1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. "Brauchen Leute, die etwas bewegen möchten"

Forschungsgruppe Umweltpsychologie möchte Jung und Alt für erneuerbare Energien sensibilisieren "Brauchen Leute, die etwas bewegen möchten"

Von Mario Heinicke 01.02.2013, 02:18

Anlässlich des bundesweiten Tages der erneuerbaren Energien, der am 27. April ist, soll es auch in Osterwieck Aktionen geben. Wissenschaftler der Umweltpsychologie wollen dabei Unterstützung geben.

Stadt Osterwieck l Die Einwohner der Stadt Osterwieck bei der Energiewende zu begleiten, das ist eine der Aufgaben der Forschungsgruppe Umweltpsychologie der Universität Saarbrücken. So hielten die Wissenschaftler Kontakt zu den Teilnehmern eines Feldtests im Projekt "Regenerative Modellregion Harz". Die Stromversorgung durch erneuerbare Energien erfordert von den Verbrauchern ein anderes Verhalten, indem Waschmaschinen oder andere Haushaltsgeräte während Zeiten großen Stromangebots im Energienetz angestellt werden. Aber auch durch die Zusammenarbeit mit Kindereinrichtungen wurde versucht, Wissen über die Erneuerbaren zu vermitteln. "Auch der zukünftige Eon-Avacon-Manager ist jetzt noch ein Kind", denkt Karin Biesgen der Zeit weit voraus. Zusammen mit Anna Schütte und Amelie Fechner war sie nach Osterwieck gekommen, um einen Versuch zu starten, an erneuerbaren Energien interessierte Bürger zu organisieren.

"Meckerköpfe haben wir genug, aber wir brauchen Leute, die etwas bewegen möchten", sagte Ralf Voigt zu dem Dutzend Gleichgesinnter, die der Einladung zu einer Zusammenkunft folgten. Voigt ist in Dardesheim stellvertretender Ortsbürgermeister und Mitarbeiter der RegenerativKraftwerke Harz, also des Dardesheimer Windparks.

Erfolgreicher Widerstand gegen Erdgasförderung

Eine gewisse Genugtuung gab es in der Runde zunächst mal darüber, dass die Gefahr der Erdgasförderung im Fallstein nach dem Rückzug von BNK Petroleum gebannt zu sein scheint. Der Zillyer Matthias Niwa wertete das auch als Erfolg des Widerstands der Bürger.

Doch es gebe viele "Baustellen" bei den Erneuerbaren, auf die Ralf Voigt ausführlich einging. Die Elektromobilität zum Beispiel. Bisher fahren trotz großer Ziele der Bundesregierung nur sehr wenige Elektroautos auf den Straßen. "Wenn wir noch drei Jahre darüber erzählen und es tut sich nichts, dann hat es sich toterzählt."

Voigt bedauerte, dass die Stadt Osterwieck 2011 "im Konzessionspoker" den Netzbetrieb an konventionelle Betreiber vergeben hat. Mit den Windrädern in Dardesheim, vier Biogasanlagen in der Region sowie großen Solaranlagen in Dardesheim, Deersheim und Osterwieck hätte sich die Stadt über einen eigenes Stadtwerk selbst versorgen können. "Um die Anlagen zu verbinden, fehlt uns das Netz. Aber wir geben das Geschäft aus der Hand und ärgern uns über steigende Strompreise." Für Voigt auch eine vertane Chance, der klammen Stadt wieder Einnahmen zu verschaffen, die Wertschöpfung vor Ort zu lassen. "Nun wird damit der Stadtkern von Halberstadt statt Osterwieck saniert", sagte er in Anspielung auf die Herkunft eines Netzbetreibers.

Ökologische Stromanbieter sollen sich vorstellen

"Baustellen" sind auch die fehlenden Standorte für neue Windanlagen im Harzkreis, worauf die Derenburgerin Ute Urban aufmerksam machte. "Da müsste die Regionale Planungsgemeinschaft nochmal ran." Dagegen gibt es größere Windparkpläne unmittelbar westlich der Landesgrenze, die der Stötterlingener Wilfried Schmidt ansprach. Davon hätten aber die Osterwiecker nichts.

Unterm Strich bleiben momentan nur wenige realistische Möglichkeiten für Bürger, sich aktiv für Erneuerbare einzusetzen, stellten die Wissenschaftlerinnen als Zwischenfazit fest. Etwa indem sie ihr eigenes Kraftwerk als Solaranlage bauen oder zu einem ökologischen Stromanbieter wechseln. "Deren Preise sind häufig günstiger als von herkömmlichen Anbietern", sagte Ralf Voigt. Deshalb wird erwogen, Naturstromanbieter zum Tag der erneuerbaren Energien nach Osterwieck einzuladen.

Am 26. Februar um 18 Uhr wird zu einer weiteren öffentlichen Zusammenkunft in die "Fallsteinklause" gebeten. Dann soll es um die Ausgestaltung jenes Tages gehen. Diesen sieht die Psychologin Anna Schütte nicht als Endpunkt, sondern "der könnte ein Anfang sein". Das Forschungsprojekt selbst läuft aber nur noch bis Ende Juli.