Hochzeit Heiraten in luftiger Höhe oder auf Schienen: So soll Halberstadt in der Gunst von Brautpaaren steigen
Halberstadt. Während Braut und Bräutigam sich das Ja-Wort geben, liegt ihnen ganz Halberstadt zu Füßen. Sie blicken über die Dächer der Stadt hinweg, der Wind lässt den Schleier flattern – hoch oben auf der Aussichtsplattform der Martini-Türme. Wenn es nach der Halberstädter Stadtverwaltung geht, könnte diese Szene bald Realität werden.
Und nicht nur diese: Trauungen während einer Straßenbahnfahrt durch die Domstadt oder im malerischen Kreuzgang der Liebfrauenkirche sind ebenfalls geplant, berichtet Nancy Schönknecht. „Wir prüfen aktuell geeignete Locations, um das Heiraten in Halberstadt noch attraktiver zu machen“, sagt sie.
Pandemie durchkreuzt Hochzeitspläne
Nancy Schönknecht ist nicht nur Stadtmarketing-Chefin, sondern auch eine Braut in spe. Eigentlich wollte die Halberstädterin schon im vorigen Jahr heiraten – doch wie so vielen Brautpaaren machte auch ihr Corona einen Strich durch die Rechnung. Im Spätsommer dieses Jahres, so hofft Nancy Schönknecht, wird sie nun doch endlich vor einen Standesbeamten treten können.
Seit 2019 plant die Marketing-Expertin ihren großen Tag. Und dabei sei sie auf die Idee gekommen, dass Halberstadt über „eine Vielzahl stimmungsvoller Plätze beziehungsweise Räumlichkeiten verfügt“, die sich für standesamtliche Eheschließungen anbieten würden. Aktuell sind diese lediglich im Rathaus am Holzmarkt möglich.
Andere Harz-Städte bieten da bereits mehr Abwechslung. In Wernigerode etwa heirateten laut Rathaussprecherin Ariane Hofmann voriges Jahr fünf Paare auf dem Brocken, eines in Schierke und 21 sagten im Schloss Ja. 359 Trauungen waren es insgesamt in der bunten Stadt am Harz, deutlich weniger als 2019. Da waren es 427 Trauungen.
Noch mehr Trauorte bietet die Blütenstadt Blankenburg. Dort ist Heiraten im historischen Rathaus, im Kleinen Schloss, im Barockgarten, im Großen Schloss, im Kloster Michaelstein und der Glasmanufaktur in Derenburg möglich.
Zusätzliche Konzepte für freie Trauungen
Einfach so festlegen könne eine Stadt Trauorte allerdings nicht, sagt Nancy Schönknecht. Dafür gebe es bindende Vorschriften und Vorgaben. Derzeit werde von der Verwaltung geprüft, ob diese bei den Wunschorten auch erfüllt sind. „Wichtige Kriterien der Prüfung sind zum Beispiel, dass ein neuer Eheschließungsraum gewidmet werden muss, daran sind bestimmte gesetzlich vorgegebene Bedingungen geknüpft“, erläutert sie. „Dabei geht es unter anderem um die würdevolle Ausgestaltung und die Kosten hierfür, um die Erreichbarkeit und die Parkmöglichkeiten, die Eigentumsverhältnisse und nicht zuletzt um die Datenschutzbestimmungen.“
Doch selbst, wenn Kreuzgang, Martini-Türme oder Straßenbahn nicht für standesamtlich Trauungen infrage kommen sollten, sind sie damit nicht automatisch für Brautpaare vom Tisch. Parallel arbeitete Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) zusammen mit dem Stadtmarketing und der Tourist-Information an einem Konzept für freie Trauungen in Halberstadt und den Ortsteilen, etwa auf dem Schäferhof in Langenstein.
Geplant sei, dass Heiratswillige künftig in der Tourist-Information Angebote und Auskünfte zu den Orten erhalten, wo freie Trauungen möglich sind. Zusätzlich sollen ihnen Kontakte zu Rednern, Fotografen und Co. vermittelt werden.
Positiver Nebeneffekt für die Stadtkasse
Mit den bisher genannten Orten seien die Ideen der Stadtverwaltung für Hochzeitsorte längst nicht erschöpft, betont Nancy Schönknecht. Die Entwicklung von Halberstadt zur Hochzeitsstadt sei ein fließender Prozess ohne ein festgesetztes Ende.
„Mir ist es wichtig, dass wir als Kreisstadt den Brautpaaren für ihren schönsten Tag im Leben auch unsere schönsten Kulissen zugänglich machen“, betont Daniel Szarata. „Freie Trauungen ersetzen zwar nicht den Gang zum Standesamt, aber die Brautpaare können ihren großen Moment ganz individuell nach ihren eigenen Wünschen gestalten. Und dafür wollen wir gern ein Angebot schaffen“, so das Stadtoberhaupt. Dass sich die Stadt mit freien Trauungen eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen würde, sei ein positiver Nebeneffekt.
38 Hochzeiten weniger als im Vorjahr
Damit sich das richtig lohnt, muss allerdings erst die „Heiratslust“ wieder steigen. Der hat Corona einen Dämpfer verpasst, wie die Zahlen aus dem Standesamt belegen. Waren es im Jahr 2019 noch 167 Paare – darunter vier gleichgeschlechtliche – die sich in Halberstadt trauen ließen, waren es 2020 dagegen nur 129, eines von ihnen gleichgeschlechtlich.
„Aufgrund der Pandemie gab es im Laufe des Jahres 2020, nachdem sich abzeichnete, dass die Pandemie unser gesellschaftliches Leben weiterhin beschäftigen wird, einige Verschiebungen in das Jahr 2021 oder zunächst auf unbestimmte Zeit“, berichtet Nancy Schönknecht.
Eine Entwicklung, die deutschlandweit zu beobachten ist. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, haben im ersten Halbjahr 2020 139.900 Paare geheiratet – 29.200 weniger als im Vorjahreszeitraum. Seit der Wiedervereinigung 1990 seien im ersten Halbjahr eines Jahres nur einmal noch weniger Ehen in Deutschland geschlossen worden, nämlich 2007 (138.800). Dass sei damals jedoch einer besonders beliebten Datumskonstellation in der zweiten Jahreshälfte zuzurechnen gewesen: Überdurchschnittlich viele Paare hätten sich für den 07.07.07 entschieden.
Die aktuelle Pandemielage habe auch Auswirkungen auf die Mitarbeiter des Halberstädter Standesamtes, wie Nancy Schönknecht informiert. Von den fünf Mitarbeitern seien derzeit zwei der Kolleginnen in Vollzeit und drei verkürzt tätig.
Ja-Wort unter Corona-Bedingungen
Verändert haben sich zudem die Rahmenbedingungen für die standesamtlichen Trauungen. Seit Beginn des zweiten Lockdowns werden zum Schutz der Brautpaare, ihrer Angehörigen sowie Gäste, aber auch der Standesbeamtinnen, nur fünf Personen im Eheschließungsraum zugelassen. In diese Personenzahl sind die Eheleute und die Standesbeamtin schon inbegriffen, wie Schönknecht erläutert. Über die ständigen Veränderungen darüber, was gerade zulässig ist und was nicht, würden sich die Paare oft selbst sehr gut informieren. Zudem sei das Bestandteil der Beratungsgespräche mit den Standesbeamtinnen.
Von dem Wunsch, zu heiraten, lassen sich immer mehr Paare nicht mehr von den Pandemie-Beschränkungen abschrecken, ist der Eindruck von Nancy Schönknecht. „Inzwischen leben wir seit einem Jahr mit dem Coronavirus und auch die Brautpaare haben sich darauf eingestellt. Es gibt weiterhin Eheschließungsanmeldungen, da allen bewusstgeworden ist, dass ein baldiges Ende der Pandemie nicht in Aussicht steht“, lautet ihre Erklärung. Obwohl es während der Trauung Einschränkungen gebe, heiße das nicht, dass aktuelle Hochzeiten so etwas wie „Eheschließungen zweiter Klasse“ seien. „Wenn auch zum Beispiel eine Gratulation per Händedruck im Anschluss an die Eheschließung nicht möglich ist, sind alle Kolleginnen des Standesamtes trotz dieser Umstände darauf bedacht, eine würdevolle und feierliche Umrahmung zu gewährleisten“, betont Nancy Schönknecht.