Briefmarken Jäger und Sammler

Warum soll man heute noch Briefmarken sammeln? Heinz-Erich Gustus aus Halberstadt weiß, warum.

Von Jörg Endries 22.09.2019, 01:01

Halberstadt l Post bekommt man heutzutage meist per E-Mail oder über die sozialen Netzwerke. Briefe schreiben, sie in einen Umschlag stecken, Marke drauf und ab in den Briefkasten, das ist wohl ein Auslaufmodell. Heinz-Erich Gustus hofft, dass dies seinem Hobby und dem Verein, in dem er sich seit Jahrzehnten engagiert, erspart bleibt.

Mit 71 Jahren gehört Heinz-Erich Gustus zu den Jüngsten im Briefmarkensammlerverein „Roland“. Von den mittlerweile nur noch 16 Mitgliedern stehen derzeit drei im Arbeitsleben, alle anderen befinden sich wie er selbst im Ruhestand. Die Zukunft des Traditionsvereins ist damit in Frage gestellt, wenn sich in den kommenden Jahren nicht mehr Jüngere für eine Mitarbeit interessieren.

„Leider begeistern sich Kinder und Jugendliche nicht mehr so für diese schöne und interessante Freizeitbeschäftigung“, bedauert der ­Vereinsvorsitzende. Wobei das Vereinsleben alles andere als langweilig ist. Alle 14 Tage, jeden zweiten und vierten Sonnabend im Monat, treffen sich die Mitglieder ab 10 Uhr in den Räumen des Vereins „Freunde für Leben“ am Breiten Weg 12 im Zentrum Halberstadts. „Gäste sind dort immer willkommen“, lädt Heinz-Erich Gustus Interessierte ein.

„Mit etwa zehn Jahren fing ich an, Briefmarken zu sammeln“, erinnert sich Heinz-Erich Gustus. Mit kleinen Unterbrechungen ist er bis heute seinem Hobby treu geblieben. „Es ist die Faszination des Jagens und Sammelns, die mich so begeistert. Alle Kraft darauf zu konzentrieren, etwas zu bekommen, was man noch nicht besitzt, und sich damit eingehend zu beschäftigen. Das macht dieses Hobby für mich so interessant“, so der 71-Jährige.

Die Frage, wie viele Briefmarken er besitzt beziehungsweise wie viele Alben sie füllen, kann er nach eigenen Worten „beim besten Willen nicht mehr beantworten“. Heinz-Erich Gustus hörte schon vor langer Zeit auf, genau Buch über den Bestand zu führen. Die Sammlung füllt mittlerweile Regale im Keller seines Hauses.

Sammelgebiete würden sich im Lauf der Zeit immer wieder verändern, berichtet Heinz-Erich Gustus. Das reine Sammeln von Briefmarken ist bei ihm schon lange Geschichte. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich mit der Postgeschichte seiner Heimatstadt. „Die ist so fesselnd und vielschichtig“, sagt er.

Heinz-Erich Gustus präsentiert historische Postkarten. Darunter befindet sich ein ­Exemplar aus dem Jahr 1901, das damals jemand von den Mariannen-Inseln über 13 000 Kilometer nach Halberstadt geschickt hat. „Diese Inseln gehörten damals zum Kolonial­gebiet des Deutschen Kaiserreichen“, ­erklärt der Sammler. Eine andere ­Karte wurde 1902 in Rangoon – damals ­eine Stadt in Burma, heute Myanmar – aufgegeben und legte 11 000 Kilometer bis nach Halberstadt zurück. Im Zeitalter des Flugzeugs seien das heute keine Entfernungen mehr. Vor fast 120 Jahren waren die Karten viele Wochen oder Monate unterwegs. Der Fakt, wie lange die Postkarten unterwegs waren, interessiert ihn. Anders als heute tragen Postkarten und Briefe aus dieser Zeit jeweils einen Stempel vom Aufgabe- und einen vom Empfangsort.

Stolz zeigt Heinz-Erich Gustus Schätze aus seiner Brief-Sammlung. Der älteste stammt aus dem Jahr 1630. „Dabei handelt es sich um ein Schreiben des kursächsischen Generalmajors Damian Vitzthum von Eckstedt über die Aufgaben verschiedener Truppenführer zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, erklärt der Sammler. Halberstadt sei damals durch kaiserliche Truppen Wallensteins besetzt gewesen. Der General fiel acht Jahre später beim Kampf um die Warnemünder Schanze.

Heinz-Erich Gustus kennt viele spannende Geschichten. Warum? Weil er Briefmarken, Briefe und Postkarten sammelt.