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Stromversorgung Schildbürgerstreich? Stromkabel kommen unter die Erde, Strommasten müssen stehen bleiben

In Emersleben im Harz werden Strom-Anschlüsse für Haushalte aus DDR-Zeiten unter die Erde verlegt. Die Leitungen für die Straßenbeleuchtung bleiben aber als Freileitung.

Von Sabine Scholz Aktualisiert: 6.5.2021, 11:01
Blick in die Finkenstraße Emerslebens (Landkreis Harz)  mit den Freileitungen für die Stromversorgung. Die Halberstadtwerke wollen demnächst Erdkabel verlegen.
Blick in die Finkenstraße Emerslebens (Landkreis Harz) mit den Freileitungen für die Stromversorgung. Die Halberstadtwerke wollen demnächst Erdkabel verlegen. Fotos: Sabine Scholz

Emersleben. „Das ist doch ein Schildbürgerstreich“, sagt Enrico Rheinschmitt. Grund für sein Unverständnis sind die Betonmasten, an denen die Stromleitungen hängen, die in einigen Straßenzügen Emerslebens noch als Freileitungen Elektrizität in jedes Haus bringen. An vielen Giebeln sind die Übergabepunkte zu sehen.

Künftig sollen diese Übergabepunkte im Keller liegen. Die Halberstadtwerke planen, die aus den 1970er Jahren stammenden Freileitungen durch Erdkabel zu ersetzen. „Die Hausanschlüsse werden neu und sind dann normenkonform“, sagt Tobias Abram-Hohnl. Was für den Kunden mehr Sicherheit bedeutet, so der Fachbereichsleiter Elektrizitätsversorgung bei den Halberstadtwerken.

Anschlüsse noch aus DDR-Zeiten

Natürlich wisse man, dass mit der kostenlosen Erneuerung der Hausanschlüsse für den Kunden trotzdem Kosten verbunden sind. Denn was innerhalb des Hauses an Änderungen erforderlich ist, muss ein vom Besitzer beauftragter Elektriker vornehmen.

Was manche Anwohner allerdings überfordert, gibt Enrico Rheinschmitt mit Blick auf einige seiner älteren Nachbarn zu bedenken, die zum Teil noch Sicherungskästen aus DDR-Zeiten in ihren Häusern haben. Was für die Fachleute der Halberstadtwerke ein weiterer Grund ist, warum neue Technik zum Einsatz kommen sollte. Die eigene Sicherheit sei schließlich ein großer Mehrwert für den Kunden.

Mitarbeiter des Versorgers nehmen vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten jeden Hausanschluss in Augenschein, um zu sehen, welcher Aufwand für den neuen Anschluss erforderlich ist. „Man kann schließlich nicht jeden Raum für einen Hausanschluss nutzen“, sagt Mathias Fruth, Bereichsleiter Netze, Bau und Betrieb der Stadtwerke. „In einem Ölkeller zum Beispiel hat ein Elektroanschluss nichts verloren“, erklärt er.

Die Halberstadtwerke wollten mit den Erdkabeln die Anwohner von Finken- und Südstraße nicht ärgern, sie verfolgten schlicht das Ziel, eine größere Versorgungssicherheit zu erreichen.

Verteilerkästen machen Versorgung sicherer

Dazu gehört auch der Bau neuer Kabelverteilerkästen an den Straßen, von denen aus jedes einzelne Grundstück vom Stromnetz getrennt werden kann. Den Vorwurf, so schneller säumige Zahler bestrafen zu können, lassen die Stadtwerke-Mitarbeiter nicht gelten. „Wir haben in den vergangenen Jahren bei Hausbränden erlebt, wie wichtig es ist, das betroffene Grundstück schnell vom Stromnetz nehmen zu können“ berichtet Unternehmenssprecher Sebastian Hübner.

Abram-Hohnl ergänzt, dass durch die Erdkabel und Verteilerstationen die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen minimiert werde. Nicht damit erstmal alles neu sei, sondern weil Fehlerquellen besser abgegrenzt werden könnten. „Wenn die Störung in einem Zuleitungskabel liegt, müssen wir bei Freileitungen den kompletten Straßenzug abschalten. Mit den Erdkabeln können wir die Versorgung über eine andere Leitung absichern.“ Wenn die denn liegt.

Umschaltung dauert noch

Noch ist ein Ringschluss nicht gegeben, aber genau deshalb beginne man jetzt mit den Arbeiten. Die dienen der Vorbereitung für den Ausbau der Ratsstraße, die in absehbarer Zeit saniert werden soll. Dann werden dort auch die 15-kW-Mittelspannungsleitungen, also die Zuleitungen für das Ortsnetz, erneuert.

Damit die Baustellen überschaubar bleiben, seien in diesem Jahr bereits die jeweils rund 100 Meter langen Trassen der Süd- und Finkenstraße dran. Zurzeit laufen die Ausschreibungen, die eigentlichen Arbeiten lassen noch einige Wochen auf sich warten. Erst, wenn alle Hausanschlüsse und Erdkabel gelegt sind, werde nach rechtzeitiger Ankündigung die Versorgung umgeschaltet und die Kabelseile von den alten Betonmasten genommen. Die Masten selbst aber bleiben stehen.

Große Masten für kleine Straßenlampen

Weil sie weiter Stromkabel tragen. Zwei Kabel. „Schildbürgerstreich“, kommentiert Anwohner Rheinschmitt. „Warum kann man nicht gleich die Straßenbeleuchtungskabel mit in die Erde legen? So muss man alles doppelt und dreifach aufreißen.“ Das Warum können die Stadtwerke-Mitarbeiter nicht beantworten, man sei selbst immer interessiert, möglichst zeitgleich solche Tiefbauarbeiten auszuführen. „Wir haben unser Bauprogramm der Stadt gemeldet,“ sagt Hübner.

Was die Stadtverwaltung bestätigt. Mit der Erdkabelverlegung in Emersleben übernimmt die Stadt die verbleibenden Masten mit der daran montierten Straßenbeleuchtung. „Eine Mitverlegung bzw. Erneuerung der Straßenbeleuchtung wurde geprüft, ist aber aus verschiedenen Gründen derzeit nicht möglich“, sagt Oberbürgermeister Daniel Szarata.

Auf lange Sicht keine Veränderung geplant

Zum einen konnten die für neue Straßenbeleuchtungsanlagen erforderlichen rund 100.000 Euro nicht in die aktuelle Haushaltsplanung aufgenommen werden. Und weil diese Summe nicht im Investitionsplan steht, können die Kabel nicht gleich mitverlegt werden. Aus dem Teil des Etats, der laufende Kosten deckt, dürfen solche Arbeiten nicht finanziert werden.

„In der mittelfristigen Planung ist die Finkenstraße nicht Bestandteil von Straßenausbaumaßnahmen. Es existiert auch keine Planung der Straßenbeleuchtung, das heißt, bei einer Mitverlegung des Kabels könnten Schlaufen nicht an die zukünftigen Standorte verlegt werden“, benennt Szarata einen weiteren Grund dafür, dass „es leider nicht möglich ist, Synergieeffekte in Zusammenhang mit der Verlegung der Freileitung als Erdverkabelung zu erzeugen.“

Viele Häuser in Emersleben  haben noch ihre Stromzuleitung am Giebel.
Viele Häuser in Emersleben haben noch ihre Stromzuleitung am Giebel.
Foto: Sabine Scholz