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Baugebiet Eigenheimsiedlung für Ströbeck

Die Einwohnerzahl in Ströbeck sinkt, mit neuen Eigenheime könnte entgegengewirkt werden. Doch bis dahin dauert es noch.

Von Sandra Reulecke 10.02.2019, 00:01

Schachdorf Ströbeck l „Wir bewegen uns auf die 1000-Einwohner-Grenze zu, von oben, nicht von unten“, sagt Ströbecks Ortsbürgermeister Jens Müller (SPD) in der jüngsten Ortschaftsratssitzung. „Es wäre schön, wenn wir wieder mehr Einwohner gewinnen könnten.“ An Leuten, die sich im Schachdorf niederlassen wollen, hapere es nicht. „Immer wieder kommen Bauinteressenten in die Bürgermeister-Sprechstunde und ich muss sie vertrösten“, so Müller. Das Problem: Eine Fläche, die für ein Baugebiet geeignet ist, gibt es eigentlich nicht im Ort.

Eigentlich. Denn Ortschaftsrat und Stadtverwaltung schwebt nach vielen Überlegungen ein Platz vor, auf dem bis zu 20 Eigenheime errichtet werden könnten. Eine Kleingartenanlage, die an die Bahnhofstraße und die Straße Am Fließ angrenzt. „Sie wird kaum noch genutzt“, berichtet Jörg Heideck von der Stadtplanung den Ratsmitgliedern. Es sei sinnvoll, die Fläche zu bebauen, bevor sie zu einer verwilderten Brache wird.

Hobby-Gärtner, die noch eine Parzelle gemietet haben, können diese weiter nutzen, so lange sie wollen, versichert seine Kollegin Siegrun Ruprecht. Diese Flächen werden erst dann zu Bauland, wenn es keinen Pächter mehr gibt.

Allerdings hat der Plan einen Haken: In unmittelbarer Nähe zu den künftigen Balkonen und Terrassen befindet sich eine Getreidehalle. Die meiste Zeit des Jahres ist von dort aus kaum etwas zu hören, sagt Landwirt Jürgen Bröer. Wohl aber in der Erntezeit. „Und die ist nun mal im Sommer, wenn die Hausbesitzer ihre Grillfeste feiern wollen.“

Die Grenzwerte für Lärm werden dann sowohl tags als auch nachts überschritten, berichtet Jörg Heideck. Überlegungen, den unvermeidbaren Krach dank Wall, Mauer oder Einhausung einzudämmen, wurden verworfen. Zu teuer, teils wären unrealistische Ausmaße notwendig, um einen deutlichen Effekt zu erreichen, heißt es von der Stadt.

Bleibt nur, das Baugebiet oder die Halle zu verlegen. Für ersteres fehlen Flächen, für das zweite müsste den Hallenbetreibern eine Alternative angeboten werden. Sprich eine finanzielle Entschädigung, damit sie an anderer Stelle eine Halle errichten können.

Da trifft es sich gut, dass ein Investor, der noch nicht öffentlich in Erscheinung tritt, Interesse an einem Areal auf der anderen Seite der Halle hat. Auf der ehemaligen Deponie, städtischem Gelände, plant dieser, eine Photovoltaikanlage (PV) zu errichten. In zwei Bauabschnitten, je rund 0,75 Hektar groß, jeweils eine Leistung von 750 Kilowattstunden.

Der Investor könne sich vorstellen, die künftigen Eigenheimbewohner mit „seinem“ Strom zu versorgen, informieren die Stadtplaner. Er könne Preise anbieten, die unter denen anderer Energieversorgern liegen. Überschuss würde ins öffentliche Netz eingespeist werden. Bedingung, dass die Siedlung versorgt werden muss, stellt der Interessent jedoch nicht, sagt Siegrun Ruprecht.

Und dieser Investor würde auch die Halle und den Platz daneben kaufen wollen. Auf das Dach könnten Solarzellen installiert werden, im Gebäude selbst ein Hofladen und ein Bürotrakt entstehen, informiert Jörg Heideck.

Laut des Stadtplaners sei es das Ziel, einen städtebaulichen Vertrag mit dem PV-Betreiber zu schließen. Darin verankert: Der Investor übernimmt die Planungskosten für den Bebauungsplan „Nördlich der Bahnhofstraße“ (PV) und für das Parallelverfahren (Bebauungsplan „Östlich vom Fließ“) zur Änderung des Flächennutzungsplanes, Übernahme notwendiger Erschließungskosten und insbesondere den Erwerb der Getreidelagerhalle.

Im Rat herrscht Skepsis. Befürchtungen werden laut, dass der Investor zwar die PV baut, dann aber kein Interesse mehr an der Halle hat. Damit wird das Baugebiet hinfällig. „Wir wollen keine Wilde Weiden Zwei (geflopptes Wildpark-Projekt samt PV, Anmerk. d. Red.)“, wird mehrfach laut.

Böer, einer von drei Gesellschaftern, die die Halle betreiben, befürchtet, dass schon die ersten Häuser stehen, wenn der Investor einen Rückzieher macht. Der Landwirt also die Halle nicht mehr an ihn verkaufen kann, weiter betreiben muss, und sich einen Rechtsstreit wegen der Lärmbelästigung mit den neuen Nachbarn liefern muss. „An so etwas sind schon einige Existenzen kaputt gegangen.“

Ruprecht betont, dass bei vertraglichen Regelungen dringend darauf zu achten ist, dass die PV erst dann gebaut wird, wenn der Kaufvertrag für die Halle verbindlich geklärt ist. „Die beiden Baupläne bedingen einander, sie müssen in Zusammenhang gesehen werden, weil der eine ohne den anderen nicht funktioniert“, betont Jens Müller.

Trotz aller Vorsicht wollen sich die Ortschaftsräte die Chance für das Baugebiet nicht entgehen lassen. Zumal Einwohner Maik Ledderbohm, der schon Kontakt zu dem Interessenten hatte, darauf hinweist, dass Eile geboten ist. „Die Förderung für PV läuft in zwei Jahren aus, danach wäre das Projekt sicher gestorben“, warnt er. Und so stimmen die Räte den Bauplänen zu – die parallel laufen sollen.

Jürgen Bröer, dessen Betrieb eine 400-jährige Geschichte vorweisen kann, will das Geld vom Verkauf nutzen, um an anderer Stelle eine Halle zu betreiben. „Wir haben in Sargstedt eine Zweigstelle. Die werden wir wohl ausbauen“, sagt der Aspenstedter. „Wichtig ist jetzt, dass keine Formfehler passieren.“