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Historisches Stadtarchiv: Ein einmaliger Schatz der Kreisstadt Das Gedächtnis Halberstadts: Über 1000 Jahre bewegte Geschichte

Von Jörg Endries 03.03.2012, 05:22

Verborgen im Keller des Gleimhauses liegt ein besonderer Schatz: Das Gedächtnis der Stadt Halberstadt. Über 1000 Jahre bewegte Geschichte hütet dort Gabriele Bremer, die Leiterin des Stadtarchives. Der Volksstimme öffnete sie ihre ganz besondere Schatztruhe.

Halberstadt l Mehr als 87 131 Dokumente und 1360 laufende Meter Geschichte umfasst das Historische Archiv der Stadt Halberstadt. Und es wächst von Tag zu Tag weiter. Darunter befinden sich Urkunden aus der Zeit vom 11. bis zum 20. Jahrhundert. Eine eindrucksvolle Sammlung von Siegeln aus dem 13. bis 17. Jahrhundert, Kirchenbücher, Häuserlisten, Fotos, Karten-, Plakat-, Gesetzblatt- und eine stadtgeschichtliche Sammlung, um nur einiges zu nennen.

Für Gabriele Bremer ist es schlichtweg der Traumjob, dieses besondere Erbe sichern, erschließen, bewerten und bewahren zu dürfen. Sie hütet bereits seit 30 Jahren das Gedächtnis der Stadt Halberstadt, das Stadtarchiv. Als Industrielaborantin ins Berufsleben gestartet, sattelt sie schnell um. "Ich liebe Geschichte und Bücher. Diese Liebe ist meine Berufung", schwärmt sie heute noch.

"Es ist ein ganz besonderer, weil einmaliger Schatz. Sie finden ihn an keinem anderen Ort der Welt."

Gabriele Bremer, Leiterin des Historischen Stadtarchives

Öffnet Gabriele Bremer die Türen zu ihrem Reich, atmet man eine ganz besondere Luft und versteht die Begeisterung der Archivarin: Die Räume sind erfüllt von Geschichte. Kaiser, Könige, Päpste, Bischöfe, Bürgermeister, Ratsherren, Unternehmer, ganz normale Bürger haben in Halberstadt ihre Spuren hinterlassen, die Geschichte dieser Stadt bestimmt und geprägt.

"Es ist ein ganz besonderer, weil einmaliger Schatz. Sie finden ihn an keinem anderen Ort der Welt", ist Gabriele Bremer begeistert. Dazu zählt auch das älteste erhaltene Schriftstück des Hauses. Eine Urkunde aus dem Jahr 1068, auf der König Heinrich IV. die Privilegien und Rechte der Halberstädter Kaufleute bestätigt und ihnen Zollfreiheit auf allen königlichen Märkten bewilligt. Das Pergament ist nur eine von insgesamt 1202 Urkunden im Bestand des Archivs.

Allerdings schließen Gabriele Bremer und ihre Kollegin Annette Bartl diesen kostbaren Schatz, der mit Geld nicht aufzuwiegen ist, nicht einfach weg. Das Erbe Halberstadts ist jedem, der daran interessiert ist, zugänglich. Pro Jahr nutzen etwa 1200 Besucher dieses besondere Angebot.

"Ein Arbeitstag kann bei uns mitunter ganz schön chaotisch sein", erzählt die Stadtarchivarin. Schüler, Studenten, Ahnenforscher und in jüngster Zeit verstärkt Rechtsanwälte, die intensiv Erbenforschung betreiben, gehören zu den Kunden des Historischen Archivs. "In den ersten zwei Monaten des neuen Jahres hatten wir bereits 200 Gäste und mussten 70 Anfragen beantworten, die uns per Brief oder E-Mail erreichen", berichtet Gabriele Bremer.

Natürlich hat auch das Archiv eine Geschichte. Die beginnt im 11. Jahrhundert mit der Aufbewahrung der Privilegien der Marktleute. Erwähnt wird es erstmals am 17. Mai 1632. Ein tiefer Einschnitt war die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Bereits 1943 wurde wegen der drohenden Bombenangriffe mit der Auslagerung des Archivs begonnen. 90 Prozent des Stadtarchivs, etwa 80 Kisten und 1000 Aktenpakete verschwanden in einer Schachtanlage bei Bernburg. Wie sich später herausstellte, ein Schritt, der den Schatz gerettet hat. Beim Bombenangriff auf Halberstadt am 8. April 1945 wurde das Gebäude des Archivs zerstört. Das Gedächtnis Halberstadts wäre um ein Haar ausgelöscht worden. Es wurde gerettet, aber nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Beutegut vor allem von der Sowjetarmee in Besitz genommen.

Nach der Wiedereröffnung des Stadtarchivs 1950 dauerte es 48 Jahre bis die letzten als Beutegut entführten 100 Handschriften und Drucke aus Armenien nach Halberstadt zurückgekehrt waren.