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Kreis droht mit Nutzungsverboten für höhere Gebäude / Quedlinburger verleihen Rettungstechnik Drehleiterfahrzeug wird zum Politikum

Von Dennis Lotzmann 06.03.2013, 02:16

Die vom Gericht kassierte Eingemeindung von Rieder, Gernrode und Bad Suderode tangiert nun auch den Brandschutz. Offenbar ist die Kreisbauaufsicht drauf und dran gewesen, in den drei Orten zahlreiche größere Gebäude teilweise zu sperren. Dreh- und Angelpunkt ist die Quedlinburger Drehleiter, die bislang in Gernrode stationiert war.

Gernrode/Bad Suderode/Quedlinburg l "DLK 23/12" - eine Typbezeichnung, bei der Feuerwehrleute sofort im Bilde sind. Jenes Drehleiterfahrzeug der Stadt Quedlinburg - oder genauer: dessen Stationierung - ist dieser Tage zum Politikum geworden. Zum Politikum in einem Konflikt, der nach dem Spruch der Verfassungsrichter am 19. Februar immer weitere Kreise zieht und der für die drei Nachbarorte Bad Suderode, Gernrode und Rieder um Haaresbreite chaotische Auswirkungen gehabt hätte.

"Mir ist von der Kreisverwaltung schriftlich angekündigt worden, dass für eine ganze Reihe von größeren Gebäuden Nutzungsverbote verhängt werden, wenn die Drehleiter wieder zurück nach Quedlinburg geht", sagt Gernrodes Bürgermeister Detlef Kunze (Freie Wähler). Mittlerweile, schiebt er im Gespräch mit der Volksstimme eilends nach, sei das Problem aber schon wieder gelöst und dieser "Brandherd" gelöscht. Das mobile Höhenrettungsgerät steht - nach einem kurzen Intermezzo in Quedlinburg - seit dieser Woche wieder im Gerätehaus der Feuerwehr Gernrode. Basis ist eine Zweckvereinbarung, die Kunze mit der Stadt Quedlinburg abgeschlossen hat, um die angedrohten Zwangsschritte abzuwenden, bestätigt der dortige Fachbereichsleiter Recht und Ordnung, Wolfgang Scheller.

Dabei wäre - glaubt man Schellers Darstellung - das Chaos in den drei nun wieder eigenständigen Orten wohl perfekt gewesen, hätten die Quedlinburger ihre Drehleiter nicht zurückgebracht nach Gernrode.

Rückblende: Dass im Raum Gernrode, Bad Suderode und Rieder in punkto Höhenrettung einiges im Argen lag, sei den Verantwortlichen der damaligen Verwaltungsgemeinschaft Gernrode schon vor der Eingemeindung klar gewesen, bestätigen Scheller und Kunze übereinstimmend.

"Die Verwaltung hätte so oder so handeln müssen, weil in zahlreichen Gebäuden der zweite Rettungsweg fehlt und die Betroffenen nur mithilfe einer Drehleiter gerettet werden können", erinnert Scheller. Betroffen seien beispielsweise das Ärztehaus und das Hotel Stubenberg in Gernrode oder die Paracelsus-Harzklinik in Bad Suderode.

Vor diesem Hintergrund kam die Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg Anfang 2011 quasi punktgenau: Nun bot sich die Möglichkeit, mit einem einfachen Griff rund um Gernrode das Rettungsproblem zu lösen. Die Drehleiter wurde von Quedlinburg nach Gernrode umgesetzt, der Hubsteiger blieb als zweites Höhenrettungsgerät in Quedlinburg stationiert.

Bevor diese Lösung auch praktisch umgesetzt wurde, ließen die Quedlinburger ihre 1983 gebaute Drehleiter im Jahr 2011 für knapp 100 000 Euro generalüberholen. Notgedrungen, weil die Leiter bei einem Einsatz einen Totalschaden erlitten hatte. Dafür übergab der damalige Quedlinburger Stadtwehrleiter Karl-Heinz Mausolf Ende 2011 im Beisein von Oberbürgermeister Eberhard Brecht (SPD) ein faktisch neuwertiges Fahrzeug an die Gernröder. Und das holten die Quedlinburger nun, nachdem die Verfassungsrichter die Eingemeindung gekippt hatten, zurück ins eigene Depot.

Ein Schritt, mit dem sie bei den zuständigen Behörden "einen Aufschrei auslösten", wie Wolfgang Scheller sagt. "Die Aufsichtbehörde hat für mehr als 15 Gebäude Nutzungsverbote angekündigt." Maßgebliche Gründe seien dabei eben jene Gebäudehöhen gewesen und die Tatsache, dass sowohl von Thale und Quedlinburg als auch von Ballenstedt aus die dortigen Drehleiter-Fahrzeuge nicht innerhalb der zwölfminütigen Rettungsfrist vor Ort sind.

"Wir hatten akuten Handlungszwang", sagen Scheller und Kunze unisono. Und sie fanden - auf Bitte von Bürgermeister Kunze - eine pragmatische Lösung: Eine Zweckvereinbarung, wonach das Drehleiterfahrzeug bis 30. Juni wieder in Gernrode stationiert wird. Kostenlos, wie Scheller sagt, allein für die Betriebsstoffe müssten die Nutzer sorgen.

Eine Entwicklung, die die Feuerwehrleute mit gemischten Gefühlen beobachten. Stadtwehrleiter Mike Possekel erinnert in einem offenen Brief an das Zusammenwachsen der vier Feuerwehren, die nun wieder auseinandergerissen würden. "Die Verantwortlichen in den drei Orten tragen den Streit auf dem Rücken der Feuerwehrleute aus und beschädigen das Ehrenamt", sagt Wehrchef Possekel.