"Eine Heldin zu sein wäre doch echt cool"
Brücken zwischen den Kulturen sollen sie bauen: Die Stipendiaten der Start-Stiftung. Aus Sachsen-Anhalt wurden fünf Schüler in die Förderung aufgenommen. Die Hermsdorferin Ariana Sher ist eine von ihnen
Hermsdorf l Was würdet ihr tun, wenn ihr monatlich 100 Euro Taschengeld bekommen würdet? Und was wäre, wenn ihr dann noch 500 Euro zur Verfügung hättet? Einfach so? Bis zum Schulabschluss.
"Fahrkarten kaufe ich mir davon", sagt Ariana Sher. Die 15-Jährige lebt in Hermsdorf. Während sie spricht, hält sie ihr Handy fest in der Hand. Sie lacht viel und denkt manchmal laut. Wenn sie spricht, redet sie wie ihr der Mund gewachsen ist aber nicht unüberlegt.
Ariana stammt aus Afghanistan. Ihre Familie flieht, als sie ein Jahr alt ist. Das war noch vor dem 11. September, dem Angriff auf das World-Trade-Center und die Jagd auf Osama Bin Laden. Damals regieren die Taliban in dem Land am Hindukusch: "Die Flucht war hart. Mein Vater hat mir manchmal erzählt, dass es sehr schwer war, meine Mutter und mich nach Deutschland zu bringen", sagt Ariana.
Seit 14 Jahren lebt sie schon in Deutschland. Ihre Schwestern wurden hier geboren. Sie gehen hier zur Schule. Man hört nicht, dass Deutsch nicht Arianas Muttersprache ist. Nur manchmal sucht sie nach Worten. Nicht, weil sie sie nicht kennt, sondern weil sie nicht sicher ist, ob man das so sagen kann.
Afghanistan hat sie noch nicht besucht. Kennt es nur aus Erzählungen. "Meine Mutter erzählt mir von den schönen Bergen und den alten Häusern, die es dort gegeben hat. Dann wird sie manchmal ganz traurig", sagt Ariana. Gern würde sie das Land einmal besuchen. Nur jetzt noch nicht. "Dort ist es nicht sicher. Meine Mutter sagt, dort würden Kinder", und Ariana sucht nach dem passenden Wort: "mißbraucht."
"Ich habe mich wie ein ausländischer Magnet gefühlt."
Ariana Sher
Sie lebt gern in Deutschland. Ob Hermsdorf oder Frankfurt am Main ihre Heimat ist, kann sie nicht genau sagen. In Frankfurt lebt Arianas Vater. Ihre Eltern sind geschieden. Die Mutter wollte zur Tante ziehen, die lebt in Hermsdorf. "In Frankfurt sind viele Freunde und ein großer Teil meiner Familie", erklärt sie. Aber auch in Hermsdorf fühlt sie sich wohl. Gerne geht Ariana in Wolmirstedt auf das Gymnasium. "Als ich in der fünften Klasse dort hingekommen bin, war ich ein bisschen wie ein ausländischer Magnet", verrät sie und schmunzelt.
Die Schüler haben sich sofort für sie interessiert. So lernte sie schnell viele Freunde kennen. Schlechte Erfahrungen hat sie nicht gemacht. Mit ihrer besten Freundin engagiert sich Ariana in der Schülerzeitung. "Meine Lehrerhin hat mir gesagt, dass ich dort meine Rechtschreibung verbessern kann. Außerdem kriege ich vielleicht schneller einen Studienplatz durch das Engagement", so Ariana.
Medizin möchte sie studieren. Vielleicht in Magdeburg. "Ich weiß noch nicht so genau, wohin ich möchte. Nur Medizin, dass möchte ich unbedingt studieren", erklärt sie. Ihr Ziel: Menschen helfen und Kranke gesund machen. Vielleicht auch eines Tages mal in Afghanistan. "Dort sucht man ganz dringend Ärztinnen. Frauen möchten sich nicht von Männern behandeln lassen", weiß Ariana. "Vielleicht bin ich dann für einige eine Heldin. Eine Heldin zu sein wäre doch echt cool", sagt sie.
Für ihr Engagement wurde Ariana im Oktober von der Start-Stiftung in das Förderprogramm aufgenommen. Die Stiftung fördert Jugendliche mit Migrationshintergrund. "Anfangs haben mich meine Freunde gefragt, warum die nur Ausländer fördern", erzählt Ariana. Und sie gibt zu: "Das habe ich mich auch gefragt." Doch sie weiß auch: "Ausländer haben es oft schwer, aus sich etwas zu machen. Die Stiftung bietet deshalb Sprachtrainings, Rhetorikkurse oder Seminare über Studium und Berufe."
Sie hat sich extra für ein Seminar über Neurochirurgie beworben. "Da lernt man, wie man operieren muss und was alles möglich wäre", sagt sie.
Neben der Förderung wird Ariana aber auch gefordert: Die Stiftung unterstützt die Stipendiaten unter der Auflage, sich mit Deutschen gemeinsam zu engagieren. Die Idee findet Ariana ein bisschen skurril: "Einerseits ist es doch eine riesen Aufgabe, Brücken zwischen den Kulturen zu bauen. Andererseits auch wieder nicht, weil es doch ganz natürlich ist, dass ich mit meinen Mitmenschen umgehe", meint sie.
Überhaupt ist das Konzept von Migrationshintergrund für sie nicht so wichtig. "Ich lasse die Migration in den Hintergrund treten. Lieber achte ich auf meine Mitmenschen. Darauf, wer sie sind und wie es ihnen geht. Woher da jemand kommt ist mir ehrlich nicht wichtig", sagt Ariana und schmunzelt.