Neues Zuhause für Tier- und Pflanzenarten entsteht auf ehemaligen Gelände des Zementwerks Betonflächen zu "Öko-Pool" umgewandelt
Das Gelände des einstigen Zementwerks nahe Schwanebeck wird derzeit in einen "Öko-Pool" verwandelt. Tiere, darunter auch seltene Vogelarten, siedeln sich hier an, Wasserstellen bilden sich und auch neu Pflanzenarten scheinen sich wohl zu fühlen.
Schwanebeck l Zur Geschichte der Stadt Schwanebeck gehörte viele Jahrzehnte die Zementfabrik. Der Chronik nach entstand sie bereits 1887, jedoch kam 1991 das Aus für die Produktion. Nach dem Rückbau der Werksanlagen blieb jede Menge Beton zurück. Jetzt entsteht auf dem rund 17 Hektar großen Areal eine ökologisch besonders wertvolle Fläche.
Nach der Wende gab es zunächst Pläne, aus dem Werksgelände ein Industriegebiet zu entwickeln. Die kühnen Vorhaben platzten jedoch mangels Investoren. So kam die Idee auf, das Gebiet für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu nutzen.
"Für jegliche Investitionsvorhaben, für die Grünflächen bebaut und damit der Natur entzogen werden, müssen Investoren laut Gesetz entsprechenden Ersatz nachweisen", erläuterte Projektleiter Peter Rackwitz. Bisher sei es meist üblich, Ackerflächen mit Bäumen oder Sträuchern zu bepflanzen, um den Ausgleich nachzuweisen. Damit werde aber auch wertvoller Boden der Landwirtschaft entzogen.
Der Investor des Windparks Schwanebeck/Wulferstedt hat deshalb in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Schwanebeck und dem Umweltamt des Landkreises ein Konzept entwickelt, die Industriebrache für solche Ausgleichsmaßnahmen herzurichten. "Wir lassen auf dem Gelände Straßenbeton- und Gebäudegrundflächen entsiegeln", erläuterte der Inhaber des Ingenieurbüros Rackwitz aus Veckenstedt. Auf den Flächen entsteht anschließend ein kalkhaltiger, trockener, grob strukturierter Boden für seltene Pflanzen, Insekten und Kleintiere, die sich hier schrittweise ansiedeln. Bisher wurden dazu bereits rund 200 000 Euro investiert.
Die Tiefbauarbeiten wurden von einem Unternehmen aus Nienhagen realisiert. "Wir kennen uns hier jetzt gut aus und können weitere Vorhaben abwickeln", so Mitarbeiter Henning Flacke. Bereits im vorigen Jahr wurde eine Fläche von rund zwei Hektar östlich des Limbach renaturiert. Dabei werden bis zu rund 40 Millimeter große Betonteile zurückgelassen, um den geplanten Effekt eines Trockenstandorts zu erzielen.
Inzwischen sind weitere Flächen in Bearbeitung. Die Randbereiche des Areals sollen durch Erdwälle und Bepflanzung gesichert werden, so dass keine Zufahrt zu dem sich bildenden Biotop möglich ist. Schließlich soll die derzeit noch vorhandene Verrohrung entfernt und ein natürlicher Bachlauf wieder hergestellt werden.
"Das ist ein zukunftsweisender Weg", äußerte sich bei der jüngsten Besichtigung Michael Hellmann von der Naturschutzbehörde des Landkreises. Es sei das erste Mal in der Region, dass eine Kommune solch ein gebündeltes Angebot für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bereitstelle. "Hier wird nicht gekleckert, wie bei vielen anderen Vorhaben".
"Mindestens 30 bis 40 verschiedene Vogelstimmen sind hier zu hören."
Michael Hellmann, Naturschutzbehörde
Beim Bau vieler Gewerbegebiet seien meist teure und ineffektive Ausgleichsmaßnahmen auf Ackerflächen realisiert worden. Hier schaffe man einen "Öko-Pool", an dem sich auch andere Investoren beteiligen können.
Es sei eine mutige Entscheidung in Schwanebeck gewesen, den ursprünglichen Bebauungsplan zu ändern und die Fläche der Natur zurückzugeben. "Es wäre toll gewesen, beim Bau der B 6n solche Möglichkeiten gehabt zu haben", meinte Hellmann.
Der Fachmann konnte bereits nach kurzer Zeit feststellen, dass die Natur dabei ist, sich die Flächen zurückzuerobern. Auch ein Biotopverbund zum Huy ist möglich. Bürgermeisterin Christina Brehmer hat schon einige Spaziergänge auf dem Gelände gemacht und freute sich, gleich einen Frosch entdeckt zu haben. "Das Wasser drängt vom Berg hinab und sucht sich seinen Weg", stellte auch Bauamtsleiter Werner Fiedler fest. In den früheren Kalkgruben haben sich kleine Seen gebildet und bei den neu entstehenden Wasserläufen sind die Pflanzen im Kommen. Kleine Weiden entwickeln sich. "In einem Jahr können die schon zwei Meter hoch sein".
Michael Hellman erwies sich bei dem Rundgang als Vogelexperte. "Mindestens 30 bis 40 verschiedene Vogelstimmen sind hier zu hören." Nicht nur der Kuckuck, sondern auch der seltene Wendehals sowie der Feldschwirl. Auf einem Feld seien es dagegen meist nur zwei Vogelarten.
Bald werden nur noch die neben der Straße einbetonierten Kleinbahngleise, die bis etwa 1951 als Anschlussgleis dienten, an das einstige Zementwerk erinnern.
"Als Projektleiter fühle ich mich eng mit dem Vorhaben verbunden und hier könnten noch weitere Investoren einsteigen, um Teilvorhaben für ihre eigenen Ersatzmaßnahmen zu realisieren", sagte Rackwitz. Das hoffen auch die anderen Beteiligten.