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Gespräch mit Kita-Leiterin Sabine Brennecke "Ist Schulfähigkeit eine Eigenschaft des Kindes?"

29.10.2011, 04:22

Zu einer Diskussion rund um das Thema Schulfähigkeit lädt die Marie-Hauptmann-Stiftung am 1. November ein. Worum es in der Runde gehen soll, darüber sprach Redakteurin Sabine Scholz mit Sabine Brennecke, Kita-Chefin und Bereichsleiterin Kindertagesstätten im Cecilienstift.

Volksstimme: Frau Brennecke, die Marie-Hauptmann-Stiftung ist Kompetenzzentrum für frühkindliche Bildung im Sinne von Bildung elementar. Wollen Sie jetzt Kompetenzzentrum für Erstklässler werden?

Sabine Brennecke: Kompetenzzentren für Erstklässler sind die Schulen.

Volksstimme: Aber warum wählt eine Kindertagesstätte dann das Thema Schulfähigkeit?

Brennecke: Weil wir, wie der Volksmund sagt, eine vorschulische Einrichtung sind, da kommt das Wort Schule drin vor.

Volksstimme: Ist nicht Ihr Ernst.

Brennecke: Es hat schon einen ernsten Hintergrund. Kitas sind die Zeit vor der Schule, und auch das hat ganz viel mit Bildung zu tun. Wir wollen aus Anlass des Trägerjubiläums Eltern, Lehrern, der interessierten Öffentlichkeit bewusst machen, dass Kitas Orte der Bildung sind.

Volksstimme: Wobei hier Bildung etwas anders geschieht als in der Schule.

Brennecke: Und das ist gut so.

Volksstimme: Warum?

Brennecke: Weil ein Kind von der Geburt an bis zur Einschulung seine Welt spielend begreift und entdeckt - im Wortsinn. Es gibt da im thüringischen Bildungsplan ein schönes Zitat: "Der Mensch erobert und reflektiert seine Welt zuerst im Spiel. Kinder spielen, weil sie sich entwickeln und sie entwickeln sich, weil sie spielen."

Volksstimme: Reicht Spielen aus? Muss da nicht mehr geschehen, gerade im Jahr vor der Schule?

Brennecke: Letztlich ist alles eine Übung für die Schule. Der Übergang in die Schule ist ein Statusgewinn für das Kind und eine andere Bildungsform, die es dann auch braucht.

"Der Übergang in die Schule ist ein Statusgewinn für das Kind"

Volksstimme: Das meine ich doch, Konzentration lernen ...

Brennecke: ... nein, es geht doch nicht darum, Kästchen auszumalen. Kinder müssen stark sein, viele Kompetenzen haben, wenn sie zur Schule kommen.

Volksstimme: Erklären Sie das mal bitte.

Brennecke: Gern. Zum einen ist es wichtig, dass die ersten Übergänge im Leben gelingen. Also der vom Elternhaus in die Kita und dann der von der Kita zur Schule. So werden aus den Kindern Erwachsene, die auch alle anderen Übergänge im Leben optimistisch und mutig angehen. Ob nun der von der Schule zur Lehre oder dann in den Beruf, ob den vom Single zum Paar oder vom Paar zum Elternsein.

Volksstimme: Jetzt sind sie aber weit weg von Schulfähigkeit.

Brennecke: Ganz und gar nicht. Die Kinder erwerben vor der Schulzeit Kompetenzen, die sie ihr ganzes Leben lang brauchen. Soziale Kompetenz im Umgang mit anderen, Sprachkompetenz, um sich auszudrücken, um logisch zu denken. Sachkompetenz und personelle Kompetenz. Zum Beispiel den Mut, in der Schule zu sagen: So, hier bin ich. Wer Selbstwertgefühl und Selbstachtung besitzt, hat Spaß am Entdecken, am Lernen, kann teilhaben, sich einbringen. Dinge, die wichtig sind im Leben.

Volksstimme: Zurück zum Anfang. Warum lädt eine Kita zu so einer Diskussion?

Brennecke: Die Erfahrung zeigt uns täglich, wie unterschiedlich allein der Begriff Schulfähigkeit verwendet wird. Eltern und Lehrer sehen Vorschule oft als eine bestimmte Tätigkeit, konzentriert auf das Jahr vor der Einschulung. Wenn man den Begriff ernst nimmt, heißt vor der Schule von der Geburt an lernen, lernen, lernen. Und dabei erwerben Kinder alle Grundlagen, die sie brauchen. Wir möchten gerne, dass Eltern und Fachleute auf den verschiedenen Ebenen ins Gespräch kommen und die Verknüpfungen bei diesem Thema sehen. Wir wollen ins Gespräch darüber kommen, wie wir alle den Übergang gut gestalten können. Die Frage ist doch: Ist Schulfähigkeit eine Eigenschaft des Kindes oder nicht vielleicht doch eigentlich etwas anderes?

Die Diskussionsrunde findet am Dienstag, dem 1. November, um 19 Uhr in der Marie-Hauptmann-Stiftung, Am Burcharditor 2, statt.