Künstler Walter Gemm Gemälde aus Fernseh-Show „Bares für Rares“ wird in den Rathauspassagen Halberstadt ausgestellt
Kontrastreich – dieses Wort beschreibt am besten die Ausstellungsstücke, die derzeit in Vitrinen der Halberstädter Rathauspassagen zu sehen sind. Bilder dokumentieren darin die wechselvolle Geschichte der Domstadt. Eines dieser Bilder hat jüngst dank einer Fernseh-Show Bekanntheit erlangt.
Halberstadt. Eine echte TV-Berühmtheit kann nun einen Monat lang, noch bis zum 8. Mai, in den Halberstädter Rathauspassagen bewundert werden. Bei ihr handelt es sich allerdings nicht um eine Person, sondern um ein Gemälde, das in mehrerlei Hinsicht ein besonderes ist. Seine Geschichte könnte glatt den Stoff für einen Film bieten: Zweiter Weltkrieg, öffentlichkeitswirksames Bietergefecht, eine rekordverdächtige Spendenaktion und das Leben eines Künstlers im Wandel der Zeit.
Walter Gemm, am 27. September 1898 in Halberstadt geboren, hatte das Gemälde gefertigt. Das Bild zeigt den Holzmarkt in seiner Heimatstadt – so, wie er 1930 noch aussah. Vor der Zerstörung am 8. April 1945, als ein Bombenhagel die Stadt erschütterte. Zu sehen sind kunstvolle Fachwerkbauten, mit Blumen geschmückt, flanierende Menschen, das Rathaus in seiner einstigen Pracht. Die Farben sind freundlich und leuchtend. Es wirkt, als habe der Zahn der Zeit der Malerei nichts anhaben können.
Das stellte sich noch vor wenigen Monaten ganz anders dar – als das Gemälde, 90 Jahre nach seiner Entstehung, mit einem Fernsehauftritt für Wirbel in der Harzer Kreisstadt sorgte. Es wurde am 22. September in der ZDF-Antiquitäten-Show „Bares für Rares“ zum Kauf angeboten. Ein Paar aus Hanau stellte das Bild, ein Erbstück des Vaters, den Händlern um Horst Lichter vor. Diese stellten fest, dass das Bild zwar schön sei, aber auch restaurierungsbedürftig: Eine Staubschicht ließ die Farben trübe wirken, Flecken waren zu entdecken, der Rahmen nicht passend. Dennoch ließ einer von ihnen, Christian Vechtel aus Münster, sich den Kauf nach einem kurzen Bietergefecht nicht entgehen. Für 600 Euro ergatterte er das Erbstück.
Spendenaktion in wenigen Tagen erfolgreich
Mit diesem Handel sollte die Geschichte nicht zu Ende seien, befanden einige Hal-berstädter. Sie wollten die Holzmarkt-Ansicht an den Ort seiner Entstehung zurückholen. Mit diesem Wunsch meldeten sie sich bei Daniel Szarata (CDU), der seit Januar das Oberbürgermeisteramt in Halberstadt bekleidet. Dieser wiederum holte den Geschichtsverein und das Städtische Museum mit ins Boot. Gemeinsam wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Innerhalb kurzer Zeit wurde das Spendenziel übertroffen. „Das ist wieder einmal ein deutliches Zeichen dafür, wie viele Halberstädter mit ihrer Stadt verbunden sind“, betont Volker Bürger, Vorsitzender des Geschichtsvereins, während der Eröffnung der Ausstellung in den Rathauspassagen.
Er dankt für das so gezeigte Engagement, dem es zu verdanken sei, dass das Bild vom TV-Händler gekauft und an die Quedlinburger Restauratorin Roswitha Dreysse übergeben werden konnte. Rund 3500 Euro habe beides gekostet – weniger, als bei der Spendenaktion zusammengekommen ist. Das mehr eingenommene Geld werde dafür verwendet, andere Gemm-Bilder, die zur Sammlung des Städtischen Museums gehören, aufarbeiten zu lassen, ergänzt Oberbürgermeister Daniel Szarata.
Restaurierung kostet Wochen
Es kostete Roswitha Dreysse wochenlange Arbeit, das ersteigerte Gemm-Bild von seinen Altersspuren zu befreien. Während der Restaurierung habe sie auch einiges entdeckt, was auf die Arbeitsweise Walter Gemms und dessen Lebensumstände hinweist, berichtet André Pohl. Er ist Mitarbeiter des Städtischen Museums, zu dessen Sammlung die nun auch die 1930er Holzmarkt-Ansicht gehört. Das Bild sei auf einer ganz einfachen Leinwand gemalt, die Farbe nicht besonders hochwertig. „Gemm war damals noch ein junger Maler und man darf nicht vergessen, dass die 30er Jahre eine Zeit des Mangels waren“, erläutert Pohl.
Er gehörte zu dem Team, das die Vitrine in der Krebsschere der Rathauspassagen für die Ausstellung vorbereitet hat. Zu dieser gehört nicht nur das ersteigerte Gemälde, sondern, am anderen Ende des Schaukastens zu sehen, ein weiteres Gemälde von Gemm.
Inferno in der Innenstadt auf Leinwand gebannt
Auch darauf ist der Holzmarkt abgebildet, aus der gleichen Perspektive, und dennoch zeigt es ein ganz anderes Bild. Datiert ist das Bildnis auf das Jahr 1945. „Gemm war am 8. April 1945 in Quedlinburg“, informiert André Pohl. Doch als der Künstler erfahren habe, was gerade in seiner Heimatstadt geschehe, sei er hingeeilt. Die Bilder des Schreckens, die sich Gemm da boten, habe er Farbe und Pinsel festgehalten. Es zeigt den Holzmarkt in Flammen und Trümmern, es ist düster, beängstigend. Die beiden Darstellungen seien ein Kontrastprogramm: „blühendes Leben“ gegen „den Herzstillstand der Stadt“, wie es Pohl zusammenfasst.
Zwischen den beiden Gemm-Bildern sind Fotos arrangiert. Sie alle zeigen das Zentrum Halberstadts und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat. Es wird an den Wiederaufbau vor rund 20 Jahren erinnert, an zuvor stattgefundene archäologische Grabungen. „Und wenn man vor die Rathauspassagen blickt, sieht man, was in den vergangenen 20 Jahren passiert ist“, sagt Center-Manager Enrico Burau. Als Hausherr sei er stolz, dass die Ausstellung in diesen Räumen gezeigt werden kann.
Es sei ein großer Wunsch vieler Halberstädter gewesen, dass das ersteigerte Gemälde an einem öffentlichen Ort präsentiert wird, sagt Daniel Szarata. „Zu Recht“, wie er ergänzt. Nach der Ausstellung werde es in die Gröpertor-Schule gebracht, in die Räume, in denen die öffentlichen Versammlungen des Harzer Kreistages stattfinden.