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Kultur Glocken und Kater Kludwig

Er ist leergeräumt, der Halberstädter Dom. Zur Nacht der Kirchen stehen im Dom heute Dispute im Mittelpunkt.

Von Sabine Scholz 19.08.2017, 18:00

Halberstadt l Ein Schlagzeug kennt man, aber was ist ein Schlagwerk? Die Glocken einer Uhr? „Viel mehr als nur das Drumset eines Schlagzeugs“, beantwortet Kirchenmusikdirektor Claus-Erhard Heinrich die Frage. Hermann Naehring aus dem märkischen Ort Regenmantel wird heute im Dom sein umfängliches Schlagwerk aufbauen – klassische Trommeln und Becken, Glocken und Röhren, japanische Trommeln, Gongs und vieles mehr. Schlagwerk und Orgel, die Domkantor Claus-Erhard Heinrich spielt, werden dann in einen Disput treten – als Thomas Müntzer und Martin Luther.

Die Orgel wird wenig später mit der Posaune ins Zwiegespräch kommen, die von Richard Roblee gespielt wird. „Er wird auch solistisch zu erleben sein und nicht nur Katharina von Bora klanglich vertreten“, sagt Heinrich. Der freut sich hörbar auf diese besonderen musikalischen Begegnungen.

Die Dispute werden auch verbal ausgetragen, mit Zitaten aus Texten von Luther, Müntzer, Katharina von Bora und Philipp Melanchthon. Dessen Rolle, sagt Heinrich, werde oft unterschätzt. „Die Breitenwirkung der Reformation ist seinem Wirken zu verdanken, hat er sich doch maßgeblich für die Bildung breiter Bevölkerungsschichten eingesetzt.“ Die Bibel sollten alle Menschen lesen können, deshalb mussten sie lesen und schreiben lernen. „In vielen Haushalten war die Familienbibel über Jahrhunderte das einzige Buch. Aber das wurde gelesen.“

Ungewohnte Töne erklingen aber nicht nur im Dom. In der Johanniskirche musiziert der Handglockenchor aus Gotha mit mehr als 100 Hand-, Chor- und Röhrenglocken und spielt dabei spezielle Kompositionen. Aber auch Bearbeitungen bekannter Werke und Komponisten werden unter der Leitung von Matthias Eichhorn zu hören sein. Das Konzert der sphärischen Glockenklänge wird ebenfalls mit einigen Lutherzitaten gewürzt. Zwischen den Kurzkonzerten können Interessierte selbst das Glockenschlagen ausprobieren.

In der Moritzkirche berichtet Kater Kludwig über „Neuigkeiten aus Pferdeschnaps“, ein Puppenspiel für alle Junggebliebenen zwischen 9 und 99 Jahren.

Gospel wird in der Katharinenkirche um 21.30 Uhr geboten und in der Andreaskirche um 20 Uhr. In der Andreaskirche wird es anschaulich, wenn es um die Frage geht, ob Glaube eine Illusion ist. Vieles, was uns umgibt, ist auch eine Illusion, manche Wahrnehmung nichts weiter als eine optische Täuschung. Die Installation zum Mitmachen verspricht anregende Impulse, bevor ab 22 Uhr bei Gebeten und Gesängen der Taizé-Bruderschaft meditative Ruhe einkehrt in den großen Kirchenraum.

Um 22.30 Uhr werden alle Kirchen ihre Türen schließen – außer der Dom. Dort wird mit der Complet um 23 Uhr, einem Teil der mittelalterlichen Liturgie des Friedensfestes, und dem Nachtgeläut dieser besondere Abend ausklingen.

Versorgungsstände für die Gäste finden sich ab 20 Uhr an Dom, Liebfrauen-, Katharinen-, Johannes- und neuapostolischer Kirche.