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Spannende Einblicke Die Tür zum Himmel im Windpark bei Osterwieck

Wie es in einem Windrad auf dem Dardesheimer Druiberg aussieht und wie kompliziert es ist, den Strom in der richtigen Dosis zum Verbraucher zu bringen.

Von Mario Heinicke Aktualisiert: 28.12.2023, 08:07
Dieser Blick eröffnet sich hoch oben vom Maschinenhaus. Zusammen mit anderen Betreibern  drehen sich  auf dem Druiberg über 40 Windräder.
Dieser Blick eröffnet sich hoch oben vom Maschinenhaus. Zusammen mit anderen Betreibern drehen sich auf dem Druiberg über 40 Windräder. Foto: Windpark Druiberg

DARDESHEIM. - Es stürmt bei der Volksstimme-Besichtigung eines Windrades auf dem Druiberg. So sehr, dass Thomas Radach alle Kraft aufbringen muss, um die schwere Eisentür ins Innere des Turms zu öffnen. Der Technische Leiter des Windparks Druiberg ist hier noch ein Mann der ersten Stunde. Sein Vater Karl Radach war vor 30 Jahren der Windkraft-Pionier in Dardesheim, baute an seinem Wohnhaus die erste Windmühle. Im Vergleich zu heute ein Spielzeug.

Der Raum hinter der Tür, gut zwölf Meter im Durchmesser, ist gar nicht so geheim. Denn seit langem hält die Windpark-Firma auch ein Windrad als Besucheranlage vor. Für in den letzten 20 Jahren mehrere tausend Gäste aus aller Welt – von allen Erdteilen außer der Antarktis. Überwiegend Fachbesucher, die sich den Windpark und auch seine zukunftsweisenden Forschungsprojekte live ansehen wollen.

Dabei sind die Windräder selbst „von der Stange“. Die meisten wurden vor knapp 20 Jahren errichtet, mit 114 Metern Nabenhöhe und bis zur Rotorspitze gut 150 Meter. Installierte Leistung etwas mehr als zwei Megawatt. „Mit einer Maschine kann man etwa 1000 Haushalte mit Strom versorgen“, sagt Thomas Radach. „Physikalisch“, erklärt er, „ist hier ringsherum überall Windstrom im Netz.“ Unabhängig davon, welchen Versorger ein Stromkunde gebucht hat.

Laut ist es im Windturm. In der Mitte des Rondells steht das sogenannte Elektromodul. Im Kern ein riesiger Trafo. Warum dieser überhaupt notwendig ist, hat physikalische Gründe. „Die Windgeschwindigkeit ist ja nicht konstant“, erläutert der Technikchef. „Drehzahl und damit Stromerzeugung schwanken ständig.“ Im Diagramm würde man das durch unterschiedliche Ausschläge der Sinuskurve erkennen.

Deshalb wird der erzeugte Strom im Generator, hoch oben im Maschinenhaus installiert, über Wechselrichter in eine gleichförmige Sinuskurve zu 50 Herz Wechselstrom verwandelt. 114 Meter tiefer im Trafo wird der Strom dann in eine Spannung von 30 Kilovolt hochtransformiert, um danach durch das windparkeigene Netz bis zum Umspannwerk Wasserleben und von dort im Hochspannungsnetz bis in den Südharz zu fließen.

Zehn bis zwölf Meter pro Sekunde schwankt die Windgeschwindigkeit beim Volksstimme-Besuch. Ablesbar sind die Werte über ein Display am Steuerschrank. Das zeigt zudem gerade an, dass sich der Rotor mit seinen drei Rotorblättern 15 Mal pro Minute dreht, dass die aktuelle Windgeschwindigkeit mit 3050 Kilowattstunden die volle Leistung aus der Maschine herausholt. Alle Werte werden aber auch live in das Büro des Technikchefs übertragen.

Abgeregelt oder gestoppt wird die Maschine bei dieser Windstärke aber noch lange nicht. Das erfolgt erst bei der dreifachen Windgeschwindigkeit, also quasi Orkan. Gestoppt übrigens nicht etwa durch eine Bremse, sondern durch eine Stellung der Rotorblätter, die dem Wind dann keine Angriffsfläche mehr bieten.

Bei Flaute bleiben Windräder natürlich auch stehen, ebenso bei Havarien. Bewusst gestoppt werden können sie indes aus anderen Gründen. Der Netzbetreiber hat über seine Leitstelle Zugriff auf den Windpark. Bei einem Überangebot an Strom könnte er davon Gebrauch machen.

„Man muss sich das wie bei einer vollen Wasserleitung vorstellen“, vergleicht Thomas Radach. „Ist der Wasserdruck zu hoch, weil beim Verbraucher nichts abfließt, dann platzt die Leitung.“ Die Stromerzeugung müsse also immer gleich der Abnahme sein.

Zuviel Strom im Netz könnte es am ehesten an Wochenenden oder Feiertagen und dann nachmittags geben, wenn viel Wind bläst und die Sonne auf die Solaranlagen scheint, aber die Industriebetriebe keinen Strom benötigen.

Und noch ein Szenario gibt es. Wenn durch ein Überangebot an Strom der Börsenpreis gegen Null oder ins Negative rutscht, dann könnten sogar Direktvermarkter den Windpark über ein Stufensystem bis hin zur Abschaltung regeln. Denn einen Teil seiner Erlöse erzielt der Windpark auf Grund seiner Größe an der Strombörse.

Mehrmals im Jahr, berichtet Thomas Radach weiter, kommen Monteure in den Windturm, um die Anlage zu warten. Ein Stützpunkt des Herstellers Enercon, von dem alle 37 Windpark-Maschinen stammen, befindet sich in Dardesheim. Die Techniker begeben sich dann auch nach oben zum Maschinenhaus. Sie könnten die Höhe über eine schmale Leiter bewältigen, viel komfortabler geht das aber über einen an Seilen hängenden Aufzug für zwei Personen. Zwischendrin sind Auffangnetze gespannt, aber nicht für Menschen gedacht, sondern zur Sicherheit vor versehentlich herabfallenden Gegenständen.

Am Display des Steuerschranks kann Thomas Radach die aktuellen Parameter der Windmaschine ablesen.
Am Display des Steuerschranks kann Thomas Radach die aktuellen Parameter der Windmaschine ablesen.
Foto: Mario Heinicke
In der Mitte des Turmbodens ist das Elektromodul samt Trafo  platziert.
In der Mitte des Turmbodens ist das Elektromodul samt Trafo platziert.
Foto: Heinicke
Per Lift können Techniker 114 Meter hoch zum Maschinenhaus fahren.
Per Lift können Techniker 114 Meter hoch zum Maschinenhaus fahren.
Foto: Heinicke