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Firmenschließung Windrad-Bauer geht die Puste aus

MWA, ein Halberstädter Zulieferer für die Windenergiebranche, macht dicht. Was sind die Gründe für die Firmenschließung?

Von Sandra Reulecke 04.09.2019, 01:01

Halberstadt l Das Internet ist schneller als die Realität: Wer dort die Mechanischen Werkstätten Anhalt GmbH (MWA) sucht, wird statt zur Halberstädter Firma direkt auf die Seiten der Neuenhauser-Gruppe weitergeleitet. Zwar gehört MWA dazu – doch das ist auf der Homepage nicht ersichtlich. Nicht mehr. Der Grund: Das Unternehmen, das Teile für Windräder herstellt, wird geschlossen.

„Am Freitag haben wir alle die Kündigung erhalten, zum 31. Oktober“, berichtet ein Halberstädter am Montag am Volksstimme-Lesertelefon. Seit 18 Jahren sei er bei MWA beschäftigt. Sich nun, mit beinahe 62 Jahren, noch einmal bei der Agentur für Arbeit vorstellen zu müssen, habe er sich nicht erträumt. Doch genau das habe er bereits getan, wie auch einige Kollegen. „Ich habe Glück, meine 45 Arbeitsjahre sind beinahe rum. Aber ich habe einige Kollegen, die sind um die 58, 59. Da wird es nicht einfach, neue Arbeit zu finden und um die Zeit bis zum Rentenalter zu überbrücken, ist es zu lange hin.“ Aber, so sagt der Halberstädter, für die meisten dürfte es in Zeiten von Facharbeitermangel angesichts ihrer Qualifikationen als Dreher und CNC-Fräser nicht zu lange dauern, einen neuen Job finden.

Immerhin müssen sie sich zunächst keine Sorgen um die Finanzen machen. „Wir können schon ab Mitte Oktober zu Hause bleiben, bekommen aber bis Februar Lohn. Und je nach Betriebszugehörigkeit werden uns Abfindungen bezahlt“, berichtet der 61-Jährige. „Ich würde lieber auf die Abfindung verzichten und bis ich in Rente gehen kann, weitermachen.“

Das Aus für die Firma sei nicht überraschend gekommen. „Früher hatten wir vier Schichten und mussten am Wochenende los, mittlerweile gibt es nur noch drei Schichten und die Wochenenden sind frei.“

Die Branche hat generell mit Einbußen zu kämpfen. „Im Jahr 2018 ist der Ausbau der Windenergie an Land stark zurückgegangen, 2019 setzt sich dieser Trend fort“, heißt es auf Windbranche.de. Herausgeber ist das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien.

Doch das sei nur das eine Problem, sagt Lutz Wolf, Vorstandsmitglied der Neuhauser-Gruppe. „Neben der mangelnden Nachfrage gibt es einen deutlichen Kostendruck.“ Die Konkurrenz, vor allem aus China, biete Preise an, mit denen deutsche Unternehmen nicht mithalten können.

Teilte das Unternehmen noch 2012 den Medien mit, dass 80 Mitarbeiter bei MWA beschäftigt sind, und der Jahresumsatz bei etwa 4,5 Millionen Euro liege, sind es jetzt nur noch etwa 30 Mitarbeiter.

Anfang des Jahres, so berichtet Wolf, sei noch einmal versucht worden, Kosten zu senken, um so konkurrenzfähiger zu sein. Im Klartext bedeutet das, dass innerhalb eines halben Jahres zehn Mitarbeiter gekündigt wurden. Doch das habe nicht gereicht. „Die Kollegen in Halberstadt waren ein gutes Team und haben wirklich alles versucht, aber es leider nicht geschafft“, so Wolf. „Uns bleibt keine andere Wahl, als uns aus Halberstadt zurückzuziehen.“

Es handele sich um einen geordneten Rückzug. „Der Betriebsrat und die Geschäftsführung haben einen Sozialplan verhandelt und unterschrieben“, teilt Lutz Wolf mit. Er sei zuversichtlich, dass die meisten Mitarbeiter zeitnah neue Anstellungen finden – so sei es bei zehn, die eher gekündigt wurden, auch gewesen. „Einige Kollegen können außerdem direkt in Rente gehen.“

Man bemühe sich, für die vier Auszubildenden Unternehmen zu finden, in denen sie ihre Lehren abschließen können. „Für drei sieht es schon sehr gut aus, für den vierten finden wir auch noch was.“

Wie das Vorstandsmitglied weiter sagt, wolle man zudem „mit der IHK vor Ort zusammenarbeiten“. Das ist bisher noch nicht geschehen, wie eine Volksstimme-Nachfrage beim zuständigen IHK-Sitz in Wernigerode zeigt.

Mit der Stadt Halberstadt steht Neuenhauser dagegen bereits in Kontakt, wie Wirtschaftsförderer Thomas Rimpler bestätigt. „Wir haben Unterstützung zugesagt, was den Verkauf der Maschinen und des Geländes angeht.“ Neuenhauser ist bereits dabei, beides zu vermarkten, informiert Lutz Wolf. „Die Halle ist in einem top Zustand und sehr modern“, betont er. Er sei optimistisch, dass sich schnell Interessenten finden. Das hofft auch Rimpler. Er bedauere, dass MWA geschlossen wird. Aber „das ist eine wirtschaftliche Entscheidung, die wir hinnehmen müssen“.

MWA stand bereits 2005 vor dem Aus. Damals übernahm Neuenhauser die insolvente Firma. Laut Volksstimme-Archiv investierte die Gruppe allein in den ersten zwei Jahren nach der Übernahme rund 1,5 Millionen Euro in den Halberstädter Standort.

Weltweit beschäftigt Neuenhauser nach eigenen Angaben rund 2800 Mitarbeiter in mehreren Firmen in Bereichen wie Umwelttechnik, Textilindustrie sowie Baugruppen- und Anlagenbau. Hauptsitz ist in Neuenhaus in Niedersachsen nahe der holländischen Grenze.