Über 1500 Besucher beim John-Cage-Orgel-Kunstprojekt im Buchardikloster Halberstadt Prominenz und Besucher aus aller Welt verleihen Klangwechsel besonderes Flair
Dass das John-Cage-Orgel-Kunstprojekt Halberstadt einen besonderen Glanz verleiht, ist hinlänglich bekannt. Beim 13. Klangwechsel am Sonnabend wurde dieser Fakt nachhaltig unterstrichen - sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht.
Halberstadt l Prominenz und Gäste aus Amerika, Russland, England und Australien haben dem Klangwechsel ein besonderes Flair verliehen. So wurden zu dem Ereignis am Sonnabend im Burchardikloster die Schriftstellerin und Journalistin Wiebke Bruns, der Jazz- und Schlagersänger Bill Ramsey (seit 2006 Unterstützer des John-Cage-Orgel-Kunstprojektes) und der Fördervereinsvorsitzende Christof Hallegger begrüßt. Zu den Ehrengästen gehörte auch Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke).
Ungeachtet des Dauerregens bildete sich eine lange Menschenschlange vor der Kirche des ehemaligen Zisterzienserklosters, um diesen Klangwechsel beim längsten und langsamsten Musikstück weltweit - As SLow aS Possible und auf 639 Jahre angelegt - mitzuerleben. Und das war keineswegs langweilig.
Die Wartenden aus allen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland kamen schnell mit einander ins Gespräch. Zunächst tauschten sie sich über Schwierigkeiten aus, eine Unterkunft zu finden, da wegen des Klangwechsels alle Hotels ausgebucht waren, dann mit Leidenschaft über John Cage, den beispielsweise der Iraner Hossein Pishkar, der an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf Orchesterleitung studiert, für den größten Komponisten neben Bach hält. Pishkar bedankte sich später bei Rainer O. Neugebauer, Vorsitzender des Kuratoriums der John-Cage-Orgel-Stiftung, dass das Cage-Projekt in Halberstadt realisiert wird.
Die Verantwortlichen der Stiftung Halberstadt sprechen von 1 500 Menschen, die in der Burchardikirche dicht an dicht mit achtungsvollem Schweigen den Klangwechsel verfolgten. Er wurde von Sabine Groschup (Österreich), Ray Kass (USA) und Pierre Hébert (Kanada) vorgenommen. Bei diesem letzten Klangwechsel vor der großen Pause verschmolzen die beiden Basstöne, die bis zum 5. Oktober zu hören waren, mit drei kleinen Orgelpfeifen zu einem neuen Klang. Dieser Fünfklang wird unverändert für die nächsten sieben Jahre zu hören sein.
Und somit ist der Einzigartigkeit des Orgelprojektes noch eine weitere hinzugefügt: Es ist der längste unveränderte Klang, den es je in einem Musikstück gegeben hat.
Begleitet wurde der 13. Klangwechsel von einer überaus gut besuchten Vernissage im Herrenhaus des Burchardiklosters. Neben dem Orgelprojekt unterstreicht die Filmpräsentation/Ausstellung, dass "Halberstadt ein weltweit anerkannter Referenzort für moderne Kunst und Musik geworden ist", so Rainer O. Neugebauer.
Im Zentrum der Präsentation steht die Halberstädter Erstaufführung von Sabine Groschups experimentellem Dokumentarfilm (JC 639) zu John Cage ORGAN2/ASLSP in der Burchardikirche. Flankiert wird die Filmpräsentation mit einer Serie von 21 Schwarzweißfotografien der vielfach ausgezeichneten Fotografin Barbara Klemm. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Auswahl bildnerischer Werke, die in einem "Raum für Cage ... mit Cage" münden, wie Georg Weckwerth, Kurator der Ausstellung, sagte.
Einziger Wermutstropfen der ansonsten beeindruckenden Veranstaltung war die Absage von Teta M. Moers, Leiterin des US-Generalkonsulats in Leipzig. Wegen des Haushaltsstreites in den USA konnte die Amerikanerin trotz Zusage nicht kommen.
Der nächste Klangwechsel findet am 5. September 2020 zum 108. Geburtstag von John Cage statt. Die sieben Jahre bis dahin werden laut Stiftung mit interessanten Höhepunkten ausgefüllt. So seien Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, Workshops und wissenschaftliche Symposien vorgesehen.
Der 13. Klangwechsel war ein Ereignis, auf die Öffentlichkeit ausgerichtet. Wer hingegen in Ruhe das Projekt in der St. Burchardi-Kirche besucht, entdeckt vielleicht eine Wahrheit, die Oberlandeskirchenrat Klaus Röhring im Jahr 2000 zur Eröffnung des Kunstprojektes formulierte: "Es ist ein Werk, das aus dem Vertrauen in die Zukunft kommt und der securitas, der wahnhaften Selbstsicherheit, die certitudo, die Gewissheit, das Vertrauen entgegenstellt." Es könnte dem "Pflanzen eines Apfelbäumchens" gleichen.
Öffnungszeiten John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt in der Burchardrikirche Halberstadt von April bis Oktober, dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, November bis März, dienstags bis sonntags von 12 bis 16 Uhr