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Sanierung des Kolpinghauses geht trotz größerer Schäden im Fachwerk voran Böse Überraschungen im alten Gebälk

Von Sabine Scholz 31.05.2012, 05:21

Verhüllt von hellen Planen, verbirgt das Kolpinghaus in der Dominikanerstraße den Blick auf das geschäftige Treiben in seinem Inneren. Bis zum Spätsommer soll die Sanierung abgeschlossen sein.

Halberstadt l Die Passanten blicken auf helle Planen. Die Bauleute auch. Nur, dass diese im Gebäude stehen und nicht davor. Ganze Wandteile fehlen zurzeit in der Fassade des Kolpinghauses in der Dominikanerstraße. "Das Fachwerk ist doch stärker geschädigt als es unsere ersten Untersuchungen vermuten ließen", sagt Markus Feußner. Der Geschäftsführer des Kolping Berufsbildungswerkes Hettstedt weiß auch, dass durch die massiven Schäden im Holz die ursprünglich geplante eine Million Euro an Sanierungskosten nicht reichen wird. "Wir werden wohl 15 Prozent drüber liegen", sagt Oliver Flügel. Der Hettstedter Architekt betreut die Sanierung, die in Zeitverzug geraten ist. "Das wollen wir wettmachen, indem mehrere Gewerke gleichzeitig zum Einsatz kommen. Nur an einigen Stellen funktioniert das nicht", erklärt Flügel beim Rundgang durch das Haus.

Auf allen Etagen wird gehämmert, gesägt, gelötet, gegipst. Die Hettstedter haben sich mit der Zimmerei Adams eine Fachfirma ins Boot geholt, die nicht nur über das notwendige Wissen in der Holzsanierung verfügt, sondern "zum Glück auch ausreichend Vorrat an trockenen Eichenbalken hat", berichtet Feußner. Denn anders als ursprünglich vorgesehen, müssen ganze Balken, Schwellhölzer und Dielungen ausgetauscht werden.

Im Dachgeschoss, in dem ab Spätsommer zwei Maisonnettewohnungen zur Vermietung zur Verfügung stehen sollen, fehlt eine ganze Ecke in der Fassade. Ein neuer Balken steht schon, an anderen Stellen sichern Stützen das tragende Gebälk. "Wir haben drei Gutachten zum Zustand des Hauses machen lassen, und mit jedem wurde das erfasste Schadensbild größer. Zu Anfang sind wir zu optimistisch an das Projekt gegangen", sagt Feußner rück- blickend. "Aber bei alten Häusern ist das ja oft so, das weiß man erst, was einen erwartet, wenn überall der Putz runter ist und man die gesamte Fachwerkkonstruktion sieht."

Zum Glück sei das Holz von Schwammbefall verschont geblieben, doch verschiedene Insekten haben so manchen Eichenbalken in weiches Gebrösel verwandelt. "An einigen Stellen war die Standsicherheit in Gefahr", erklärt Flügel, "auch weil bei der Sanierung Ende der 1980er Jahre Fehler passiert sind."

Einige Balken an der Fassadenseite tragen Reste von Bauschaum, mit denen die Fenster eingepasst wurden - ein Material, das sich nicht gut mit dem Holz verträgt Es kann die Bewegungen des Materials nicht mitmachen, irgendwann gibt es Risse. Auch das von außen sichtbare Balkenwerk im Giebel wird es künftig nicht mehr geben. Da stand immer das Wasser auf dem Holz, was dem Bau schadete. "Wir wollen hier eine Sanierung, die langfristig den Erhalt der Fachwerkkonstruktion sichert. Deshalb werden wir zum Beispiel auch wieder Lehm einsetzen oder Hanf als Dichtmaterial", erklärt der Architekt. Er berichtet zudem von einem komplett neuen Werkstoff, der von einer Firma in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden ent- wickelt wurde. "Das Kolpinghaus in Halberstadt wird ein Referenzobjekt für diesen Baustoff werden. Das betrifft vor allem das Problem der Innendämmung von Fachwerkhäuser, da können Sie nicht einfach irgendwelches Dämmmaterial nutzen". Die Uni in Dresden begleitet die Fassadensanierung deshalb auch wissenschaftlich.

Während am Tragwerk die Fachfirmen zum Einsatz kommen, werden im Juli Jugend- liche das Bild im Kolpinghaus bestimmen. Sowohl aus dem Hettstedter Berufsbildungswerk als auch aus Brakel bei Paderborn werden Lehrlinge nach Halberstadt kommen, um bei Maler- und Fußbodenarbeiten zuzupacken. "Hier können die jungen Leute sehr gut praktische Erfahrungen sammeln", sagt Feußner.

Zum 1. September soll das Gros der Arbeiten erledigt sein, schließlich gibt es schon Mietverträge mit Anbietern von betreuten Wohnformen. Das Haus soll überwiegend sozial genutzt werden und auch die Kolpingfamilie Halberstadt wird hier wieder ihr Domizil haben. In der ehemaligen großen Küche entsteht das Kolpingzimmer sowie ein Mehrzweckraum, der auch für verschiedene gesellige Anlässe zur Verfügung steht. Die Hofseite des Hauses ist massiv gebaut, hier soll auch in wenigen Wochen der geplante Fahrstuhl angebaut werden.