Japanische Wissenschaftler in der Stadt der erneuerbaren Energien Dardesheimer Erfahrungen für die japanische Energiewende
Ausländische Energiefachleute und Journalisten geben sich in Dardesheim fast wöchentlich die Klinke in die Hand. Wenn jedoch Japaner in die Stadt der erneuerbaren Energien kommen, ist das angesichts der Atom-Katastrophe von Fukushima etwas Besonderes. Am Montag waren fünf Wissenschaftler aus Tokio zu Gast, um sich den Windpark Druiberg und die Biogasanlage Zilly anzuschauen.
Dardesheim/Zilly. "Japan ist in aller Munde", beschrieb es Dardesheims Ortsbürgermeister Rolf-Dieter Künne bei der Begrüßung der Gäste im Rathaus treffend. Die Delegation, darunter zwei Professoren, kam aus mehreren Forschungseinrichtungen Tokios.
Bis zum Fukushima-Störfall war der Atomstrom in Japan praktisch kritiklos, wenn auch nicht alternativlos. Prof. Takeshi Nagai berichtete, dass Japan bis 2005 Weltspitze bei der Nutzung der Solarenergie gewesen sei. Danach sei man von Ländern wie Deutschland überholt worden. Windenergie werde in Japan im Wesentlichen nur im Norden erzeugt. Das hängt nach seinen Worten mit der Windsituation zusammen, in anderen Landesteilen wehe der Wind nicht so kontinuierlich.
Schon vor Fukushima wurde in Japan nach der Nutzung erneuerbarer Energien geforscht, betonte der Professor. Nach der Katastrophe habe sich die Situation geändert, sei die Forschung dringender geworden.
Von einem Atomausstieg wie in Deutschland scheint Japan aber noch entfernt zu sein. Prof. Shiro Kurihara berichtete von dem Konflikt, 70 Prozent der Bevölkerung seien heute gegen Atomstrom, aber nur 30 Prozent der Industrie. Zu politischen Nachrichten über den Atomausstieg Japans erklärte Prof. Nagai: "Der Ausstieg ist noch nicht klar. Der Premierminister hatte nur seine Meinung geäußert."
Um mehr erneuerbare Energien nutzen zu können, müssten die Japaner nach eigenen Aussagen nun dringend ein "Smart Grid" entwickeln, ein intelligentes Stromnetz. In Dardesheim waren die Wissenschaftler damit an der richtigen Adresse, denn im Projekt Regenerative Modellregion Harz (RegModHarz) ist genau das ein Thema.
Ralf Voigt führte die Besucher zunächst zur Biogasanlage Zilly, wo ihnen Lothar Pietrzak die Funktionsweise erläuterte. Danach fuhren sie auf den Druiberg zum Windpark.
Über sechs Stunden hielten sich die Japaner letztendlich in Dardesheim auf. Ralf Voigt stellte fest, dass die Gäste bereits im Vorfeld sehr gut über das Projekt RegModHarz informiert waren und Fragen daher sehr zielgerichtet gestellt wurden. Vor einiger Zeit war schon das japanische Fernsehen in Dardesheim gewesen und hatte über das Harzer Modellprojekt berichtet.
Auf dem Druiberg zeigte Ralf Voigt indes auch in Richtung Asse, wo ganz in der Nähe von Dardesheim gefährlicher Atommüll im unsicheren Zwischenlager liegt. Auf die Frage von Ortsbürgermeister Künne, wo eigentlich Japan seinen Atommüll entsorgt, gab es von den Gästen indes nur Schweigen als Antwort.
Die Wissenschaftler aus Ostasien halten sich für zwei Wochen in Europa auf. Von Dardesheim ging es weiter nach Dänemark und Schweden.