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Mehrheitsbeschluss zur Ansiedlungsfolge kurzerhand ohne Rückfrage gekippt CDU-Stadtrat stinksauer: Verwaltung ignoriert Stadtratsbeschluss zu "Wilde Weiden"

Von Jörg Endries 08.03.2012, 05:24

Ignoriert die Stadtverwaltung Halberstadt Beschlüsse des Stadtrates? Der hatte klar und mehrheitlich festgelegt, dass auf dem ehemaligen Militärgelände an der List-Straße erst der Wildpark entstehen soll und dann der Solarpark. Jetzt kommt es anders.

Halberstadt l Die Beschlussvorlage ist unmissverständlich. Stadtentwicklungsausschuss und Stadtrat legten im vergangenen Jahr Schwarz auf Weiß fest, dass auf dem ehemaligen Militärgelände an der List-Straße erst der Wildpark "Wilde Weiden" und im zweiten Schritt der Solarpark entstehen soll. Ein Stück Papier, das bindend für Stadtverwaltung und auch für den Investor ist.

Hintergrund dafür war, dass die Mehrzahl der Stadträte befürchteten, dass der Solarpark gebaut wird, weil man damit Geld verdienen kann, der Wildpark dann auf der Strecke bleiben könnte.

Die Botschaft war eindeutig, dennoch kommt es anders. Bereits vor zwei Wochen haben die Arbeiten zur Errichtung des fast 40 Hektar umfassenden Solarparks begonnen (Volksstimme berichtete). Weidende Bisons, eine Ausflugsgaststätte samt Informationszentrum und Themenwanderwege durch den insgesamt 240 Hektar umfassenden Wildpark sucht man derzeit noch vergebens. Nach den Worten von Investor Guido Schneider wird es wohl auch noch etwa 60 Monate dauern, bis der Wildpark fertiggestellt ist. Wedelt hier der Schwanz mit dem Hund?

"Herr Schneider hat doch schon die ersten Bisons gekauft, die in ein Eingewöhnungsgehege ausgesetzt werden sollen", rechtfertigt Siegrun Ruprecht von der Stadtplanung. Allerdings würden die Tiere noch nicht in Halberstadt auf der Weide stehen, weil der Landkreis Harz bislang kein grünes Licht für die Baugenehmigung des Eingewöhnungsgeheges gegeben habe. Eine Anfrage würde seit Monaten im Landratsamt unbeantwortet vorliegen. "Sonst würden die Tiere bereits seit Herbst vergangenen Jahres auf der Weide in Halberstadt stehen", so Siegrun Ruprecht. Damit wäre nach ihrem Verständnis die im Aufstellungsbeschluss geforderte Reihenfolge auch eingehalten worden. Außerdem habe es am 8. Februar dieses Jahres einen Vor-Ort-Termin gegeben, zu dem alle Stadträte eingeladen waren, um über die aktuelle Lage beider Projekte zu informieren. Zwar hätten nur wenige Räte davon Gebrauch gemacht, aber hinters Licht geführt dürfte sich niemand fühlen.

"Eine Bauvoranfrage für den Wildpark hat es gegeben", bestätigte Dietmar Köhler, Amtsleiter Bauordnungsamt des Landkreises, gestern auf Volksstimme-Anfrage. Allerdings hätte der Investor selbst mit einer positiven Antwort nicht bauen dürfen. Dafür sei ein von der Stadt beschlossener Bebauungsplan erforderlich. Den gebe es bisher nicht. Aus diesem Grund wurde die Anfrage jetzt auch negativ beschieden. Für den Solarpark gibt es hingegen diesen Plan.

"Es gibt einen klaren Beschluss, der mehrheitlich gefasst wurde. Hier kann doch nicht jeder machen, was er will."

Hans-Joachim Purfürst, CDU-Stadtrat

Vorgeführt fühlt sich CDU-Stadtrat Hans-Joachim Purfürst, der auch Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses ist. "Es gibt einen klaren Beschluss, der mehrheitlich gefasst wurde, dass erst der Wildpark und dann der Solarpark angesiedelt werden soll. Hier kann doch nicht jeder machen, was er will. Wir haben uns schließlich etwas dabei gedacht", zeigt sich Purfürst stinksauer. Man habe sicherstellen wollen, dass nicht nur die Solaranlage gebaut wird, sondern auch der Naturpark kommt.

Dass die Beschlusslage kurzerhand umgekehrt wurde, ohne den Rat zu fragen, findet Peter Köpke, Fraktionschef von SPD/Bündnis 90, nicht gut. "Allerdings können wir froh sein, dass mit dem über 20 Jahre nicht genutzten Gelände etwas passiert", sagt Köpke. Wenn es wirtschaftliche Erfordernisse gebe, die diesen Schritt begründen, dann fühlt sich der Sozialdemokrat nicht vorgeführt. "Das ist reale Wirtschaft."

Christian Hamann von der Dreierfraktion betont, dass er aus wirtschaftlichen Gründen von Anfang an nicht hinter diesem Beschluss gestanden habe. "Das Naturprojekt kann nur umgesetzt werden, wenn etwas entsteht, wo Geld mit verdient wird. In diesem Fall ist das die Solaranlage." Es wäre "Spinnerei", wenn man das anders sieht.

"Ich finde es nicht gut, dass vor der Beschlussfassung des Bebauungsplanes Tatsachen geschaffen werden", kritisiert Hans-Joachim Nehrkorn, Fraktionsvorsitzender Die Linke. Es habe schließlich schon genug "Bauernfänger" gegeben, die mit Hochglanzbroschüren Projekte verkauft hätten, die dann Traumschlösser blieben. Nehrkorn erinnert an das große Altenwohnprojekt am Domplatz in Halberstadt, dass in der ersten von insgesamt drei Ausbaustufen hängengeblieben sei. "Wenn es für die veränderte Reihenfolge keine plausible Erklärung gibt, dann wird es von der Linken kein grünes Licht dafür geben."

"Wenn dies etwas mit der geplanten Veränderung der Solareinspeisungsvergütung durch die Bundesregierung zu tun hat, ist das in Ordnung", zeigt Stadträtin Kristine Paul von Bündnis 90/Die Grünen Verständnis. Wichtig für sie sei, dass beide Projekte umgesetzt werden, die Reihenfolge ist ihr egal.

Während einer öffentlichen Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses sollen heute ab 17 Uhr im Gewölbesaal (Kreuzgang Liebfrauen, Eingang Katzenplan) die Fragen zu den Projekten "Solarpark" und "Wilde Weiden" geklärt werden.