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Pandemie Wie Schulen im Harz mit Corona-Regeln umgehen

Zum Start des Schuljahres hat die Volksstimme nachgefragt, wie die Schulen im Harzkreis unter den Corona-Auflagen neu starten.

Von Karoline Klimek 27.08.2020, 10:57

Halberstadt l Maskenpflicht, Hände desinfizieren, Abstand halten: Mittlerweile dürfte jedes Schulkind verinnerlicht haben, worauf es in der Corona-Krise ankommt. Die Schulen im Harzkreis öffnen am heutigen Donnerstag wieder – unter Auflagen, deren Rahmen das Land vorgegeben hat.

Zwei Tage Maskenpflicht auf Fluren und Schulhof, ausgefüllte Gesundheitsformulare und bereitgestellte Desinfektionsmittel und Ersatz-Masken – die Vorgaben des Bildungsministeriums werden in der Albert-Schweitzer-Förderschule für Lernbehinderte in Halberstadt umgesetzt, wie Schulleiterin Kirsten Moeller auf Nachfrage versichert. „Wir haben zudem Pfeile aufgeklebt, damit die Kinder immer nur rechts im Schulhaus gehen“, sagt sie.

Darüber hinaus werde sowohl in den Hofpausen als auch bei der Essensausgabe auf den Mindestabstand geachtet und darauf, dass sich die Kinder nicht zwischen den Klassenstufen mischen. Auch mit einem Ankunftszeitfenster von 30 Minuten vor dem Unterrichtsbeginn sollen Ansammlungen vermieden werden.

158 Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse lernen in der Albert-Schweitzer-Schule, wobei der älteste Jahrgang in einem anderen Gebäude unterrichtet wird. Verteilt auf 15 Klassen sind laut Moeller zwischen sieben und 14 Kinder in einem Raum. Auf Mundschutz wird am Platz daher verzichtet.

Wegfallen wird auch das Singen im Musikunterrricht. Allerdings werden Sport und Schwimmen unter den gängigen Hygieneregeln wieder angeboten. Unterrichtet wird zudem in voller Klassenstärke, vor den Sommerferien wurden die Gruppen noch 14-tägig gewechselt.

Dass vor den Sommerferien Unterrichtsstoff verpasst worden sein könnte, das sieht die Schulleiterin nicht als Pro­blem. „Unser Motto ist, dass wir die Kinder da abholen, wo sie stehen“, betont sie. Strikte Vorgaben gebe es bei einer Lernförderschule eben nicht. „Wir nehmen uns für die Kinder Zeit, die sie brauchen. Sie sollen ja auch Spaß haben am Lernen.“ Auch vor einer möglichen erneuten Schließung der Schule habe sie keine Angst. Dafür habe das Team die Zeit vor den Sommerferien zu gut gestemmt. „Ich hatte nie das Gefühl, dass wir das nicht schaffen können“, sagt die 55-Jährige.

Entspannt ist auch Björn Ahlsleben, Leiter der Sekundarschule „Am Gröpertor“ in Halberstadt. Vor allem, weil er die Europaschule auf den denkbar schlimmsten Fall einer erneuten Schulschließung gut vorbereitet sieht. „Wir haben schon vor den Schulferien sehr gute Rückmeldungen bekommen. Wir haben sogar einige Lehrer, die schon Online-Unterricht umgesetzt haben“, erzählt er.

Doch zunächst wird wieder im Schulgebäude unterrichtet. Dabei gelten die selben Regeln wie vor den Sommerferien: Mund-Nasen-Schutz im Schulhaus und Abstand halten. „Den können wir im Klassenraum allerdings nicht einhalten, aber das ist erlaubt“, informiert der der 38-Jährige. Auch auf dem Schulhof sei das bei rund 400 Schülern schwierig zu kontrollieren. Verschobene Zeiten für die verschiedenen Klassenstufen seien nicht umsetzbar, da dadurch die Stundenpläne der Lehrer durcheinanderkommen würden.

„Und wir haben auch viele Fahrschüler und sind somit auf die Busfahrzeiten angewiesen.“ Deshalb könne der Tag nicht weiter ausgedehnt werden. „Wenn sich die Schüler anstecken, dann nicht in der Schule, sondern auf dem Weg dorthin oder an den Bushaltestellen. Dort haben wir auf die Einhaltung der Regeln keinen Einfluss“, schätzt Björn Ahlsleben ein.

Anders als vor Ort. Vor allem der großzügig geschnittene Schulbau kommt der Einhaltung der Auflagen entgegen. Die Gänge sind breit angelegt, sodass auf eine Einbahnstraßenregelung verzichtet werden könne, zudem stehen drei Eingänge offen. Um den Andrang nach dem Pausenklingeln einzuschränken, könnten die Lehrer ihre Stunde flexibel bis zu fünf Minuten früher oder später beenden.

Mit dem Plan zum Schulstart zeigt sich Björn Ahlsleben zufrieden. Dennoch kritisiert er das Bildungsministerium für seinen vorgegebenen Hygieneleitfaden. „Das Land hat es sich dabei ein wenig einfach gemacht und die Verantwortung an die Schulen abgegeben“, bemängelt er. „Welche der Vorgaben wir weglassen können, dürfen wir selbst entscheiden. Und dies kompetent zu tun, ist sehr schwierig.“

Genau diese Flexibilität schätzt dagegen Martin Eggert, Leiter der Carl-Kehr-Schule in Halberstadt. Für das Förderzentrum für Hörgeschädigte sowie Taubblinde, sind die Standardvorgaben nur bedingt übertragbar, es bedarf praktikabler Einzellösungen. „Die Vorgaben werden von den Kollegen mittlerweile akzeptiert, allerdings nicht mit Begeisterung“, sagt er.

Denn die beeinträchtigten Schüler sind auf Gestik und Mimik sowie körperliche Nähe angewiesen, Mundschutz und Abstand sind Hindernisse. Hörgeschädigte ziehen sich beispielsweise Informationen aus den Bewegungen der Lippen und Zungenspitze, wie der Schulleiter verdeutlicht. „Wenn zwei Schüler auf dem Hof miteinander reden, dürfen sie, um sich besser zu verstehen, auch ihre Masken absetzen“, erklärt Martin Eggert. Das sei aber nur in den ersten beiden Schultagen nötig, ab Montag sei der Mund-Nasen-Schutz generell keine Pflicht mehr.

Bei den Taubblinden ist vor allem das Thema des Abstands schwierig. „Sie haben teilweise noch einen weiteren Förderbedarf, manche sind nicht mobil“, erzählt der 62-Jährige. „Sie nehmen auch viel über Berührungen wahr. Durch Corona ist das zwar eingeschränkt, aber wir haben mit allen Eltern Vereinbarungen getroffen, wie wir trotzdem mit ihren Kindern arbeiten können.“ So tragen die betreuenden Kollegen aufgrund der erforderlichen körperlichen Nähe zu den Schülern ein Visier.

Unnötige Begegnungen auf den Fluren werden zusätzlich verhindert, indem die Klassen den ganzen Tag im selben Raum lernen. „Das erschwert natürlich den Unterricht in Kunst, Musik oder den Naturwissenschaften, aber so können wir die Bewegungen der Schüler im Haus deutlich verringern“, meint Martin Eggert. Die nächsten Wochen würden zeigen, ob diese Vorgehensweise wieder gelockert werden könne. „Dann könnte aber wieder eine Maskenpflicht im Schulgebäude Thema werden“, betont er.

An der Sekundarschule „Thomas Müntzer“ in Wernigerode sind die Mund-Nase-Bedeckungen dagegen bis auf weiteres Pflicht: „Wir fahren das Hygienekonzept weiter, mit dem wir das Schuljahr abgeschlossen haben. Da sind wir vorsichtig und schützen uns selbst“, sagt Leiter Sebastian Ganso. Im Unterricht können die Masken abgelegt werden.

Auf dem Schulhof sollen die 14 Klassen eigene Bereiche haben. Der Sportplatz etwa werde zum Schulhof für die Neunt- und Zehntklässler. „Damit wollen wir die Situation entzerren – und es passt zu unserem Konzept der ,Bewegten Schule‘“, erläutert Ganso. Der Sportunterricht könne nach den derzeitigen Vorgaben normal ablaufen. Man versuche, die Abstände einzuhalten und Sportarten zu wählen, bei denen das möglich ist.

So soll es auch in der Freien Grundschule Wernigerode gehandhabt werden. Sport ohne engen Körperkontakt lautet die Devise. „Es gibt ganz viele Möglichkeiten, ohne Körperkontakt zu arbeiten. Unser Sportlehrer wird da sehr kreativ sein“, sagt Schulleiterin Andrea Probst. Anders als gewohnt werde jedoch der Musikunterricht ablaufen. Singen sowie das Spielen auf Blas- und Streichinstrumenten ist vorerst ausgesetzt. „Der Stundenplan wird so umstrukturiert, dass andere Bereiche behandelt werden.“ Musik hören und Noten lernen sei möglich.

Maske auf heißt es im Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Wernigerode. „Solange wir nicht alle Gesundheitsfragebögen haben, behalten wir das im Schulgebäude bei“, sagt Schulleiter Raimund Witte. Durch feste Stunden- und Sitzpläne könne man zudem feststellen, wer sich wann wo aufgehalten hat – damit im Infektionsfall möglichst nicht die gesamte Schule geschlossen werden muss. „Es wird darauf ankommen, wie weit man das eingrenzen kann.“

Denn den Schulleiter treibt die Sorge um, dass viele zu sorglos werden könnten – auch weil die Infektionszahlen im Harzkreis weiter niedrig seien. „Es ist schwer, den Schülern zu vermitteln, dass sie die Auflagen weiterhin ernst nehmen müssen“, sagt Witte. Doch wie sich die Lage angesichts zahlreicher Urlaubsrückkehrer entwickele, sei völlig offen. „Solange es kein Gegenmittel gibt, müssen wir vorsichtig sein.“Kommentar