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Industrie Osterwiecker Arsenfabrik ist verkauft

Die Arsenfabrik in Osterwieck (Landkreis Harz) ist verkauft worden und hat seit Montag einen neuen Eigentümer.

Von Mario Heinicke 08.08.2020, 01:01

Osterwieck l Investor ist die in Frankfurt/Main sitzende Beteiligungsgesellschaft Lafayette Mittelstand Capital, die sich nach Angaben auf ihrer Webseite vor allem auf Mittelstandsfirmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie benachbarten Regionen fokussiert hat. Es soll mehrere Kaufinteressenten gegeben haben, Lafayette bekam den Zuschlag.

Dass ein Verkauf notwendig wurde, ist eine längere Geschichte. Wirtschaftliche Probleme hatte die Osterwiecker Arsenfabrik selbst nicht, aber ein anderes deutsches Tochterunternehmen und damit in der Folge die ganze deutsche Gruppe des französischen Mutterkonzerns Recylex. Schon 2018 hatte der Konzern eine Sanierung eingeleitet für die Gruppe als Ganzes. Die geplante Restrukturierung wurde jedoch im Mai wegen der Auswirkungen der Corona-Krise gestoppt. Auf Grund der Mithaftung des gesamten deutschen Teilkonzerns waren im Mai alle Gesellschaften der Recylex-Gruppe verpflichtet, ein Insolvenzverfahren zu beantragen.

Darunter die eigentlich „gesunde“ PPM Pure Metals in Langelsheim, wozu wiederum Osterwieck gehört. Sie ging somit ebenso in ein Schutzschirmverfahren, ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung.

Ziel war der Verkauf. Für das Langelsheimer Unternehmen zeigte ein chinesischer Investor Interesse, der den Standort sogar noch ausbauen wollte. Doch der Verkauf scheiterte an der fehlenden Zustimmung aus Berlin, die notwendig gewesen wäre, weil es sich um keinen Investor aus der Europäischen Union handelte. Vergangenen Freitag war in Langelsheim letzter Arbeitstag für 75 Mitarbeiter. Jetzt sind dort die Lichter aus, der Betrieb musste in Insolvenz gehen.

Gerettet werden konnte unterdessen die Osterwiecker Arsenfabrik, die seit 2007 zu PPM gehört, mit derzeit etwa 25 Mitarbeitern, die in drei Schichten arbeiten.

Geschäftsführer der PPM Osterwieck GmbH werden Dr. Jan Freerks Riecken und Dr. Ulrich Kammer sein, die zuletzt an der Spitze von PPM in Langelsheim standen. Kammer hatte sich seit der Übernahme 2007 als Betriebsleiter schon immer um die Osterwiecker Fabrik gekümmert. Ursprünglich war die Arsenfabrik von der Astron AG gebaut worden, die aber kurz nach ihrem Produktionsstart 2003 in die Insolvenz gehen musste.

Das Personal in Osterwieck wird in nächster Zeit noch aufgestockt. Ulrich Kammer nannte gestern auf Anfrage die Zahl fünf. Über diese ist aber noch nicht entschieden. Das im Osterwiecker Industriegebiet gelegene Werk benötigt vor allem Personal für Verwaltung einschließlich Ein- und Verkauf sowie Labor und Instandhaltung.

Laut Ulrich Kammer müsse nun abgewogen werden, ob und welche Aufgaben man durch eigene Kräfte oder gegebenenfalls durch Externe erledigt. Mit dem PPM-Betriebsrat habe man einen Interessensausgleich geschlossen, benötigte Mitarbeiter vor allem aus der nun in Langelsheim gebildeten Transfergesellschaft zu beziehen.

Momentan ruht die Produktion in Osterwieck, was aber nichts mit dem Eigentümerwechsel zu tun hat, sondern langfristig geplant war. Jedes Jahr im Sommer wird über zwei Wochen eine Wartung der Anlagen vorgenommen. Was nur möglich ist, wenn die Produktion ruht.

Ab 10. August soll wieder metallisches Reinstarsen produziert werden, für das es nach Einschätzung von Kammer weiterhin Bedarf gibt. „Wir haben noch keinen Corona-Effekt gespürt.“ Nach einem Spitzenjahr 2018 und einem schlechteren 2019 werde nun ein besseres 2020 gesehen. „Wir können aber nicht weit in die Zukunft schauen.“

Osterwieck produziert rund die Hälfte des Arsens in höchstem Reinheitsgrad von 99,99999 Prozent auf dem Weltmarkt. Diese Qualität erreicht nach hiesiger Kenntnis derzeit außerdem nur noch ein japanisches Unternehmen. Die über 50 Osterwiecker Kunden sitzen weltweit.

Das metallische Arsen wird für Computerchips, Leuchtdioden sowie verstärkt die Dotierung von Silicium benötigt. Unter letzterem versteht man quasi eine gezielte Verunreinigung von Silicium, um bestimmte physikalische Eigenschaften zu erreichen.