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Prozess Mit Explosion vor Gericht katapultiert

Ein Halberstädter (44) steht vor dem Landgericht Magdeburg - wegen mutmaßlichen Drogenhandels.

Von Dennis Lotzmann 13.05.2020, 04:00

Halberstadt/Magdeburg l Der Fall hatte seinerzeit weit über Halberstadt und die Harzregion hinaus für Schlagzeilen gesorgt: Nachdem es in der Minslebener Straße in Halberstadt in der Nacht zum 26. Mai 2019 zur Explosion in einem Wohnhaus gekommen war, mussten in Windeseile Hunderte Anwohner evakuiert werden. Da die Einsatzkräfte der Feuerwehr nach der Detonation in den betroffenen Räumlichkeiten auf große Mengen zunächst undefinierbarer Chemikalien gestoßen waren, gingen alle Verantwortlichen auf Nummer sicher: Experten eilten in die Kreisstadt, dort wurde ein spezieller Führungsstab gebildet, obendrein mussten rund 670 Anwohner über Tage in Notquartieren übernachten. Spekulationen machten die Runden – über eine Drogenküche, in der offenbar Experimente aus dem Ruder gelaufen seien, wurde ebenso gemutmaßt wie über eine Bombenwerkstatt.

Erst Wochen später – im Juni 2019 – gab es langsam Klarheit: Bei den Chemikalien gaben Gutachter Entwarnung. Sie seien legal erworben worden. Wofür, blieb dem Vernehmen nach unklar. Unter anderem, weil der damals 43-Jährige, der in den Räumlichkeiten lebte, im Rahmen der Ermittlungen nicht wirklich aktiv an der Aufhellung mitwirkte.

Letztlich klappte die Staatsanwaltschaft in Halberstadt selbst schließlich die Akten zu. Weil nach Angaben von Behördenchef Hauke Roggenbuck – erstens – nicht ausgeschlossen werden konnte, dass tatsächlich explodierte Gaskartuschen für die Detonation ursächlich gewesen sein konnten und der Schaden – zweitens – weitaus geringer war, als zunächst schien, wurden die Ermittlungen wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion eingestellt.

„Der Gesamtschaden lag letztlich bei einigen hundert Euro“, so Roggenbuck. Zudem habe die durchaus plausible Version mit den explodierten Gaskartuschen, die der 43-Jährige geliefert hatte, nicht mit einer anderen Version widerlegt werden können. „Deshalb haben wir die Ermittlungen gegen den Mann mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt“, erklärt der Oberstaatsanwalt.

Vor Gericht muss sich der Halberstädter, der bei der Explosion schwere Verletzungen im Gesicht erlitt und eine Hand verlor, trotzdem verantworten. Seit Dienstag ist er wegen Drogenhandels vor dem Landgericht Magdeburg angeklagt. Anlass sind Crystal- und Morphinpulver-Funde, auf die zunächst Feuerwehrleute und wenig später Ermittler nach der Explosion in dem vom Angeklagten genutzten Haus gestoßen waren.

Nach Angaben von Landgerichtssprecher Christian Löffler rund 25 Gramm Crystal, 20 Gramm Metamphetamin und rund 2,5 Kilogramm besagten Morphinpräparats. Das alles soll der Mann aus Sicht der Staatsanwaltschaft zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorrätig gehalten haben.

Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um exakt 26,5 Gramm Crystal, was nach Volksstimme-Informationen wohl 265 Konsumeinheiten zu je 0,1 Gramm entspricht. Eine solche Konsumeinheit werde in der Szene im Schnitt für zehn Euro gehandelt, plaudert ein Insider aus. Das Gramm Crystal sei – je nach Qualität und Herkunft – für 60 bis 80 Euro zu haben. Wobei der Marktwert folglich zwischen 1600 und 2100 Euro festgemacht werden kann.

Bei den 2,5 Kilogramm Morphinpulver soll es sich laut Analysen um 1070 Gramm Basismorphin handeln. Und das sei eine alles andere als geringe Menge, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Laut Strafverfolgungsbehörde gelten maximal 4,5 Gramm als geringe Menge. Und diese Grenze sei mit der sichergestellten Gesamtmenge etwa um den Faktor 240 überschritten worden. All das spreche für den nun vor dem Landgericht Magdeburg angeklagten Drogenhandel und gegen etwaigen Eigenbedarf.

Beim Prozessauftakt überraschte der Angeklagte, der laut Gerichtssprecher im Ermittlungsverfahren keine Angaben gemacht hatte, die Beteiligten nun mit einer Version, die einer seiner Verteidiger präsentierte: Demnach, so berichtet Gerichtssprecher Christian Löffler, hätten seine Eltern 2015 eine Ferienwohnung an einen Holländer vermietet. Als dieser vereinbarte Mietzahlungen schuldig geblieben sei, habe man die Ferienwohnung schließlich mithilfe eines Zweitschlüssel geöffnet. „Und dort will man neben den Drogen und diversen Chemikalien auch Kreditkarten des Mannes gefunden haben“, so Löffler nach dem Verhandlungsauftakt. Wissend um die Gefährlichkeit der Substanzen, habe er diese mitgenommen.

Soll heißen: Nach eigener Einlassung will der Angeklagte zu den Drogen gekommen sein, wie die berühmte Jungfrau zum Kinde. Ob das Gericht diesem Szenario folgt, bleibt abzuwarten. Zumindest lasse die nun präsentierte Version den Schluss zu, dass besagter Holländer die Ferienwohnung wohl Knall auf Fall verlassen haben muss. Es seien wohl noch Lebensmittel im Kühlschrank gewesen und auch Kreditkarten des Mannes gefunden worden.

Der Prozess vor dem Landgericht wird fortgesetzt.