Seit Jahren kümmern sich die Mitglieder des Wassermühlen-Verein Klein Quenstedt um den 214 Jahre alten Patienten Die "Mühlen-Doktoren" mit den goldenen Händen
Mehrmals im Jahr lädt die Wassermühle in Klein Quenstedt zum Besuch ein. Eine Offerte, die sich stets lohnt, weil es praktisch immer etwas Neues zu sehen oder zu erleben gibt. Hinter all den Überraschungen steckt das Team um "Chefarzt" und Mühlen-Doktor Ulrich Heucke.
Klein Quenstedt l "Wer diese Mühle einmal besucht hat, der kommt gern wieder." Ulrich Heucke, Besitzer des Anwesens mit jener Wassermühle aus dem Jahr 1798 am Rande von Klein Quenstedt, weiß durchaus um die Magnetkraft seiner Anlage. Weil der 44-Jährige auch praktizierender Arzt ist, hat er nicht nur in Klein Quenstedt längst seinen Spitznamen weg: Er ist der Mühlen-Doktor. Und in dieser Funktion macht er eine buchstäblich gute Figur: Die Anlage läuft nicht nur wie geschmiert - der Mühlen-Doktor sorgt als "Chefarzt" Hand in Hand mit den "Fachärzten", "Schwestern" und "Therapeuten" im Mühlenverein dafür, dass das so bleibt.
Als Grund für die große Beliebtheit des technischen Denkmals Wassermühle nennt Ulrich Heucke die Funktionsfähigkeit der Anlagen auf allen Etagen. "Überall dreht und bewegt sich etwas. Das macht alles noch viel anschaulicher." Eine wichtige "Zutat" rund um all die Offerten für die Gäste, betont der Besitzer, denn: "Dank der funktionstüchtigen Mühlentechnik können wir den Besuchern bei den Führungen nicht nur die Theorie vermitteln, sondern demonstrieren ihnen ganz praktisch, wie die Arbeit in dieser Mühle bis zu ihrer Stilllegung im Jahr 1975 vor sich ging", spannt Heucke den Bogen.
Ulrich Heucke, der auch Vorsitzender des im Jahr 2000 gegründeten Mühlenvereins ist, weiß, wie viel Arbeit und Engagement nötig sind, um dieses gesteckte Ziel zu erreichen. Dem Mühlenverein gehören derzeit 20 Mitglieder an. Dieses kleine Häuflein sorgt im wahrsten Sinne des Wortes dafür, dass an der Mühle kein Stillstand eintritt und der betagte "Patient" fit bleibt.
"Wir sind stolz auf alles, was wir in den vergangenen Jahren geschaffen haben. Hilfe bekommen wir immer wieder auch von Nichtmitgliedern", erklärt der Mühlen-Doc. So habe es in jüngster Vergangenheit erneut ein Projekt des Europäischen Bildungswerkes gegeben, wofür die Vereinsmitglieder sehr dankbar seien. "So kommt ständig etwas Neues dazu. Und das ist ein weiterer Grund für Neugierige, in regelmäßigem Abstand bei uns reinzuschauen", skizziert der 44-Jährige die positiven Konsequenzen.
Neu ist in diesem Jahr beispielsweise die Treppe, die vom Mühlenkeller hinauf zur ersten Etage führt. "Die war so stark ausgetreten, dass sie dringend erneuert werden musste", sagt Heucke und ist überzeugt, dass es in der Mühle noch nie eine solch schöne Treppe gegeben hat. Obendrein haben die Wände des Mühlenkellers in den vergangenen Monaten Farbe bekommen und die Arbeiten im Ausstellungsraum wurden vorangetrieben. "Wir haben zwar nicht alles geschafft, was wir uns vorgenommen haben, doch in diesem Jahr sollen der Ausstellungs- und der Seminarraum vollendet werden", steckt Heucke die nächsten Etappenziele ab. "Wir haben reichlich Anschauungsmaterial und Filme, die wir gern zeigen möchten. Vor allem, wenn Schulklassen kommen."
An Tagen mit offenen Türen - beispielsweise Pfingsten beim Mühlenfest - wechselt sich Heucke bei den Führungen im Halbstunden-Rhythmus mit Günter Mayer, Manfred Rückwoldt und Dirk Masche ab. Unterwegs erläutern sie ihren Gästen die gesamten technischen Abläufe, was dank der vollständig erhaltene Mühlentechnik möglich ist.
Angefangen beim Elevator und der Schälmaschine über die Stein- und Walzen-Mahlgänge bis hin zu Sichter und Mehlmischmaschine. Wenn die Besucher am Wasserrad als letzte Station angelangt sind, haben sie nicht nur die ausgeklügelte Technik mit Fahrstuhl, Zahnrädern, Antriebswellen, Transmissionsgetrieben und schweren Mahlsteinen erlebt, sondern auch Geschichten aus dem Mühlenleben der vergangenen gut 200 Jahre erfahren. Und sie können jetzt auch den langen Weg vom Getreidekorn bis zum Brot nachvollziehen.
Bei ihren Reisen in die Vergangenheit setzen die Mühlenfans vor allem auf die jüngste Generation. Aus gutem Grund: Während deren Eltern und Großeltern mit der alten Mühlentechnik oft noch persönlich etwas anfangen konnten, müssen die Kinder heute quasi im "mühlenfreien Zeitalter" aufwachsen. Zumindest was die historischen Wind- und Wassermühlen anbetrifft, in denen das Korn wie einst mit regenerativer Energie - also ganz ökologisch - zerrieben wurde. Schritt für Schritt und in vielen Gängen.
"Ich gehöre zur Familie, komme sehr gern hierher, helfe mit und fühle mich hier richtig wohl.
Peter Olfs, begeisterter Mitstreiter im Mühlenverein aus München
Da ist es gut, dass es rund um den Huy gleich mehrere Vereine und Gruppen gibt, die sich für den Erhalt jener betagten Mühlen einsetzen. Auch in Danstedt und Anderbeck sind beispielsweise Vereine bestrebt, die Faszination Mühle an die jüngeren Generationen zu vererben. In Klein Quenstedt geschieht dies auf ganz konsequente Art und Weise: Dort werden die Kinder bei Veranstaltungen und Festen zum speziellen Kinder-Abenteuer in die Mühle eingeladen. Peter Olfs ist der Mitstreiter im Mühlenverein, der dann das Zepter übernimmt und die Jüngsten begleitet auf die Reise durch vergangene Zeiten.
Wenn es heißt: "Für Erwachsene verboten!", folgen ihm Mädchen und Jungen durchs Gemäuer, hören ihm mit großen Augen zu, staunen und stellen zuhauf Fragen. Die Kinder finden seine Führungen lustig und spannend zugleich. "Mir macht das unwahrscheinlich Spaß mit den Kleinen", betont der Münchner, der regelmäßig zu den Höhepunkten aus Bayern anreist. "Ich gehöre zur Familie, komme sehr gern hierher, helfe mit und fühle mich hier richtig wohl."
Entsprechend zufrieden blicken Mühlen-Doktor Heucke und die fleißigen Helfer des Mühlenvereins am Abend auf einen langen und anstrengenden aber auch erfolgreichen Tag zurück: "Die vielen interessierten und zufriedenen Gäste, die gute Stimmung und eine Menge lobender Worte sind der schönste Lohn für unsere Mühen", bilanziert Ulrich Heucke. Eintritt werde ganz bewusst nicht kassiert, Spenden seien indes willkommen, um die Mühle zu erhalten und Neues zu schaffen. Auch der Erlös dieses Tages werde dazu beitragen.
Weil es in den kommenden Jahren aber noch genug zu tun gibt in der betagten Wassermühle und das Geld wohl nie reichen wird, sind auch 2012 weitere Veranstaltungen geplant: Am 11. August ist Sommerfest (mit Eintritt), am 9. September folgt der Tag des offenen Denkmals und am 2. Dezember der Advent in der Mühle.
Die speziellen Führungen für die Kinder machen mir unwahrscheinlich Spaß."
Peter Olfs, begeisterter Mitstreiter im Mühlenverein aus München
Zwischendurch schlüpfen Mühlen-Doktor Heucke und seine Fachkollegen regelmäßig in ihre "Arztkittel", um ihrem 214 Jahre alten "Patienten" die eine oder andere Therapie angedeihen zu lassen oder gar mal eine größere Operation durchzuführen. Keine Frage: Die erfreulich gute Verfassung des Patienten ist ihr Verdienst. Darüber freuen sich die zahlreichen Besucher der Wassermühle. Und deren Freude ist wiederum für die "Mühlen-Doktoren" mit den goldenen Händen schönster Lohn und Motivation zugleich.
Mehr über die Wassermühle findet sich im Internet: www.wassermuehle-klein-quenstedt.de