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Filmdreh Gefährliche Spurensuche in Schierke

Gut einen Monat lang verwandelt sich Schierke in einen Drehort für einen Fernsehfilm. Der Roman „Schattengrund“ wird verfilmt.

Von Sandra Reulecke 10.12.2017, 09:04

Schierke l Das wenige Licht in Schierkes Kirche bündelt sich in dem engelsgleichen Gesicht eines regungslos dasitzenden Mädchens. Der Eindruck ihrer Makellosigkeit wird nur von einer blutroten Träne zerstört, die ihr über die Wange rinnt. Im Raum ist es unnatürlich still. Es wirkt, als würde Nebel durch ihn wabern. Doch es ist nur der Atem der Filmemacher, der in der eisigen Kälte sichtbar wird. Plötzlich wird geklatscht, die Szene ist im Kasten. Charlotte Banholzer, das Mädchen, springt lachend auf – und lässt sich schnell in eine dicke Jacke hüllen.

Während für die Siebenjährige der Feierabend beginnt, steht Josefine Preuß die nächste Szene bevor. Die zierliche junge Frau wirkt angespannt und nachdenklich, als sie das Gotteshaus betritt. „Die Szene ist besonders emotional“, flüstert Regiepraktikantin Wiebke Fritsch erklärend. Der Film ist alles andere als leichte Kost. In „Schattengrund“ versucht Josefine Preuß alias Nico den mysteriösen Tod ihrer Freundin aus Kindertagen aufzuklären – während ihr schier alle Bewohner des Harz-Dörfchens Siebenlehen mit Ablehnung entgegen treten.

Der Ort ist auf keiner Karte zu finden. Er wurde von Elisabeth Hermann für ihren 2012 erschienenen Roman „Schattengrund“ erdacht. „Schierke ist fast wie der Ort, der im Buch beschrieben ist. Hier sind die meisten unserer Hauptmotive vereint“, sagt Raimond Schultheis. Er ist nicht nur der erste Regie-Assistent, sondern auch derjenige, der den passenden Drehort entdeckt hat. Viele Harz-Orte habe er dafür erkundet, mit vielen Bürgermeistern gesprochen. Weit musste er nicht reisen. „Ich bin vor zehn Jahren nach Bad Lauterberg gezogen, die Heimat meiner Frau“, erläutert der 42-Jährige. Mittlerweile sei der Harz auch für ihn ein Zuhause.

Und von dem wird der Zuschauer eine Menge zu sehen bekommen. Besonders von Schierke. „Etwa 80 Prozent der Szenen sind hier entstanden“, informiert der Regie-Assistent. „Wer schon mal in Schierke war, erkennt den Ort auf jeden Fall wieder.“ Ebenso einige der Darsteller. Die Komparsen sind alle aus der Region, betont Schultheiß. Bei einem Dreh sind sogar 90 Laien zum Einsatz gekommen. „Es werden auch einige Lokal-Matadore, zum Beispiel aus Elend, zu sehen sein“, lässt er sich schon mal entlocken. 

Die Zusammenarbeit mit den Harzern habe sehr gut funktioniert. „Wir wurden mit offenen Armen empfangen“, so Raimond Schultheis. Das bestätigt Regiepraktikantin Wiebke Fritsch. Die 18-Jährige ist unter anderem für die Betreuung der Komparsen zuständig. „Die Leute waren sehr offen und interessiert. Sie haben, ohne zu meckern, stundenlang im Wald gestanden – trotz Kälte und Schnee.“

Ohnehin sei das Wetter die größte Herausforderung für den Dreh gewesen. Roman und Drehbuch spielen im Winter bei Schnee und Eis. Doch zu Beginn des Drehs vor rund einem Monat war davon nicht viel zu sehen. „Wir haben schon befürchtet, dass wir jahreszeitlich umschwenken müssen und haben angefangen, die Szenen mit Herbstlaub und -sturm zu drehen“, berichtet Raimond Schultheis. Doch glücklicherweise habe es dann angefangen zu schneien. Und damit die Übergänge der Szenen passen – es wird nicht chronologisch gedreht – wurde noch einmal vorn begonnen.

Was die Regie freut, ist für die Schauspieler eine Herausforderung. „Ich wusste ja, dass der Ort hier höher liegt und wir Winter haben. So schlimm habe ich es aber nicht erwartet“, sagt Oliver Stritzel lachend, während er sich über einem Heizlüfter die kalten Hände reibt.

Der Schauspieler ist zum ersten Mal im Harz. Und könnte sich vorstellen, noch einmal privat mit seiner Frau herzukommen. Denn neben dem Dreh bleibe nicht viel Zeit, die Gegend zu erkunden. „Wir sind sehr diszipliniert, gehen früh ins Bett und stehen früh wieder auf“, betont er. „Es ist ein unkonventioneller, freier Beruf, aber wenn man arbeitet, wird einem Disziplin abverlangt.“

Der 60-jährige Berliner spielt einen Pfarrer – dabei ist er privat nicht religiös, wie er verrät. „Meine Mutter ist katholisch und mein Vater evangelisch, sie konnten sich nicht einigen“, sagt er und grinst. An der Rolle habe ihn die menschliche Seite des Geistlichen gereizt.

Oliver Stritzel war in mehreren Tatort-Folgen zu sehen, spielte in dem Film „Das Vermächtnis der Wanderhure“ mit und schipperte mit dem Traumschiff zu den Cook Islands – bei durchaus angenehmeren Temperaturen, wie er sagt. Seine Stimme ist markant, als Synchronsprecher leiht er sie unter anderem Philip Seymour Hoffman.

Während sich Oliver Stritzel, Hauptdarstellerin Josefine Preuß („Rubinrot“, „Die Hebamme“) und Steve Windolf („Der 7. Tag“, „Das Geheimnis der Hebamme“) längst in der Filmbranche etabliert haben, steht Charlotte Banholzer noch ganz am Anfang ihrer Karriere. „Es ist mein zweiter Film“, berichtet die Siebenjährige. Obwohl sie nicht viel Text aufzusagen hatte, war sie aufgeregt, verrät sie.

An insgesamt fünf Drehtagen ist sie aus Berlin in den Harz gekommen – von der Schule hat sie dafür freibekommen. Wie sie sich als Schauspielerin geschlagen hat, werden ihre Freundinnen so schnell nicht erfahren. „Ich darf den Film selbst noch gar nicht sehen“, erzählt die Schülerin. Denn für eine Grundschülerin ist ihre Rolle in dem Thriller recht gruselig: Sie spielt eine Art Geist. „Ich erscheine Nico, um ihr zu sagen, was passiert ist.“