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Geschichte Eine Stadt zwischen Leid und Glanz

Das Museum Halberstadt hat die Geschichte in 52 Minuten zusammengefasst. Der Film hat auf dem Holzmarkt Premiere.

Von Sandra Reulecke 08.08.2018, 01:01

Halberstadt l „Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“ Diese Frage richtet sich nicht an einen Menschen, sondern an eine ganze Stadt – an Halberstadt. „Ich habe oft das Gefühl, dass viele Halberstädter ihre Stadt nicht wirklich schätzen, ihnen der Stolz fehlt“, sagt Simone Bliemeister, Vize-Chefin des Städtischen Museums. „Aber so ist das ja oft mit Dingen, die für einen selbst alltäglich sind. Man sieht oft nur das, was fehlt, und nicht das, was schon geschafft wurde.“

Doch das möchten die 50-Jährige und das Team des Museums nun ändern. Sie wollen die Bürger mit auf eine Reise nehmen. Eine filmische Reise durch 100 Jahre Stadtgeschichte unter dem Titel „Zwischen Apokalypse und Euphorie“. Simone Bliemeister hat sie in monatelanger Arbeit zusammengestellt.

Die Halberstädterin hat große Ereignisse der Stadt aufgearbeitet, in Unterlagen gewälzt und eigene Erinnerungen heraufbeschworen. Unzählige Fotos und Filmsequenzen hat sie durchgeschaut und am Computer zusammengefügt. Viele, bislang ungezeigte Aufnahmen, die dem Museum von Privatleuten geschenkt wurden. Manches Erbstück ist dabei, das die Generationen überdauert hat.

„Wir beginnen in der Zeit, als Halberstadt als ‚Rothenburg des Nordens‘ bezeichnet wurde.“ Die Zuschauer bekommen historische Bilder von imposanten Fachwerhäusern zu sehen, von einer lebendigen Innenstadt, durch die schick gekleidete Menschen spazieren. Doch schon wenige Momente später ändert sich das Bild. Menschen fliehen panisch vor herabstürzenden Ziegeln. Das Rathaus und alles in seinem Umfeld liegt in Trümmern. Von der einstigen Pracht ist nach dem Bombenhagel am 8. April 1945 nicht viel geblieben.

„Es gibt Bilder, bei denen ich schlucken musste, die mich sehr berührt haben“, sagt Simone Bliemeister. Mit belegter Stimme spricht sie von einem Foto, das am Tag der Stadtzerstörung aufgenommen wurde. Ein Mann ist darauf zu sehen. Er liegt am Boden und hält ein Baby in den Armen. Beide tot.

Doch es sind nicht nur die traurigen Momente, die bei der Museums-Mitarbeiterin Emotionen wecken. Die Fotos, die bei den Demonstrationen kurz vor der politischen Wende aufgenommen wurden zum Beispiel. „Der Mut der Menschen damals beeindruckt mich noch heute.“ Eindrucksvoll sei auch der Tag gewesen, an dem Halberstadt „wieder ein Gesicht bekommen hat“. Das geschah 1998 mit der Errichtung eines neuen Zentrums. „An der Stelle war so viele Jahre nichts, Leere.“

Die Entwicklung, die Halberstadt im Laufe der Zeit gemacht hat, habe sie beeindruckt. Das möchte sie auch den Zuschauern vermitteln. „Wenn man sich zum Beispiel ansieht, wie sich der Graue Hof verwandelt hat. Zur Wende waren die Häuser noch Ruinen. Wir haben schon viel geschafft.“

Davon können sich die Halberstädter am Freitag, 17. August, bei einer multimedialen Großpräsentation überzeugen. Auf dem Holzmarkt, der selbst eine wechselvolle Geschichte aufweisen kann, feiert der Film Premiere. Unterlegt von Musik der jeweiligen Zeit, wird der 52-minütige Streifen auf Großleinwand gezeigt. Los geht es um 20 Uhr. „Es gibt ein Rahmenprogramm, bis es dunkel genug ist, dass der Film zur Geltung kommt.“ Der Langensteiner Spielmannszug unterhält die Besucher, es gibt Speisen und Getränke.

Bei einer einmaligen Vorführung soll es aber nicht bleiben. Der Film kann nach der Premiere für sieben Euro erworben werden. Und er wird – ergänzt um Tonspuren mit extra eingesprochenen Texten – im Städtischen Museum gezeigt. Er ist Auftakt und gleichzeitig Bestandteil einer Sonderausstellung, die das Museum im Rahmen der Schatzjahre vorbereitet hat. Start ist am 20. Oktober. Unter dem Titel „70-30-20. Zwischen Apokalypse und Euphorie. Stadtbild zwischen Untergang und Wiedergeburt“ werden drei Jubiläen der jungen Stadtgeschichte in der Schau beleuchtet.

Die 70 steht für das Jahr 1948 und die Aufbau-Ausstellung. „Das war drei Jahre nach dem Bombenangriff. Es gab keine Hilfe für die Halberstädter. Die Leute hungerten, es fehlten Wohnungen“, sagt Simone Bliemeister. „Aber sie haben zusammengehalten und angepackt, damit es mit Halberstadt wieder vorangehen konnte.“

Die 30 bezieht sich auf die Zeit um die politische Wende und die friedlichen Demonstrationen, die im Vorfeld in Halberstadt stattfanden. „Ohne die Wende würde die Stadt nicht so aussehen, wie sie es heute tut“, betont die Vize-Museumschefin.

Die 20 ist der Eröffnung des neuen Stadtzentrums samt Rathaus gewidmet.