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Poetry Slam Lyrischer Einblick ins Seelenleben

Betty Harper wirft gern um sich - und zwar mit Worten. Die 20-Jährige aus Anderbeck nimmt an Poetry Slams, also Dichterwettstreiten, teil.

Von Sandra Reulecke 19.01.2017, 00:01

Halberstadt l Neben ihrem Bett liegen immer Zettel und Stifte. „Kurz vor dem Einschlafen kommen mir die besten Ideen“, verrät Betty Harper. Die 20-Jährige aus Anderbeck ist Dichterin. Seit April letzten Jahres präsentiert sie ihre Texte einem breiten Publikum. Sie nimmt an Poetry Slams teil.

„Das sind Dichterwettstreite, bei denen die Zuhörer entscheiden, wer gewinnt“, erläutert die Abiturientin. Durch Klatschen oder mit Punkttafeln entscheidet das Publikum, welcher Text ihm am besten gefiel. Was gibt es zu gewinnen? „Ruhm und Ehre, manchmal Geld oder Alkohol“, berichtet sie. „Im Harz geht oft ein Beutel durch das Publikum.“ Diesen füllen die Zuschauer mit irgendwas, was sie dem Gewinner-Slammer zukommen lassen wollen. Das können kleine Briefe sein, aber auch halbaufgegessene Döner.

An den ersten Auftritt kann sich Betty Harper gut erinnern. „Ich war so aufgeregt und wirklich nicht gut. Ich konnte das Publikum nicht erreichen.“ Die gute Nachricht: Auch wenn ein Auftritt schlecht ist, muss der Dichter nicht befürchten, ausgebuht zu werden. Respekt gegenüber dem Künstler ist ein Gebot beim Poetry Slam. „Konstruktive Kritik ist aber wichtig, um an sich zu arbeiten“, sagt die Slammerin. Ihr härtester Kritiker sei ihre Mutter. „Wenn sie sagt, dass ein Text gut ist, ist er es auch.“

Mittlerweile ist Betty Harper selbstsicher bei Auftritten. Nur kurz bevor es auf die Bühne geht, habe sie „einen nervösen Moment“, schließlich wisse man nie, wie das Publikum gestimmt ist. Darum plant die 20-Jährige nicht, welchen Text sie vorträgt. „Ich entscheide vor Ort, wie viel ich von mir preisgeben möchte.“

Die Schülerin schreibt über persönliche Themen: Herzschmerz, den Tod ihrer Großmutter, Empathie. „Es hilft mir, Dinge zu verarbeiten. Aber es ist auch immer eine Offenbarung. Lyrik sollte für mich aus tiefsten Herzen kommen“, sagt sie. Sie finde es wichtig, sich zu Gefühlen zu bekennen und Tabu-Themen anzusprechen. „Es mag narzisstisch sein, aber ich hatte schon immer das Gefühl, dass ich der Welt etwas zu sagen habe“, gesteht sie lachend.

Doch bis sie sich das traute, dauerte es Jahre. „Ich schreibe, seit ich schreiben kann und habe mit 14, 15 Jahren Poetry Slam im Internet entdeckt“, erinnert sich die Anderbeckerin. „Aber damals hätte ich mich niemals getraut, im Rampenlicht zu stehen.“ Heute bereitet ihr das Spaß. Sie freut sich, Anfragen für Auftritte in Dessau, Chemnitz und Bad Muskau zu bekommen.

Am Freitag, 20. Januar, stellt sich Betty Harper in Halberstadt einem Wortgefecht. Sie tritt gegen neun Slammer an, darunter überregionale Künstler wie Anabel Gutsch aus Hamburg. Der Kellerslam wird vom Kulturverein Komm‘ma veranstaltet. Die Moderation übernimmt eine Szenegröße, der Blankenburger Aron Boks. Beginn ist um 20 Uhr im Bibliothekskeller der Heinrich-Heine Bibliothek.