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Währungsunion Mit 100 000 D-Mark im Beutel über den Domplatz

Von Sabine Scholz 01.07.2015, 03:06

Halberstadt l Woran er sich erinnert? Werner Reinhardt lacht. "Der 1. Juli 1990 war ein Sonntag", sagt er. Der Vorstand der Harzsparkasse war damals in Halberstadts Sparkasse tätig, hat die Umstellung von der DDR-Mark auf die D-Mark mitgemacht. "Eine unheimlich spannende, aufregende Zeit", sagt der Aspenstedter. Schon Wochen und Monate vorher kursierten Gerüchte über mögliche Umtauschkurse, viele Halberstädter eröffneten noch rasch neue Konten, für sich, ihre Kinder oder Enkel und parkten dort ihre DDR-Mark, um beim Umtausch vielleicht einen besseren Schnitt machen zu können. Mehr als 6000 neue Konten wurden im Mai und Juni eröffnet. Über 70 000 Umstellungsanträge waren zu bearbeiten, denn die neue Währung gab es nur mit solchen Anträgen. 2000 D-Mark konnten zudem vom 1. bis 6. Juli bar in Empfang genommen werden, wenn die entsprechende Auszahlungsquittung vorgelegt wurde.

Am Abend vor dem 1. Juli verabschiedeten die Sparkasenmitarbeiter die DDR-Mark, und Reinhardt erinnert sich an eine Aussage der damaligen Geschäftsstellenleiterin Ursula Behrens: "Wir werden sagen können, wir sind dabei gewesen." Es sei allen bewusst gewesen, dass das ein historischer Moment war.

Unsicherheit gab es, ob die Sparkassen weiterbestehen würden, dennoch wurden klaglos Überstunden und Wochenendarbeit in Kauf genommen, Urlaubstage verschoben. Die Mitarbeiter der Sparkasse reichten nicht nur das "Westgeld" aus. "Wir mussten ja von einem Tag auf den anderen auch alle anderen Dienstleistungen einer westdeutschen Bank anbieten wie Anlageberatungen und ähnliches", sagt Reinhardt.

Und rückt dann doch noch mit ein paar Anekdoten zum eigentlichen Umstellungstag heraus. "Am 1. Juli wurde mir schmerzhaft klar, warum es immer harte Westmark hieß." Er schleppte selbst einen der Säcke aus dem Tresor der ehemaligen Staatsbank in die Geschäftsstelle im Westendorf. Das war harte Arbeit. Der damalige sparkasseneigene Tresor war zu klein für die Riesenmengen an Geld, deshalb half die Deutsche Bank, die inzwischen in der Staatsbank-Filiale residierte. "Seitdem habe ich nie wieder so viele Millionen auf einen Haufen gesehen."

Der Ansturm war enorm in allen 70 Auszahlstellen der Sparkasse. "Zwar nicht so ex-trem wie in Berlin, wo schon um Mitternacht die Banken öffneten. Aber bis zur Post standen die Kunden schon Schlange." Während im Hinterhof noch Geldsäcke geschleppt wurden, begann an den Schaltern vorne um 8 Uhr die Ausgabe der D-Mark. Irgendwann merkten die Mitarbeiter: das Geld reicht nicht! "Also sprach ich einen befreundeten Kollegen einer anderen Bank auf dem Domplatz an. Und dann bin ich mit 100 0000 D-Mark im Stoffbeutel über den Domplatz gegangen." Das Geld bekam der Kollege natürlich zurück, der so unbürokratisch geholfen hatte. "Wir hatten ja nicht mal ein Konto dort", erzählt Reinhardt und muss schmunzeln. Den Beutel? Nein, den hat er nicht aufgehoben.

Nach der Umstellung ging es weiter mit den aufregenden Tagen. Schließlich musste unter anderem das Ostgeld geordnet abgeliefert werden.