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Museen Ein Lesender fürs Gleimhaus

Was passt besser in ein Museum wie das Gleimhaus Halberstadt, das auf einen Dichter zurückgeht, als das Bild eines lesenden Mannes?

Von Sabine Scholz 18.12.2018, 13:00

Halberstadt l „Unsere Wunschliste ist 2012 um ein Vielfaches gewachsen“, sagt Ute Pott, Direktorin des Gleimhauses. In jenem Jahr fand sich eine Auflistung der Gleimschen Sammlung. Und die war weit umfänglicher als das, was die Erben im Haus behielten.

„Gleim besaß zum Beispiel eine große Gemäldesammlung, nicht nur die Porträts der Dichter und Gelehrten, mit denen er korrespondierte“, ergänzt Reimar Lacher und stellt derweil ein kleines Bildnis auf eine Staffelei. Der Kunsthistoriker freut sich, eine Neuerwerbung präsentieren zu können, die Yvonne Kolbe stellvertretend für die Optikerkette Fielmann überreichte. Das auf Holz gemalte Bild zeigt eine Charakterstudie, das Bild eines Lesenden. Gemalt wurde es 1768 von Benjamin Calau (1724-1785).

Calau war auch als Porträtist für Gleim tätig. So stammt das Bild von Gleims Nichte von dem in Friedrichstadt (Schleswig) geborenen, dann in Leipzig und Berlin lebenden Maler. 1709 schuf er eine Reihe der Bildnisse für den „Freundschaftstempel“ Gleims. „Mit Gleims Nachlass wurde nur dessen Porträtgemäldesammlung der Dichter und Denker seiner Zeit aufbewahrt, seine Sammlung von Gemälden alter und neuer Meister dagegen wurde versteigert“, berichtet Reimar Lacher. So besaß Gleim die Darstellung eines Charakterkopfes von Calau, die aber ebenfalls zu den verkauften Bildern der Sammlung gehört. „Das nun erworbene Gemälde ersetzt diese Darstellung“, so Lacher.

Das Bild ist eine Schenkung der Fielmann AG, die bereits mehrfach das Gleimhaus unterstützt hat. So wurde eine Gemälderestaurierung und die Restaurierung einer Wachspuppe, die den von Gleim verehrten Preußenkönig Friedrich II. darstellt, von der Stiftung finanziert. „Auch beim Ankauf von Bildern hilft uns Jürgen Ostwald, der im Auftrag der Fielmann AG kleinere und mittlere Museen unterstützt“, sagt Lacher.

Zielsetzung des Hauses sei, von jedem Bereich der Gleimschen Sammlung wenigstens ein Beispielwerk zu besitzen, ergänzt Ute Pott. Ein Anliegen, das Jürgen Ostwald gerne unterstütze. „Das Schöne bei dieser Zusammenarbeit ist, dass Fielmann jeweils allein als Förderer auftritt, also keine Eigenanteile aufgebracht oder Mitfinanzierer ins Boot geholt werden müssen, das erleichtert das Ganze ungemein. Und wir können uns immer wieder melden, wenn uns etwas interessiert“, so Pott.

Die Neuerwerbung zeigt einen lesenden Mann, sehr detailliert in der Darstellung. „Er trägt häusliche Kleidung, ist schlecht rasiert und trägt eine Brille. Niemand hätte sich im 18. Jahrhundert so abbilden lassen. Das zeigt, dass es hier um das Lesen an sich geht, weniger um den Mann, der da liest“, erläutert Kunsthistoriker Lacher. Die Brille ist ein einfacher Draht, in den die Linsen eingesetzt wurden, erkennt Fachfrau Yvonne Kolbe. Doch das ist nicht das einzige Spannende an dieser Erwerbung. Auf der Rückseite des Gemäldes findet sich eine weitere Malerei, ebenfalls von Benjamin Calau. Auch das wohl eine Charakterstudie.