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Neue Biogasanlage bei Ebendorf wird seit Anfang des Jahres schrittweise hochgefahren Die "Fütterung" der Bakterien hat bereits begonnen

Von Christin Käther 09.02.2012, 05:23

Im April 2011 wurde bei Ebendorf mit dem Bau der Biogasanlage begonnen. Seit einigen Wochen ist sie nun in Betrieb. Hier wandeln Bakterienkulturen organische Abfälle zu Strom und Wärme um. Die Volksstimme warf einen Blick hinter die Kulissen.

Ebendorf l Ein dünner, säuerlicher Hauch liegt in der Luft, wenn man das Gelände der neuen Biogasanlage, 700 Meter von Ebendorf entfernt, betritt. So richtig zuordnen kann man den Geruch nicht. Auch von der Anlage selbst ist nichts zu hören. Vielmehr fällt der Verkehrslärm von der A 2 auf, die direkt an der Anlage vorbeiführt. "Mir ging der Krach selber auf die Nerven. Deswegen haben wir gleich zwei Erdwälle gebaut - einen direkt neben der Autobahn und einen zum Dorf hin", erklärt Matthias Neuss. Weniger Lärmbelästigung für die Ebendorfer.

Anfang dieses Jahres ist das neue Gaskraftwerk von der Abo Wind AG im Landkreis angelaufen. Zehn Millionen Euro hat die Wiesbadener Firma in den Bau investiert. Langsam werden die Maschinen hochgefahren, damit sich die Bakterienkulturen in den Reaktoren nach und nach aufbauen können, erzählt Neuss, der als Projektleiter der Abo Wind AG seit Beginn der Bauarbeiten vor Ort ist und die Arbeitsprozesse überwacht. Bisher würden nur etwa zehn Prozent der Anlagekapazität genutzt, schätzt er. Bis Mai soll die Biogasanlage schon auf Hochtouren laufen. Der Chemiker aus Worms hat bisher sechs solcher Anlagen bundesweit betreut und kennt sich mit der Verwertung von Biomasse bestens aus.

Wie so ein Gaskraftwerk funktioniert, erklärt er jedem Besucher während einer Führung über das 4,5 Hektar große Gelände ausführlich. Hauptsächlich werden organische Abfälle von Tieren für die Herstellung von Biogas genutzt. Lieferverträge mit umliegenden Agrarbetrieben sollen die Versorgung mit Gülle langfristig sichern. Vor kurzem hat die Anlage 17 000 Tonnen Gülle aus Meseberg erhalten. Im März soll mit der Verarbeitung von Putenmist begonnen werden. In zwei Güllebehältern wird die Masse gelagert, bevor sie zum Gären in die beiden großen Reaktoren geht. Aber auch pflanzliche Stoffe sind gute Energielieferanten. Am Standort Ebendorf können bis zu 22 000 Tonnen Silage auf einmal für die Verarbeitung gelagert werden. Außerdem eignen sich Wildpflanzen wie Süßhirse, Szarvasigras oder Silphie für den Gärprozess. Vom Gebrauch von Mais will sich die Abo Wind AG in Ebendorf allerdings distanzieren. "Wir wollen die Vermaisung der Landschaft verhindern", sagt Matthias Neuss. "Andere Pflanzen eignen sich mindestens genau so gut, wenn nicht sogar besser. Wir experimentieren noch mit den einzelnen Sorten."

Die Pflanzen werden in einer Maschine zerkleinert und als breiige Masse in die Hauptreaktoren gepumpt, in denen sie mit der Gülle vermischt wird. Hier sprechen die Mitarbeiter der Biogasanlage - derzeit sind es zehn - von der "Fütterung" der Bakterien. Unter Ausschluss von Sauerstoff - ein sogenannter anaerober Prozess - zersetzen Thiobakterien die Masse unter Wärmezufuhr und permanentem Rühren. Der Gärrest verweilt etwa 100 Tage im Betonfermenter, bevor er in die drei großen Endlagerbehälter abgepumpt wird.

Dort verbleibt er weitere 45 Tage und wird dann als Flüssigdünger regionalen Agrarbetrieben angeboten. "Bisher ging die Gülle unbehandelt auf die Äcker", erklärt Matthias Neuss. "Das stinkt und das Methangas ist nicht gut für den Treibhauseffekt. Durch die Behandlung in der Biogasanlage ist der Dünger frei von Gasen und die Nährstoffe sind noch drin."

Im Reaktor trennt sich das Gas blasenartig vom Gärrest und wird durch Rohre zum Blockheizkraftwerk geleitet. Dort wird ein Teil des Biogases durch Generatoren in Strom und Wärme umgewandelt. Der größere Teil - etwa 70 Prozent - wird in der Gasaufbereitungsanlage durch chemische Prozesse zu Erdgas veredelt, das ins öffentliche Netz eingespeist wird. Überschüssiges Gas, das nicht sofort abgegeben werden kann, wird über eine große Fackel verbrannt, damit der Druck in den Behältern nicht zu groß wird. "Wir bauen hier eine Biogasanlage und keine Bumm-Bumm-Fabrik", so Matthias Neuss. Damit möchte der Projektleiter vor allem auf die Sicherheit der Anlage aufmerksam machen. Alle Prozesse habe man hier genau unter Kontrolle. Wenn die Automatik ausfallen sollte, könne man die Maschinen auch per Hand steuern.

Die Biogasanlage produziert nicht nur Energie für das öffentliche Netz, sondern auch Strom und Wärme für den Eigenbedarf, ist nicht auf fremde Versorgung angewiesen. Auch das Wasser, das die Anlage kühlt, wird aufgefangen und wiederverwendet. Matthias Neuss\' Mission im Land- kreis ist aber noch nicht abgeschlossen. Die Abo Wind AG setzt weiterhin auf Bioenergie. Im Juni wird er nach Wedringen gehen und den Aufbau der dort geplanten Biogasanlage betreuen. Zwei Millionen Euro soll das Vorhaben kosten.