Verein "Notruf Ukraine - Polizisten helfen" organisiert seit zehn Jahren Hilfstransporte Hinter Zahlen stehen emotionale Erlebnisse
Der Halberstädter Verein "Notruf Ukraine - Polizisten helfen" feierte am Freitagabend in Osterwieck sein zehnjähriges Bestehen. 2002 organisierte er den ersten Hilfstransport nach Osteuropa in die Ukraine, mittlerweile auch nach Polen und Rumänien.
Osterwieck l Die nackten Zahlen lesen sich nüchtern: Etwa 1000 Tonnen Hilfsgüter im Wert von rund 2,8 Millionen Euro hat der Verein seit 2002 nach Osteuropa gefahren. Drei Krankenwagen gehörten dazu, 856 Krankenhausbetten, neun komplette Zahnarzteinrichtungen, 10 215 Kartons mit Verbauchsmaterial oder 1730 Rollstühle bzw. Rollatoren. Welche Emotionen sich aber hinter den Zahlen verstecken, veranschaulichte Janusz Marszalek am Beispiel eines jungen, behinderten Mannes aus seiner polnischen Heimatstadt Oswiecim, dessen Traum von einem Elektrorollstuhl der Verein erfüllen konnte. "Wenn sie die Freude des behinderten Mannes gesehen hätten ..."
Vereinsvorsitzender Ulrich Scholle nannte ein Beispiel aus der Ukraine: "Durch die Bereitstellung von Inkubatoren gelang es uns, im Jahr 2005 die Säuglingssterblichkeit im Krankenhaus Gaisin von 102 auf vier zu reduzieren. Zahlen, die einen stolz machen." Gaisin habe mittlerweile den Titel als bestausgerüstetes Krankenhaus im Bezirk Vinniza.
Seit vier Jahren besteht eine tiefe Freundschaft zu Janusz Marszalek, der damals Oberbürgermeister von Oswiecim, dem früheren Auschwitz, war und noch heute Vorsitzender eines Partnerschaftsrates der europäischen Gemeinden und Regionen ist. Dem Verein Notruf Ukraine brachte er die 1000-Euro-Spende eines Sponsors aus Oswiecim mit. "Das wird dem Verein bestimmt ein bisschen helfen."
Ohne Zweifel, wie Vereinsvorsitzender Ulrich Scholle durchblicken ließ. "In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass Hilfsorganisationen aufgrund fehlender finanzieller Mittel aufgeben müssen." Ohne Sponsoren gäbe es auch von Halberstadt aus keine Hilfstransporte. Unterstützung, die hier ganz unterschiedlich aussieht. Beispielsweise durch die Bereitstellung von Fahrzeugen durch Autohäuser und Speditionen. "Das ist keinesfalls selbstverständlich, wenn wir die zurückgelegten Kilometer betrachten." Bis zu 1840 Kilometer weit gehen die Transporte des Vereins. Auch die hochwertigen Hilfsgüter sind Spenden.
Geld für Hilfstransporte durch Catering erwirtschaftet
Neben den Beiträgen der 160 Mitglieder erwirtschaftet der Verein auch Geld durch eigene Arbeit. Zahlreiche Feierlichkeiten in der Region bis hin zum Sachsen-Anhalt-Tag werden durch Catering, also die Versorgung mit Essen und Trinken, begleitet. Es ist zugleich eine öffentlichkeitswirksame Arbeit. Vom 18. bis 20. Mai wird der Ukraine-Verein auch das Osterwiecker Lutherfest begleiten. "Das ist ein Muss", sagte Scholle.
Die Hilfstätigkeit beschränkt sich nicht mehr nur auf Osteuropa, wie der Vereinschef betonte. "Es gab Leute, die sagten, ihr fahrt 1700 Kilometer weit, aber auch zu Hause gibt es Menschen mit Problemen, die der Hilfe bedürfen." Der Ukraine-Verein ist jetzt Partner der Wärmestube in Halberstadt, und enge Kontakte gibt es nun auch zur Bahnhofsmission der Kreisstadt.
"Vor der Leistung des Vereins kann ich nur den Hut ziehen", sagte Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke). Und: "Wenn wir in Deutschland über vermeintliche Missstände klagen, dann klagen wir auf einem hohen Niveau. Es gibt Menschengruppen in Europa, denen es weitaus schlechter geht."
Auch Bernhard Petzold, Dezernent der Kreisverwaltung, würdigte die Arbeit. Einen besonderen Dank sprach Juri Denko aus. Er ist Chefarzt des Krankenhauses in Sambir und weilte vergangene Woche mit einer siebenköpfigen ukrainischen Delegation als Gast des Ukraine-Vereins im Landkreis. "Ich hoffe, dass unsere Zusammenarbeit weiter geht", sagte er. "Dadurch können wir unseren Patienten eine bessere medizinische Versorgung bieten."
Osterwiecks Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ wertete es als große Wertschätzung, dass der Einladung des Vereins so viele Personen gefolgt waren. Vom Engagement des Ukraine-Vereins profitiere letztendlich auch das Kulturland Osterwieck.