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Museum Im Dunkeln durch die Stadtgeschichte

Zum 87. Geburtstag wartete das Heimatmuseum Osterwieck mit einer außergewöhnlichen Führung auf - eine nächtliche.

Von Mario Heinicke 13.12.2017, 10:33

Osterwieck l Sie war eine Art Testlauf, diese Führung durch das nächtliche Heimatmuseum. Licht gab es nur durch (LED)-Kerzen in den Räumen, das Straßenlicht vom Markt und kleinen Lämpchen, die Museumsleiterin Christine Krebs vor dem Start an die Gäste verteilte.

Derlei Führungen sollen fortan über die Touristinformation angeboten werden.

Die Premiere bot noch zwei Besonderheiten. Zum einen fand sie genau am 87. Geburtstag des Heimatmuseums statt. 1930 war es von Fritz Gille und Paul Eisert im alten Rathaus begründet worden. Zum anderen war es für Christine Krebs der letzte Arbeitstag im Museum vor dem Ruhestand. Seit 2001 war sie hier tätig. Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (parteilos/Buko) und Ortsbürgermeister Ulrich Simons (CDU) dankten ihr besonders. „Es war eine superschöne Zeit“, betonte Krebs, um aber sodann in die ihr während der Führung zugedachte Rolle zu wechseln.

Im Kostüm der Agnese von Gustedt, einer streitlustigen Frau aus der Stadtgeschichte, führte sie durch die Räume und hatte allerlei erstaunliche Informationen für die Besucher. Etwa, dass das Rathaus schon im 13. Jahrhundert bestand und 1554 umgebaut wurde. Und dass auf der 1580 eingelassenen Wendeltreppe Zar Peter I. hinauf in den Ratssaal ging. Er hatte in Osterwieck Waffen gekauft, die heute noch in der Waffenkammer des Moskauer Kremls liegen sollen. Und auch Königin Louise war 1805 im Osterwiecker Rathaus, bevor sie in Deersheim bei der Familie von Gustedt empfangen wurde.

Das Heimatmuseum bietet außergewöhnliche Kostbarkeiten. So die Ratstabula, die alle Osterwiecker Bürgermeister und Ratsherren von 1277 bis 1933 auflistet. Oder den Hochzeitsteller von 1480. „Das ist schon etwas Besonderes“, betonte Christine Krebs.

An dieser Museumstour sind als weitere Besonderheit drei Stadtführer beteiligt. Willfried Engelke berichtete im historischen Kostüm eines Kaufmanns über die sieben Gilden, die in der im Mittelalter reichen Stadt Osterwieck existierten. Er zitierte aus dem Stadtbuch von 1354, in dem die Regeln für das Zusammenleben der Bürger festgeschrieben wurden. Eine Art Gesetzbuch.

Ulrich Katzorke stellte einen Osterwiecker Bürger dar, der sich seinerzeit gegen die Obrigkeit auflehnte. Brand Schmalian wurde dafür 1614 vor den Toren der Stadt auf einem Scheiterhaufen hingerichtet wurde. Alte Akten und mehr sind im Museum ausgestellt. Als gelernter Handschuhmacher blickte Katzorke auch in die blühende Vergangenheit dieser Zunft zurück. Bis nach Amerika wurden Handschuhe aus Osterwieck geliefert. Die größte Fabrik hatte bis zu 1000 Beschäftigte.

Ritter Lippold von Rössing kam als Dritter zum Zuge, dargestellt von Gerhard Schmuck. Das Epitaph des Ritters befindet sich in der Stephanikirche. Sohn Ludolph ließ später den Bunten Hof erbauen. Die Wirtschaft in Osterwieck boomte vor 500 Jahren, berichtete Schmuck. So wurde hier auch Ausrüstung für die Armeen der Könige von Frankreich und Spanien hergestellt.

Ein Höhepunkt war schließlich der Besuch der Waffenkammer, die einiges altes Kampfgerät zeigt. Dazu gehört die Hellebarde eines Nachtwächters, der bis 1920 noch durch Osterwieck gelaufen ist, wie Christine Krebs berichtete.

Die Waffenkammer war historisch gesehen eigentlich die Schatzkammer der Stadt. Sieben Schlösser hat die Tür, jeder Ratsherr besaß früher einen. „Wir brauchen heute keine Schatzkammer“, merkte Bürgermeisterin Wagenführ ob der leeren Stadtkasse an und hatte die Lacher auf ihrer Seite. Sie und die anderen Gäste waren angetan von dieser Führung. „Eine tolle Idee“, sagte Wagenführ. Zumal der Abend mit Suppe, von Ellen Söllig gekocht, Getränken und Gesprächen seinen gemütlichen Ausklang fand.