Explosion Ermittler suchen Ursache

Nach der Explo­sion in der Sargstedter Siedlung in Halberstadt mit einem Toten suchen die Ermittler der Polizei nach der Ursache.

Von Dennis Lotzmann 27.02.2018, 11:00

Halberstadt l Akribisch untersuchen zwei Spurenermittler der Kriminalpolizei den Unglücks­ort. Von dem Wohnhaus, das bis Freitag an dieser Stelle stand, ist nicht mehr viel zu erkennen. Besteckteile, Werkzeuge und ein Nackenkissen sind unter Schutt und Trümmerteilen zu sehen. Seit 1994 ist Andreas Lehmann bei der Spurensicherung. Doch das Ausmaß der Explosion der Doppelhaushälfte in der Sargstedter Siedlung ist auch für den erfahrenen Ermittler nicht alltäglich. „Das hier gehört zu den Top Fünf“, sagt er nachdenklich.

Derweil kontrolliert Brand­ermittler Christoph Heicke das, was von der Heizungsanlage im Keller des Gebäudes – mittlerweile ein Krater – übrig geblieben ist. Ob sie oder lecke Leitungen die Ursache für die Explosion waren, die sich Freitagmorgen gegen 4 Uhr ereignet hat, ist noch nicht geklärt. Teile der Heizung und der Gasleitungen würden für weitere Untersuchungen der Kriminaltechniker sichergestellt, ergänzt Polizeisprecher Uwe Becker. Am Unglücksort selbst, so der Hauptkommissar, seien keine weiteren Ermittlungen nötig. „Das Areal ist in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft wieder freigegeben.“

Unklarheiten bestehen nach der heftigen Detonation nicht nur in diesem Punkt der Ursachenforschung – auch die Obduktion der Leiche, die nach mehreren Stunden Suche am Freitag im Keller gefunden wurde, steht noch aus.

Ein DNA-Test soll verbindlich klären, ob es sich um den 84-jährigen Bewohner handelt, der bei dem tragischen Ereignis ums Leben kam. Mit Blumen und Kerzen, die unter dem flatternden Absperrband der Polizei gestellt worden sind, haben Menschen ihre Anteilnahme und Trauer bekundet.

Von der Wucht der Gasexplosion ist auch die Nachbarschaft nicht verschont geblieben. Augenscheinlich müsse die andere Hälfte des Doppelhauses abgerissen werden, schätzt Andreas Lehmann ein. An mehreren Stellen ist der Blick ins Gebäude gänzlich frei, die Statik des Hauses ist massiv in Mitleidenschaft gezogen worden.

Auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite blieben mehrere Häuser nicht verschont. „Durch die Druckwelle wurden Eingangstüren eingedrückt“, berichtet Lehmann. Dächer wurden beschädigt, ebenso Rollläden, Trümmerteile liegen in Gärten. „Das ist schon beeindruckend – Dachziegel, die senkrecht in den gefrorenen Boden gerammt wurden“, sagt der Spurenermittler.

Doch wer haftet dafür, wenn ein Haus bei der Explosion eines Nachbargebäudes beschädigt wird? Für den aktuellen Fall in Halberstadt wollen Versicherungsunternehmer keine Auskünfte geben – zumal die Ursache noch ermittelt wird und dementsprechend noch nicht feststeht, ob Tragik, Fahrlässigkeit oder womöglich gar Vorsatz vorgelegen haben. Eine pauschale Antwort sei zudem nicht möglich, da die Verträge individuelle Klauseln beinhalten können.

„Grundsätzlich sollten sich betroffene Hausbesitzer zuerst an ihre eigene Versicherung wenden“, teilt die Pressestelle der Allianz mit. Bei Schäden am Gebäude hafte zunächst die eigene Gebäudeversicherung. Die Kasko-Versicherung greife bei Schäden an Fahrzeugen, die Hausrat-Versicherung bei Dingen, die im Haus oder im Garten beschädigt wurden.

Ähnlich heißt es bei den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA): „Für die Geschädigten ist es sinnvoll, sich an die eigene Versicherung zu wenden, um nicht von Dritten abhängig zu sein“, informiert ein Mitarbeiter. So könne der Schaden im Zweifel schneller reguliert werden.

Das bestätigt Damian Urbaniec: „Grundsätzlich gilt, dass Eigenversicherung erstmal vor Fremdversicherung geht.“ Entscheidender Aspekt dabei: Dann bekämen Opfer bei der Gebäudeversicherung in aller Regel den Neuwert des Verlustes ersetzt, so der 56-Jährige, der bei der Zurich-Versicherung als Versicherungsfachmann und Firmenspezialist arbeitet. Explosionsschäden seien bei Immobilienversicherungen zusammen mit Brand/Feuer eingeschlossen.

Gebe es einen konkreten Verursacher, holten sich die Versicherungen ihre an ihre Kunden ausgezahlte Entschädigungen vom Versicherer des Verursachers zurück. Diese Regressnahme passiere normalerweise geräuschlos und belaste die Geschädigten nicht weiter. „Nur wenn die Explosion vom Verursacher mit Vorsatz herbeigeführt worden ist, dürften die Regressforderungen der Versicherer ins Leere laufen.“ Davon geht die Polizei nach dem bisherigen Ermittlungsstand jedoch nicht aus. „Wir haben bislang keinerlei Anhaltspunkte für Fremdverschulden oder einen Suzid“, so Kripochef Frank Götze nach der Explosion.

Sollte sich die bislang vage Vermutung, dass die Ursache für die folgenschwere Explosion womöglich im Bereich des Gasanschlusses oder an der Heizungsanlage zu suchen ist, bestätigen, dürften sich indes Fragen von Wartung und Kontrolle stellen.

Danilo Rotter, bevollmächtigter Schornsteinfeger in der Stadt Ballenstedt, bestätigt, dass er und seine Kollegen Heizungen und Gasleitungenanlagen regulär nicht auf Lecks prüfen. „Gesetzlich gibt es nur die Vorgabe, je nach Typ in ein- bis dreijährigen Abständen Abgasmessungen durchzuführen. Nicht mal ein Wartungszyklus ist vorgeschrieben.“ Und mehr als einen kontrollierenden Blick werfe er bei seinen Gasstättenschauen und Abgasmessungen nicht auf die Gasheizung und Leitungen.

Es sei denn, der Kunde wünsche mehr. „Ratsam ist einmal jährlich ein fachmännischer Blick auf die Leitungen. Wir haben auch Sensoren, um ausströmendes Gas zu erkennen“, so Rotter. Das sei nicht teuer und könne – als haushaltsnahe Dienstleistung – steuerlich geltend gemacht werden.

Vorschrift sei hingegen alle zwölf Jahre ein kompletter Check des Gasleitungsnetzes samt Druckprobe. Dies könne ein Schornsteinfeger ebenso machen wie eine Wartungsfirma. Zudem sei seit 2008 bei Neuinstallationen ein Strömungswächter hinter dem Haupthahn Vorschrift: Sinke der Druck wegen eines großen Lecks, schließe er die Leitung automatisch, ebenso bei brandbedingter Hitze. Ihn nachzurüsten, sei ratsam.

Fakten, die Daniel Wosnitzka, Sprecher des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) bestätigt. „Letztlich ist es so, dass Eigentum verpflichtet und man sich selbst kümmern muss“, erinnert Rotter. So lange nichts passiere, wolle den Nachweis für die Druckprobe niemand sehen. „Aber wehe, wenn etwas passiert und man ihn nicht hat.“ Sein Tipp an Hausbesitzer: Das Gespräch mit Wartungsfirma oder Schornsteinfeger des Vertrauens.

Mehr Infomationen finden Sie hier.