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Hochwasserschutz Kein absoluter Schutz vor Überflutung

Die Ilse und ihre Hochwassergefahr sind ein Dauerbrenner in Berßel. Die Thematik bescherte dem Ortschaftrat ein volles Haus.

Von Mario Heinicke 29.08.2018, 13:05

Berßel l Zwei Hochwasserschutzbauten für Berßel stehen noch aus. Um über Details der geplanten Anlagen zu sprechen, kamen Roland Möhring vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Planer Dirk Meyer vom Büro Hartung und Partner am Montagabend zur Ratssitzung ins Sportlerheim. Wobei Ortsbürgermeister Jürgen Seubert (parteilos) auch die Einwohner mit den Fachleuten diskutieren ließ.

Bereits 2012 war das Bauvorhaben „Knick“ fertiggestellt worden. „Wir haben festgestellt, dass der Hochwasserschutz an dieser Stelle funktioniert“, erklärte Möhring nach Auswertung der Flut 2017. Allerdings war das Dorf im Juli vorigen Jahres in den Bereichen Brockenblick, Bäckergarten und Lange Straße aufs Neue unter Wasser gesetzt worden, weil hier eben die geplanten Schutzbauten noch fehlen.

Jetzt im Herbst soll nun zunächst ein Leitdeich auf halber Strecke zwischen Wasserleben und Berßel errichtet werden, bis zu 80 Zentimeter hoch. Kein Staudamm, wie Dirk Meyer betonte, sondern das Wasser, das über den Acker auf Berßel zufließt, würde zurück ins Flussbett der Ilse geleitet werden. Damit soll das Wohngebiet Brockenblick geschützt werden.

Keinen verbindlichen Zeitplan gibt es für das Vorhaben Bäckergarten. Das Landesverwaltungsamt habe einen Planfeststellungsbeschluss für September avisiert. Eine konkrete Zeitschiene, so Möhring, könne es aber erst geben, wenn der Beschluss öffentlich ausgelegen hat und keine Klage eingegangen ist. Am Bäckergarten soll von der Wasserlebener Brücke bis hinters Schützenhaus durch Winkelelemente eine Mauer errichtet werden, dem schließt sich eine Verwallung an, die auf einer Wiese ausläuft. Der nachfolgende Sportplatz, so wurde berichtet, werde nicht geschützt und sei weiterhin Überflutungsfläche.

Was die Berßeler Hochwasseropfer vor allem ärgert, sind die langen Zeiträume, bis etwas passiert. Vor 2017 gab es 1994 und 2002 zwei schwere Überschwemmungen. Zumal Planer Dirk Meyer berichtete, dass bereits 2014 die Unterlagen für die beiden ausstehenden Vorhaben beim Landesverwaltungsamt eingereicht worden seien. Er warnte jedoch davor, der Behörde den Schwarzen Peter zuzuschieben. „Das sind Verwaltungsabläufe, die sind so wie sie sind. Die können wir auch nicht beeinflussen.“ Es seien vor allem naturschutzrechtliche Fragestellungen zu klären gewesen. Und Berßel sei längst nicht die einzige Kommune, für die Verfahren laufen.

„Es hat alles eine Historie“, blickte Meyer zurück. 1999 habe man begonnen, die Überschwemmungsgebiete zu ermitteln. Dem sei eine Schwachstellenanalyse gefolgt. 2010 sei die Ilse vermessen worden, zugleich die Grundlage für die Planungen der Berßeler Schutzanlagen. Maßstab für die Höhe der Bauten sei ein statistisches hundertjährliches Hochwasser, so Meyer, darauf seien noch 50 Zentimeter Sicherheitsaufschlag gegeben worden. Freilich könnte man noch mehr machen, „aber dann geht es ums Geld“. Die Fördertöpfe würden sich nur am hundertjährlichen Hochwasser orientieren.

Spätestens hier setzt die Kritik der Berßeler an. Früher, also zu DDR-Zeiten, sei die Ilse regelmäßig ausgebaggert worden. Jetzt aber komme das Flussbett immer höher. Was die Fachleute auch nicht in Abrede stellten. Nach der Gewässerschau in diesem Frühjahr sei daher verabredet worden, eine neuerliche Vermessung vorzunehmen, um die Veränderungen zu 2010 festzustellen. Einen Termin dafür gibt es aber noch nicht, sagte Roland Möhring. Seit der Flut 2017 seien bereits an einigen Schwerpunktstellen Sedimente aus dem Flussbett geholt worden. Darüber hinaus seien umgestürzte beziehungsweise davon bedrohte Bäume geborgen worden. Nach Einschätzung vieler Berßeler aber immer noch zu wenig.

Meyer und Möhring verwiesen darauf, dass für größere Eingriffe Genehmigungen kaum zu bekommen seien. Meyer: „Es ist nicht so einfach. Es gibt viele Gesichtspunkte, die zu berücksichtigen sind.“

Von den Berßelern kamen noch einige Bedenken und Hinweise. So traut man nicht der Haltbarkeit des alten Ilse-Damms zwischen geplantem Leitdeich und Berßel. Dieser war bei einer Flut schon mal gebrochen. Und man wünscht sich, die Engstelle der alten Eisenbahnbrücke vor Osterwieck abzureißen.

Absolut sicher fühlen sich die Brockenblick-Bewohner mit dem baldigen Leitdeich offenbar nicht. Planer Meyer sagte denn auch: „Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz gibt es nicht. 2017 hatten wir eine extreme Wassermenge. Das war jenseits dessen, was jetzt in die Planung eingeht.“