer Trauer ist.“ Auch, wie harmonisch es in Familien zugeht, wird in solchen Gesprächen schnell deutlich – einige können sich auf nichts einigen, weder auf die Art der Bestattung, noch was in der Traueranzeige stehen soll.

Um das zu umgehen und, um den Angehörigen eine Last von den Schultern zu nehmen, entscheiden sich immer mehr Menschen, noch zu Lebzeiten selbst festzulegen, wie ihre Beerdigung geregelt werden soll. Vom Blumenschmuck und der Musik bis hin zur Inschrift des Grabes und der Finanzierung kann alles vorsorglich geregelt werden. Bei solchen Vorsorge-Treffen gehe es meist nicht traurig zu. Manchmal wird sogar gelacht.

Humor sei ohnehin etwas, was in ihrem Beruf wichtig sei. Zugegeben meist schwarzer Humor. „Sonst geht man kaputt“, sagt Sarah Bedshanjan. Auch auf ungläubige Blicke und Fragen, wenn sie von ihrem Beruf spricht, reagiere sie mit einem Augenzwinkern: „Du verbuddelst also Leichen?“ kommentiert sie gern süffisant grinsend mit „Warte es nur ab“.

Für Verwandte und Freunde sei die Wahl ihrer Ausbildung keine Überraschung gewesen. „Komischerweise sagen die meisten, dass der Job zu mir passt.“ Ganz sicher sei sie sich nicht, ob es sich dabei um ein Kompliment handelt, ergänzt sie lachend. Fest steht dagegen, dass sie den richtigen Beruf für sich gefunden hat.