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In Deersheim können sich Besucher künftig auch allein auf einen historischen Dorfrundgang begeben Geschichten vom Rittergut bis zur Geflügelzucht

Von Mario Heinicke 05.11.2011, 05:23

Der Anfang ist gemacht: In Deersheim entsteht ein historischer Dorfrundgang. Am Mittwoch wurde an der Peter-und-Paul-Kirche das erste von 17 Informationsschildern befestigt.

Deersheim l Andere Dörfer wären sicher froh, wenn sie eine so ausführlich aufgearbeitete Ortsgeschichte hätten wie Deersheim. Aufzeichnungen des Kantors Johannes Mäntz (1873-1948) oder dessen Enkelin Dorlies Pieper (1920-1999) trugen dazu bei, dass Dr. Martina Birla für die Gemeinde zur 1025-Jahr-Feier 1993 eine 180 Seiten starke, gedruckte Ortschronik schrieb. Davon zehrte auch der etwa 15 Mitglieder starke Arbeitskreis Geschichte und Kultur in Deersheim bei seinem Vorhaben eines historischen Dorfrundgangs.

Spricht man von Deersheims Geschichte, so kommt heute Lebenden zuallererst die Geflügelzucht in den Sinn. Immerhin hatte zu DDR-Zeiten, bildlich gesprochen, jedes im Geschäft gekaufte Frühstücksei seinen Ursprung in Deersheim. Der Betrieb besaß internationalen Ruf. Aber Deersheim war schon in weit früherer Zeit etwas Besonderes, vor allem durch die Familie von Gustedt, die von 1406 bis 1945 das Rittergut führte. Werner von Gustedt war im 19. Jahrhundert Landrat in Halberstadt, derselbe mit der Tochter von Jérôme Bonaparte verheiratet, sogar die Königin Luise war vor etwa 200 Jahren bei den Gustedts in Deersheim. Geschichten über Geschichten ...

Walter Hirschelmann, früherer Lehrer, hatte kürzlich mit seinen Mitstreitern aus dem Arbeitskreis an einem Sonnabendvormittag einen Test-Rundgang unternommen. Zweieinhalb Stunden dauerte dieser - "und dabei haben wir nicht mal den Winkel geschafft". Was den Winkel betrifft, da wussten die Mitstreiter vielleicht sogar noch besser Bescheid als Lehrer Hirschelmann. Hier steht auf dem Hof Bekurts die Wiege der Deersheimer Geflügelzuchttradition, 1927 begründet. Das Gros des Arbeitskreises arbeitete früher in dem Betrieb, der dem Dorf zu DDR-Zeiten praktisch ein neues, modernes Gesicht gab.

Wenn es so viel aus der Geschichte zu erzählen gibt, ist es um so schwieriger, die schriftlichen Informationen auf den Häusertafeln im A4-Fomat auf den Punkt zu bringen. An die zehn Mal wurde das Geschriebene diskutiert und bearbeitet, bis die Endfassung stand. Jedes Arbeitskreismitglied hatte dabei die "Patenschaft" über ein bis zwei Häuser, zu denen in Chronik und Archiv recherchiert wurde. Von der Idee bis zur Umsetzung dauerte es immerhin zwei Jahre.

Der Deersheimer Geschichts-Arbeitskreis gehört zum Edelhofverein. Der Edelhof war früher der Sitz der Familie von Gustedt, deren Nachkommen Ruprecht und Gisela von Gustedt sich nach der Wende eine kleine Wohnung in Deersheim einrichteten, hier zeitweise wohnen und sich sehr im Arbeitskreis und für die Dorfgeschichte engagieren. Im altehrwürdigen Gutshaus hat heute auch die Heimatstube ihren Sitz, eingerichtet vom Arbeitskreis. Klar, dass dieses Haus beim historischen Rundgang die Nummer eins trägt. Der Edelhof ist das historische Dorfzentrum, hier soll der Rundgang starten und enden. Dazu wird noch eine große Informationstafel mit einem Ortsplan aufgestellt, und es sollen auch spezielle Flugblätter gedruckt werden, die Besucher zu den Häusern führen. Der Edelhofverein um Vorsitzenden Reinhard Böhland setzt sich zudem für die Neugestaltung des Dorfmittelpunktes ein.

"Deersheim ist unheimlich interessant", betont Walter Hirschelmann. Er wohnt heute selbst an geschichtsträchtiger Stelle gleich gegenüber der Peter-und-Paul-Kirche und bekommt mit, wie viele Auswärtige durch Deersheim spazieren und auch Fragen stellen. Künftig will der Arbeitskreis geführte Rundgänge anbieten und dies über die Osterwiecker Tourist- und Stadtinformation vermarkten. Das Kulturland-Osterwieck-Logo ist bereits mit auf den Häusertafeln abgebildet.